54 ~ Keine Regeln

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Zwei Jahre zuvor,
drei Wochen nach dem Abend im Gallery Club
Schweiz, Institut auf dem Hohenberg

Diesmal knipste ich sofort das Licht an, als ich wieder Hände auf meiner Brust zu spüren glaubte.

»Kat? Das kann nicht dein Ernst sein!«, fuhr ich das Mädchen an, das neben mir auf dem Bett lag. »Wie bist du überhaupt hier reingekommen? Ich bin mir ganz sicher, dass ich diesmal abgeschlossen habe!«

Mit meinem eisigsten Blick starrte ich ihr in die Augen und versuchte nicht darauf zu achten, dass sie wieder lediglich einen Hauch von Nichts an ihrem Körper trug. Dieses Spielchen würde sie nicht noch einmal mit mir spielen.

»Dario hat Zweitschlüssel von einigen Zimmern, unter anderem von deinem.«

Verdammt, das war ja nicht zu fassen! Ich hatte ihn eindeutig unterschätzt. Ich musste dieses Schloss unbedingt so schnell wie möglich austauschen lassen.

»Und was hast du jetzt vor? Willst du wieder die gleiche Nummer abziehen wie letztes Mal? Wir schlafen miteinander und danach tust du so, als ob du mich nicht kennst? Das kannst du vergessen. Verschwinde aus meinem Zimmer. Sofort.« Meine Stimme klang so kalt, wie ich sie haben wollte, aber das schien sie nicht so sehr zu beeindrucken, wie ich gehofft hatte.

»Nein, Victor. Dieses Mal ist es anders. Du und ich, wir passen viel besser zusammen. Als wir diese Nacht zusammen verbracht haben, das war ... es war einfach unglaublich.« Zögernd streckte sie ihre Hand aus, ließ sie federleicht über meine Brust gleiten und legte sie dann auf Höhe meines Herzens ab, während sie mit ihren eisblauen Augen tief in meine blickte.

»Das war es nicht, Kat. Nicht für mich. Du hast einen Freund, der auch mal mein Freund war, und wir haben ihn betrogen. Für mich hat sich das nicht gut angefühlt. Überhaupt nicht«, erwiderte ich und schob ihre Hand entschlossen von mir weg. »Wenn du wirklich wieder mit mir schlafen willst, musst du dich zuerst von Dario trennen und dich für mich entscheiden. Vorher rühre ich dich nicht mehr an. Und jetzt geh wieder.«

»Okay, ich werde es tun.«

Ich glaubte, mich verhört zu haben. Hatte sie sich wirklich gerade für mich entschieden?

»Ich werde mich von ihm trennen, gleich morgen«, bestätigte sie etwas lauter. »Aber vielleicht hast du vorher noch einen winzigen Kuss für mich übrig?«

Sie beugte sich ein wenig vor, doch bevor ich reagieren konnte, ließ uns ein lautes Räuspern auseinanderschrecken. Unsere Blicke flogen gleichzeitig zur Tür.

Dario lehnte im Rahmen, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah wie ein finsterer Rächer mit einem düsteren Glanz in seinen Augen auf uns herab. Es entging mir nicht, dass sich sein Kiefer immer wieder anspannte, weil er die Zähne fest zusammenbiss.

»Verpiss dich in dein Zimmer, Schlampe.« Seine leise, gefühllose Stimme passte nicht zu den Worten, die sein Mund formte.

»Nenn sie nicht ...« Ich wollte vom Bett aufspringen, doch Kat erwischte mich am Handgelenk und hielt mich zurück.

»Schon gut. Wir tun besser, was er sagt.« Ihre Stimme war leise und unsicher. Sie warf mir einen flehenden Blick zu, während sie nach ihrem dunkelgrauen, weiten Schlafshirt griff, das neben ihr auf dem Bett lag, und es sich über den Kopf zog. Dann stand sie auf und ging barfuß zur Tür.

»Nein, das sollten wir nicht!«, rief ich ihr nach. »Wir sollten das jetzt gemeinsam klären.«

Einen Moment blieb sie stehen, dann schüttelte sie leicht den Kopf und setzte sich wieder in Bewegung. »Es tut mir leid«, flüsterte sie, als sie an Dario vorbeiging. Ich hatte keine Ahnung, ob sie sich bei ihm oder bei mir entschuldigte.

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