22 ~ Glücksgefühle?

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Dicht neben ihm stand ein Mädchen. Ein Mädchen mit langen, glatten Haaren, die im Mondlicht golden schimmerten, und endlos langen Beinen, die in hohen Stiefeln steckten. Ein Mädchen, das schmachtend zu ihm aufschaute. Ich brauchte gar nicht lange hinzusehen, um zu wissen, um wen es sich handelte.

David hatte offensichtlich keine Zeit verloren, um den Rat zu befolgen, den ich ihm so leichtsinnig gegeben hatte. Den Rat, sich zu amüsieren. Dabei hatte ich diese Art von Vergnügen überhaupt nicht gemeint!

Und dafür hatte er sich die frisch gekürte ›heißeste Schülerin‹ ausgesucht. Er hatte mich sogar noch ausdrücklich nach ihr gefragt. Wahrscheinlich wollte er damit gleich allen demonstrieren, dass er einfach jede haben konnte, sobald er als neuer Player auf dem Spielfeld erschien. Um daran von Anfang an keinen Zweifel aufkommen zu lassen, schnappte er sich gleich als erstes das begehrteste Mädchen der Schule. Dabei hatte er mir noch vor wenigen Stunden versprochen, heute Abend niemanden abzuschleppen!

Echt traurig, wenn man so etwas nötig hatte! Meine Güte, war ich auf einmal froh, dass zwischen uns nicht mehr passiert war, als diese Sofa-Sache. David war anscheinend einer von den Typen, die sich gleich die Nächste krallten, wenn sie bei einem Mädchen nicht sofort zum Ziel kamen. Wirklich widerlich! Aber mir dann vorwerfen, irgendwelche Spielchen zu spielen!

Von Sekunde zu Sekunde wurde ich wütender. Plötzlich war mir unglaublich heiß und ich ballte unbewusst meine Hände zu Fäusten. Ich bemerkte es erst, als sich meine Fingernägel schmerzhaft in meine Handflächen bohrten.

Als hätte er in diesem Moment meine Anwesenheit gespürt, schaute David auf einmal in meine Richtung. Unsere Blicke verhakten sich ineinander und hielten sich fest. Ich fühlte mich ertappt und wollte mich gerade losreißen, als er Melanie mit beiden Händen an der Taille fasste und an sich zog. Meine Augen wurden groß und mein Herzschlag setzte kurz aus.

Die Chance, den Blick von den beiden abzuwenden, hatte ich damit vertan, denn jetzt schaffte ich es nicht mehr.

Gebannt verfolgte ich, wie Melanie ihre Arme um seinen Hals legte und sich an ihn drückte. Inzwischen passte kaum noch ein Blatt zwischen die beiden Menschen im Schatten, die ich da ununterbrochen wie ein dummer Spanner beobachtete.

Mir wurde schlecht. Ich konnte gar nicht hinsehen, und gleichzeitig musste ich es tun. Ich wollte meinen Blick von dem eng umschlungenen Pärchen lösen, aber es ging nicht. Alles andere um mich herum war ausgeblendet, schien nicht mehr zu existieren.

Ihre Gesichter bewegten sich aufeinander zu, jeden Moment würden sich ihre Lippen berühren. Doch kurz bevor es soweit war, legte Tim seine Hand auf meinen Arm. Seine Berührung riss mich aus meiner Starre. Mit äußerster Willensanstrengung zwang ich mich, meinen Kopf zu drehen und in seine himmelblauen Augen zu schauen.

»Alles okay, Lil?« Er runzelte leicht die Stirn, während er mich intensiv musterte.

»Ja, alles super«, wisperte ich kraftlos und fühlte mich mit einem Mal schwach auf meinen Beinen.

Wirklich super. Absolut fantastisch. Es könnte gar nicht besser sein.

Tim richtete seinen Blick über meine Schulter auf die beiden Gestalten bei der Garage. Ich sah inzwischen stur in die entgegengesetzte Richtung, spürte ihre Präsenz aber noch immer überdeutlich in meinem Rücken.

»Das da drüben ist Melanie«, bemerkte er überflüssigerweise. Ich schluckte trocken und nickte. »Und wer ist der Typ?«

Ich atmete tief durch und versuchte, meine Stimme ganz normal klingen zu lassen, als ich »Das ist David« sagte. Es gelang mir nicht, ich hatte mich zittrig und jämmerlich angehört.

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