37 ~ Haus am See

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Mein Blick schweifte staunend über das rot gestrichene Holzhaus mit den weißen Fenstern und der weißen Tür. Es erinnerte mich an die nordischen Blockhütten, die ich schon hin und wieder im Fernsehen oder in Urlaubsprospekten gesehen hatte. Das Häuschen war von einer Wiese umgeben und die Sonne tauchte alles in ein goldenes Licht. Es sah total gemütlich und sehr idyllisch aus. Ich atmete tief ein, denn der Geruch nach Holz, Harz, Tannennadeln und Wiesenblumen war einfach unvergleichlich.

»Hier wohnst du also?« Ich drehte mich wieder zu David um und bemerkte selbst, wie verwundert meine Stimme klang. Dass er an so einem Ort lebte, hatte ich nicht erwartet. Andererseits wusste ich ja, dass er nur selten in der Wohnung war, die wir zusammen geputzt hatten. Wenn dieses Häuschen die Alternative darstellte, dann würde ich mich auch lieber hier aufhalten.

»Ja, die meiste Zeit jedenfalls.«

»Es ist total schön. Sieht gemütlich aus. Wie ein Zuhause.« 

Ein glückliches Leuchten schlich sich in seine Augen. »Ja? Freut mich, dass es dir gefällt. Einen Teil davon hab ich selbst renoviert. Ich hatte in den letzten zwei Jahren ja sehr viel Zeit.« Auf seinem Gesicht erschien ein verspieltes Schmunzeln, das mich automatisch ebenfalls zum Lächeln brachte.

»Was ist?«, wollte ich wissen, während mein Herz unter seinem intensiven Blick wieder viel heftiger zu klopfen begann und meine Knie sich langsam aber sicher in eine gummiartige Masse verwandelten.

»Du siehst aus wie ein einziges großes Fragezeichen, mi Amor.«

»Na ja, das könnte daran liegen, dass ich unglaublich viele Fragen habe. Ich hoffe, dass du mir heute die eine oder andere davon beantwortest. Bis jetzt bist du nämlich noch ein einziges wandelndes Mysterium für mich.«

»Vielleicht werde ich das, Pequeña. Aber jetzt komm bitte erst mal mit.«

Er nahm meine Hand und zog mich hinter sich her um das Häuschen herum. Ich erstarrte sprachlos, als wir auf der Rückseite ankamen. Der Anblick war atemberaubend, denn hier fiel die Wiese sanft zu einem kleinen, tiefblauen See ab, in dessen Wasser die Sonnenstrahlen glitzerten und sich die Bäume spiegelten, die dicht an dicht am gegenüberliegenden Ufer standen.

»Ich dachte, du hast es nicht so mit Wasser«, stellte ich mit großen Augen fest, während ich den traumhaften Anblick auf mich wirken ließ.

Von hinten legten sich zwei Arme um mich und zogen meinen Rücken an seinen festen, warmen Körper. »Aus dieser Entfernung geht es schon.« 

Mit einem wohligen Seufzen lehnte ich mich an ihn. Noch nie hatte ich mich besser, sicherer und geborgener gefühlt. All die vielen Fragen waren mit einem Schlag aus meinem Kopf gewischt und ich tat nichts anderes, als diesen perfekten Moment zu genießen, denn jedes Wort hätte ihn unwiederbringlich zerstört.

Keine Ahnung, wie lange wir so dagestanden hatten, denn die Zeit schien stillzustehen, als Davids Hände zu meinen Hüften wanderten und mich langsam zu ihm umdrehten.

Meine Augen trafen die seinen, als ich meinen Kopf ein wenig in den Nacken legte. In ihnen lag ein bisher unbekannter, liebevoller Ausdruck, aber gleichzeitig war da noch etwas anderes. Ich glaubte, darin auch Unsicherheit zu erkennen, vielleicht sogar Besorgnis.

Hatte er noch immer die Befürchtung, dass ich mich anders entscheiden und ihm davonlaufen könnte? Diese Sorge war völlig unbegründet, denn selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich es nicht mehr gekonnt. Ich konnte es schon längst nicht mehr.

Verwundert legte ich den Kopf schief und bemerkte, wie er schwer schluckte, bevor er sich räusperte und seine Hände von meinen Hüften nahm. »Lil, ich glaube, du weißt, was ich dich gleich fragen will. Aber bevor ich das tue, muss ich dir noch etwas sagen.«

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