46 ~ Haus aus Glas

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»Glaubst du das wirklich?«, fragte er leise, und ich meinte, in seinem intensiven Blick die Unsicherheit lesen zu können.

»Ich glaube das nicht nur, ich weiß es, David«, antwortete ich mit Nachdruck und betonte dabei seinen Namen, während ich ihn ununterbrochen ansah. Sekundenlang konnte ich beobachten, wie er einen inneren Kampf mit sich ausfocht, bevor sein Blick weicher wurde und seine Mundwinkel sich leicht nach oben zogen.

»Gut, dass du dir so sicher bist. Ich weiß manchmal selbst nicht mehr, wer ich wirklich bin.«

Er war mir so nah, und dieses winzige Lächeln auf seinem Gesicht brachte mich dazu, einen Schritt auf ihn zuzugehen, meine Arme um ihn zu schlingen und meinen Kopf an seine Schulter zu legen. Meine Muskeln entspannten sich schlagartig und ich merkte plötzlich, wie verkrampft ich die ganze Zeit gewesen war. Er zögerte einen Moment, doch dann schloss er seine Arme um mich. Er hielt mich so fest, als wollte er mich nie wieder loslassen.

Ich spürte, wie auch aus seinem Körper die Anspannung wich. »Ich wollte dir nicht so weh tun, Lil. Ich dachte nur, wenn du mich hasst, ist es leichter für dich. Glaub mir, wenn ich eine andere Möglichkeit gesehen hätte, hätte ich das niemals gemacht.«

Er verstummte, schien einen Moment nachzudenken und nach den richtigen Worten zu suchen.

»Ich hätte nie gedacht, dass es mal so weit kommen würde, aber eigentlich hätte ich es wissen müssen. Deshalb ist das alles meine Schuld. Por favor, perdóname. Das heißt, dass ich dich um Verzeihung bitte, Pequeña.«

»Warum hast du mich so angelogen? Weißt du, wie weh so was tut?", hauchte ich, noch immer eng an ihn gekuschelt.

Atemlos wartete ich auf seine Antwort, bemerkte, wie seine Brust sich mehrmals hob und senkte, bevor er zu sprechen begann.

»Bei den wirklich wichtigen Dingen habe ich nie gelogen, Lil. Bitte glaub mir das. Mein Name, na ja, da wurden einfach ein paar Teile weggelassen. David ist mein richtiger Name. Es ist zwar nur mein dritter Vorname, aber ich mag ihn am liebsten, weil ihn meine Mutter für mich ausgesucht hat. Und die Wohnung ... Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich damit abschrecken wollte. Eine Luxusvilla im besten Viertel der Stadt schien mir dafür nicht ganz das Richtige zu sein, also habe ich einen unserer Mitarbeiter gebeten, mir den Schlüssel für eine Wohnung in der Hochhaussiedlung zu besorgen. Es sollte eine sein, die noch möbliert und etwas verwahrlost ist, und er sollte vorher alle persönlichen Sachen wie zum Bespiel die Fotos ausräumen. Tja, mit dem ›verwahrlost‹ hat er es wohl ein bisschen übertrieben.«

Er brachte ein wenig Abstand zwischen uns, ohne mich loszulassen, und sah mir tief in die Augen. Es war, als würde er mich mit seinen schönen grauen Augen hypnotisieren und meinen Blick darin gefangen halten.

»Alles andere ist wahr, Lil. Alles, hörst du?«

»Bitte sei ehrlich zu mir, David. Was ist mit dem, was du am Mittwoch bei unserem Date zu mir gesagt hast? War das auch wahr?« Ich war so verunsichert, dass ich es einfach ausdrücklich aus seinem Mund hören musste.

»Ganz besonders das, Lil. Ich hatte noch nie für jemanden solche Gefühle wie für dich. Glaubst du mir das?« Sein Blick wurde eindringlicher und durchbohrte mich, bis ich ein Nicken zustande brachte.

Aber das warf sofort eine neue Frage auf. »Warum wolltest du dann mit mir Schluss machen? Warum hast du mir nicht einfach alles erzählt? Ich versteh das echt nicht. Bitte sprich mit mir und stoß mich nicht von dir weg.« Meine leise Stimme hatte etwas Flehendes, denn um ein Haar wäre zwischen uns alles aus gewesen und ich wusste nicht, wie ich das hätte verkraften sollen.

»Glaubst du wirklich, ich wollte das freiwillig tun, Lil? Es gibt keinen anderen Weg, und ich wollte es dir nur so leicht wie möglich machen. ¿Por qué no puedes hacer lo que te digo?«

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