28 ~ Öffentliches Ärgernis

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Eine ganze Weile klebte ich wie angeleimt auf der Stelle, bevor ich es endlich schaffte, mich aus meiner Starre zu lösen. Ich setzte mich in Bewegung und rannte – wieder einmal – hinter David her.

»Hey!«, rief ich ihm nach. Mein keuchender Atem und das Knirschen des Kieses unter meinen Füßen dröhnten mir in den Ohren. Erst als ich ihn beinahe eingeholt hatte, verlangsamte ich meine Schritte. »Was ... soll das heißen, dir ... kann keiner ... helfen?«, stellte ich, zwischendurch nach Luft schnappend, die Frage, die mir auf der Seele brannte.

Er lief in seinem schnellen Tempo weiter, ohne mich auch nur im Geringsten zu beachten.

»Weglaufen ist auch keine Lösung!« Noch während ich das sagte, schüttelte ich den Kopf über mich selbst. Mit dieser oberlehrerhaften Predigt würde ich bei ihm niemals etwas erreichen. Ich musste ganz anders an die Sache herangehen.

»Denkst du nicht, dass man mit seinen Freunden reden sollte, wenn einen etwas belastet? Dafür hat man schließlich welche, damit man nicht mit allem ganz alleine fertigwerden muss. Ich zum Beispiel wäre gestern verzweifelt, wenn Sara nicht für mich da gewesen wäre. Und genauso würde ich gern für dich da sein.«

Aus seinem schnellen Lauf heraus blieb David plötzlich stehen und drehte sich zu mir um. Es kam so überraschend, dass ich ungebremst mit ihm zusammenprallte. Ich strauchelte, doch seine Hand schloss sich um meinen Arm. Er hielt mich fest und zog mich an sich. Unsere Blicke trafen sich und der Abstand zwischen unseren Gesichtern schmolz zusammen. Seine überwältigende Nähe verursachte das vertraute Kribbeln in meinem Bauch. Verzweifelt versuchte ich gegen die enorme Anziehungskraft anzukämpfen, die mich unaufhaltsam zu ihm hinzog.

»Diese Situation hatten wir doch schon mal, Cosita linda.« 

Die Heiserkeit in seiner Stimme bahnte sich zielgenau ihren Weg in mein Inneres, schmolz den letzten Rest an Widerstand in mir einfach weg. Mein benommener Verstand kapitulierte. Bedingungslos. Ich wollte unbedingt, dass er etwas machte, aber ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich kam einfach nicht darauf, was genau es war, das ich von ihm wollte. Meine Lippen hauchten beinahe lautlos seinen Namen und er sah mich nachdenklich an. 

»Willst du, dass ich dich jetzt küsse, Pequeña?«, fragte er leise. 

Offenbar verstand er mich besser, als ich mich selbst. Mir war sofort klar, dass es ganz genau das war, wonach sich alles in mir sehnte. Ich nickte, weil ich nicht das Gefühl hatte, auch nur ein Wort über meine Lippen bringen zu können. Mein Herz pochte wie verrückt. Die Luft um uns herum flirrte verheißungsvoll, und sein verführerischer Duft brachte mich beinahe um den Verstand. Kein Parfum der Welt konnte jemals so gut riechen.

»Du musst es schon sagen. Ich will nicht, dass du dich hinterher damit rausredest, ich hätte etwas falsch verstanden.« Seine Lippen waren den meinen schon so nahe, dass sein warmer Atem auf sie traf und sie damit zum Prickeln brachte. »Denk nicht zu viel nach, Lil. Bitte denk nicht zu viel nach«, murmelte er dicht an meinem Mund. 

Wie hypnotisiert von seinen stechenden Sturmaugen hatte ich sowieso keine Chance, an etwas anderes zu denken, als ihn unbedingt küssen zu wollen. Jetzt sofort. Ich konnte keine Sekunde länger damit warten. »Ja«, wisperte ich und überwand selbst die letzte Distanz, die noch zwischen uns lag. 

Meine Augen flatterten zu, während meine Arme sich wie von selbst um seinen Hals legten. Seine weichen Lippen trafen auf meine, und in diesem Moment ging ein Feuerwerk in mir auf. Niemand existierte mehr außer uns, und die Schwärze hinter meinen Augenlidern zersprang in bunten, glitzernden Farben. Er legte seine Hände an meine Taille. Halb zog er mich, halb presste ich mich näher an seinen warmen, harten Körper.

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