Ich saß wie so oft allein am Tisch. Felicitas, die Lebensgefährtin meines Vaters, hatte Spätschicht im Krankenhaus. Auch die Zwillinge und mein Vater würden erst am Nachmittag aus der Schule und von der Arbeit zurückkommen. Doch heute störte mich das nicht, denn so konnte ich in Ruhe meinen Gedanken nachhängen. Verträumt lächelnd stocherte ich in meiner Lasagne.
Meine Gedanken kreisten noch immer pausenlos um Tim. Wie konnte ich es schaffen, dass er sich weiterhin für mich interessierte? Würde er mich nun endlich näher kennenlernen wollen?
Obwohl ich sehr viel lieber weiter meinen Gedanken über Tim nachgehangen hätte, schob ich sie mit einem leisen Seufzer gewaltsam beiseite. Ich musste mich dringend auf das Interview mit David konzentrieren, denn da ich niemals damit gerechnet hätte, dass es überhaupt zustande kommt, hatte ich noch absolut nichts dafür vorbereitet.
Es war halb zwei und die Zeit wurde langsam knapp. Ich wusste nicht einmal, wo David wohnte, und wie ich am besten dorthin kam.
Ich zückte mein Handy und suchte nach seiner Nummer. Da er meine gar nicht hatte, rechnete er wohl damit, dass ich ihn nach seiner Adresse fragen würde.
Gerade wollte ich eine Nachricht an ihn tippen, als mir siedend heiß einfiel, dass ich mich eigentlich um vier mit Sara zum Shoppen verabredet hatte. Mein Kleiderschrank war randvoll mit ›Nichts zum Anziehen‹ und eine gemeinsame Shoppingtour war dringend notwendig.
Aber Egomanen-David hatte mir einfach einen Termin vor den Latz geknallt, ohne auch nur ansatzweise zu fragen, ob ich überhaupt Zeit hatte. So typisch. Er ging wohl davon aus, dass ich für ihn alles andere stehen und liegen lassen würde. Womit er offensichtlich auch recht hatte.
Andererseits hätte ich es dann hinter mir und könnte endlich mein normales, unaufgeregtes Leben weiterführen. Ohne dass ein arroganter David Berger es aufmischte.
Ich sendete Sara eine Sprachnachricht und sagte unser Treffen ab. Kurz darauf meldete sie sich zurück.
SARA:
Kein Ding, Schätzchen. Dann hast du es hinter dir.Keine Sekunde später surrte mein Handy nochmals.
SARA:
Und ich will alles wissen, bis ins kleinste Detail. Melde dich, sobald du zu Hause bist.Ein Lächeln huschte über meine Lippen, denn das war eine typische Sara-Nachricht. Jetzt brauchte ich nur noch Davids Adresse. Zuerst wollte ich ihm etwas Bissiges schreiben, aber dann beschloss ich, lieber höflich zu sein. Wer wusste schon, ob ich sonst überhaupt eine Antwort bekäme? Außerdem würde es vielleicht nicht schaden, ihn ausgesprochen freundlich zu behandeln. Vielleicht hatte ich ja Erfolg mit meiner Charmeoffensive und wir konnten unser erstes und gleichzeitig letztes Treffen einigermaßen human gestalten. Ich tippte.
Hey David, kannst du mir bitte noch deine Adresse schicken? Keine Ahnung, wo du wohnst und wie ich dahin komme, aber ich freu mich auf jeden Fall! Bis später. Lil
Hoffentlich würde er meine unbekannte Nummer nicht ignorieren und sich schnell melden, sonst würde es wirklich schwierig werden, um drei bei ihm aufzutauchen. Diesmal wollte ich auf jeden Fall pünktlich sein. Einige Minuten später vibrierte mein Handy.
DAVID:
Mörikestrasse 125b. Sei pünktlich.Na super, meine Freundlichkeitsinitiative war offenbar absolut nicht von Erfolg gekrönt. Aber egal, ich musste ja nur einen einzigen Nachmittag mit dem Blödmann verbringen.
Ich googelte die Adresse. Toll – am anderen Ende der Stadt. Fuhr er wirklich jeden Tag so weit zu unserer Schule? Dafür war er bestimmt eine Stunde lang unterwegs. Ganz sicher gab es einige Schulen, die viel näher an seiner Wohnung lagen.
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Romance⩥ ROMANCE || WATTYS SHORTLIST 2022 ⩤ Die achtzehnjährige Lil ist alles andere als begeistert darüber, dass sie den mysteriösen David für die Abschlusszeitung interviewen soll. Schließlich hält sie den unnahbaren Einzelgänger, der mit niemandem rede...