23 ~ Wodka und Wut

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»Ich hab ihn nirgends gefunden. Also echt, er hätte wenigstens Bescheid sagen können, bevor er nach Hause geht. So was gehört sich einfach, wenn man mit jemandem mitgefahren ist«, schimpfte Pete aufgebracht, nachdem er Haus und Garten nach David durchsucht hatte, um ihm mitzuteilen, dass wir aufbrechen wollten.

Seine Worte versetzten mir einen komischen, schmerzhaften Stich in die Brust, denn in diesem Moment überfiel mich wieder die zwischenzeitlich verdrängte Erkenntnis, mit wem David vermutlich verschwunden war.

»Sei nicht so hart, Pete. Er ist erst seit gestern wieder unter Leuten, wahrscheinlich hat er einfach nicht dran gedacht«, redete Sara beruhigend auf ihn ein.

Es war zwei Uhr nachts, als wir uns auf den Weg zu Petes Golf machten. Ich hing an Tims Hals, während er mich mehr schleifte, als dass ich selbst lief. Zum Abschied umarmte ich ihn kurz und murmelte: »Danke für alles. Tut mir leid, dass ich ...« Ich hatte all meine Konzentration zusammengekratzt, um einen halbwegs verständlichen Satz herauszubringen, doch leider war mir an dieser Stelle entfallen, was ich noch hatte sagen wollen. 

Stattdessen runzelte ich die Stirn und quetschte noch ein »Bis Montag« heraus, bevor ich ins Auto hechtete. Mir wurde immer schwindliger und ich hoffte nur noch, so schnell wie möglich ins Bett zu kommen.

»Geht's bei dir?«, fragte Sara mitfühlend und nahm meine Hand. Ich nickte schwach. »Warum musstest du auch ausgerechnet heute so viel Alkohol trinken? Wo du doch sonst fast nie was trinkst?« Verständnislos schüttelte sie den Kopf. »Tim kriegt ja ein völlig falsches Bild von dir.«

»Super, Sara. Das baut mich jetzt richtig auf, wenn du so was sagst«, murrte ich mit schwerer Zunge.

Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn's halt stimmt.«

»Sag bitte Bescheid, bevor dir schlecht wird, damit ich rechtzeitig rechts ran fahren kann«, ließ Pete von vorne verlauten.

Oh Gott, mir war doch schon längst schlecht!

»Na klar, mach ich«, nuschelte ich und zwang mich, tief und gleichmäßig ein- und auszuatmen, um die Übelkeit irgendwie im Zaum zu halten.

Ich hatte wesentlich mehr getrunken, als gut für mich war, nur um den Idioten David Berger aus meinem Gehirn zu eliminieren. Jetzt war mir furchtbar schwindelig und unglaublich schlecht, und das war einzig und allein seine Schuld. Je länger ich über die ganze Sache nachdachte, desto mehr brodelte die Wut in mir hoch.

Die Wut auf David, der sich einfach in mein Leben gedrängt hatte, mich von einem Gefühlschaos ins nächste stürzte, mich mit haltlosen Vorwürfen bombardierte und zur Krönung heute Abend, obwohl er mir das Gegenteil versprochen hatte, einfach so Melanie Ebert abgeschleppt hatte. Auch noch ausgerechnet sie!

Mein Zorn auf ihn wuchs von Minute zu Minute und war das klarste und überwältigendste Gefühl, das ich im Moment hatte. Alle anderen Emotionen traten in den Hintergrund, selbst meine Gefühle für Tim.

Als Pete meine beste Freundin und mich vor unserem Häuschen absetzte, war ich so aggressiv, dass ich am liebsten irgendetwas kaputt geschlagen hätte. Mit schmalen Augen fixierte ich bereits einen hässlichen Blumenkübel, den uns die Nachbarn vor Jahren geschenkt hatten und der eigentlich niemandem gefiel. Er stand unschuldig im Vorgarten, es befand sich nicht mal eine Pflanze darin. Ein gezielter Karatetritt und das Ding würde in tausend kleine Stücke zerspringen. Ein äußerst befreiender Gedanke. Ich war kurz davor, ohne Rücksicht auf Verluste zur Tat zu schreiten, als Sara meine Hand ergriff.

»Lil, was ist denn los?«, fragte sie beunruhigt, als sie in mein zorniges Gesicht sah. Die sanfte Berührung meiner Freundin brachte mich wieder zur Vernunft.

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