Sara musterte mich nachdenklich aus schmalen Augen, als ich mit knallroten Wangen ins Gartenhäuschen hastete und sofort nach meinem leeren Sektglas griff, das ich Pete hinstreckte. Er kniff nachdenklich die Brauen zusammen, dann nahm er die Flasche und schenkte mir ein. Ich stürzte das prickelnde Getränk in einem Zug hinunter. Als David durch die Tür kam, war mein Glas bereits wieder leer.
Ich warf Sara einen flehenden Blick zu, und wieder einmal verstand sie ohne Worte, was sie für mich tun sollte. Sie lächelte David herzallerliebst an und verwickelte ihn sofort in ein Gespräch über Schule und Lehrer. Kein Außenstehender hätte jemals vermutet, dass die beiden gerade zum ersten Mal miteinander redeten und David bisher immer der schweigsame Unnahbare gewesen war.
Im Smalltalk war Sara unschlagbar, und obwohl sie fast ununterbrochen plapperte und David die meiste Zeit nur einsilbig antwortete, hatte ich ein paar ungestörte Minuten, um einigermaßen meine Fassung zurückzugewinnen.
Da ich keine Anstalten machte, David etwas zu trinken anzubieten, übernahm sie auch noch die Rolle der Gastgeberin und schenkte ihm ein Glas Sekt ein. Ich lehnte ein weiteres Glas ab. Nicht, weil ich nichts mehr trinken wollte, sondern nur, um beim Anstoßen den Blickkontakt mit David zu vermeiden.
Das Ganze war überhaupt keine gute Idee gewesen! Ich hätte David niemals zu dieser Party einladen dürfen. Der Typ verwirrte mich derartig, wie sollte ich mich da jemals auf Tim einlassen können?
»Pete«, flüsterte ich meinem Freund zu, während ich aus den Augenwinkeln Sara und David beobachtete, die uns gegenüber saßen. Sara war weiterhin fleißig dabei, die Alleinunterhalterin zu spielen und ihm ein Ohr abzulabern. Eine bessere Freundin konnte man sich nicht vorstellen.
Pete beugte sich ein wenig zu mir. »Was gibt's?«
»Kannst du bitte dafür sorgen, dass David nachher auf der Fahrt bei dir vorne sitzt?«
Ich musste unbedingt sicherstellen, dass ich später nicht zufällig mit ihm auf der Rückbank von Petes Auto landete. Das wäre für mein Vorhaben, mich heute Abend ganz auf Tim zu konzentrieren, mehr als kontraproduktiv. Offensichtlich hatte ich die Phase meiner Gefühlsverwirrung noch lange nicht überwunden.
»Kann ich versuchen«, wisperte er zurück.
»Sollen wir dann aufbrechen? Es ist bald neun, die Party müsste so langsam in die Gänge kommen«, sprach er etwas lauter, so dass es auch die anderen beiden hören konnten.
Ich nickte hektisch, stand auf und schnappte mir die Sektflasche und ein paar Gläser, während Sara alles Übriggebliebene einsammelte.
»Bis gleich, Jungs«, trällerte sie. »Wir bringen nur noch schnell die Sachen ins Haus und kommen dann zum Auto.«
»Es steht vorne an der Straßenecke«, informierte uns Pete.
Ich hörte schon gar nicht mehr richtig hin, denn ich hatte das Gefühl, in dieser Hütte keine Luft mehr zu bekommen, und beeilte mich, ins Freie zu flüchten. Auf dem Weg zum Haus atmete ich tief durch und ließ die Frühlingsluft in meine Lungen strömen. Danach fühlte ich mich etwas besser. Inzwischen war es dunkel geworden und ich stolperte ein paar Mal, weil ich mit meinen hohen Schuhen, der Flasche und den Gläsern in meinen Armen eigentlich viel zu schnell unterwegs war.
Sara eilte hinter mir her, holte mich aber erst am Hauseingang ein. »Okay, Lillilein. Was geht hier eigentlich ab?«, fragte sie und ihr kritischer Röntgenblick traf mich. Leugnen war zwecklos, das war klar.
»Keine Ahnung. Ich glaube, David wollte mich küssen.«
Sie bekam große Augen. »Was, echt? Vorhin, als ihr zusammen draußen wart? Ich dachte, ihr hättet besprochen, dass ihr nur Freunde seid.«
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Romance⩥ ROMANCE || WATTYS SHORTLIST 2022 ⩤ Die achtzehnjährige Lil ist alles andere als begeistert darüber, dass sie den mysteriösen David für die Abschlusszeitung interviewen soll. Schließlich hält sie den unnahbaren Einzelgänger, der mit niemandem rede...