39 ~ Nähe

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»Ich hätte nicht gedacht, dass du so gut kochen kannst.« Mit großen Augen schaute ich David dabei zu, wie er mit atemberaubender Geschwindigkeit Gemüse klein schnitt. Zu Hause kochte ich auch oft, aber ich konnte nicht einmal annähernd so schnell schnibbeln. Ich stand neben ihm am Herd und rührte die Tomatensauce um, die er vorher mit ein paar Handgriffen angerührt hatte. Es duftete absolut fantastisch.

Er zuckte mit den Schultern und bedachte mich mit einem Lächeln, das mein Herz zum Tanzen brachte. »Du weißt noch gar nicht, ob es wirklich gut ist, Schneewittchen. Aber wenn man sich nicht jeden Tag von Tiefkühlpizza ernähren will, muss man es wohl oder übel irgendwann lernen. Ist sonst auch nicht so toll für den hammermäßigen Körper.«

Hitze stieg mir in die Wangen und ein verlegenes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, als er mir wieder einmal einen der Sprüche an den Kopf warf, mit denen ich mich mehr als nur blamiert hatte. Er schien keinen einzigen davon vergessen zu haben.

»Ich muss in Zukunft besser aufpassen, was ich zu dir sage«, erwiderte ich kopfschüttelnd.

»Tu das nicht, mi Amor.« Er sah mich mit seinen unglaublich intensiven grauen Augen an. »Ich mag es sehr, dass du so ehrlich bist.«

Seine vollkommen auf mich gerichtete Aufmerksamkeit raubte mir kurz den Atem und ich schluckte trocken. Er bemerkte meine Sprachlosigkeit, legte den Kopf schief und lächelte extrem süß. Sein Lächeln war etwas, das tausend Dinge mit mir anstellte. Es stand ihm so unglaublich gut, dass ich es noch viel öfter an ihm sehen wollte. Es machte mich glücklich, ihn glücklich zu sehen.

Nach der hitzigen Diskussion von vorhin hatte sich die Stimmung zwischen uns wieder normalisiert. Wenn man es denn als normal bezeichnen wollte, dass die Luft um uns herum ununterbrochen vibrierte und mein Herz einen rasanten Marathon lief, sobald ich in seiner Nähe war.

Wir hatten uns darauf geeinigt, erst einmal zu kochen und nicht mehr über das zu reden, was da vorher passiert war. Mir war sowieso klar, dass ich dazu nichts mehr aus ihm herausbekommen würde. Außerdem war es unser erstes Date und er hatte mir heute schon mehr von sich gezeigt als in der ganzen Zeit davor. Ich würde mich vorerst damit zufrieden geben und hoffen, dass er irgendwann genug Vertrauen zu mir fasste, um mir freiwillig mehr zu erzählen. Bis dahin würde ich einfach alles tun, um die Zeit mit ihm zu genießen.

Er wandte sich wieder dem Herd zu und widmete sich erneut der Zubereitung unseres Abendessens. »Du kannst dich übrigens gerne umsehen, wenn du willst, Schneewittchen. Ich komme hier schon zurecht«, durchbrach er schließlich die Stille.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Obwohl mein schlechtes Gewissen natürlich sofort protestierte, dass ich ihn doch nicht alles alleine machen lassen durfte, war meine Neugier einfach viel zu groß. Endlich hatte ich die Chance, etwas mehr über den Jungen zu erfahren, in den ich mich so rettungslos verliebt hatte, dass es mir fast schon Angst machte.

Ich wollte wissen, was hinter der Fassade steckte, die er zwei Jahre lang so eisern aufrechterhalten hatte. In dieser Zeit war er immer nur der gut aussehende, geheimnisvolle, stets schlecht gelaunte Typ gewesen, der nicht sprach und keinerlei Gefühle zeigte. Aber inzwischen wusste ich genau, dass es eine sensible, humorvolle, aufmerksame, mutige und kluge Seite an ihm gab.

Eine Seite, die so viel schöner war, als ich es mir je hätte vorstellen können.

Während David weiter in der Küche hantierte, ließ ich meinen Blick zum ersten Mal bewusst durch den großen Raum schweifen, in dem wir standen. Alles wirkte aufgeräumt, sauber und hell, und doch fehlte etwas. All die kleinen Dinge, die ein Haus zu einem Zuhause machen. Pflanzen, bunte Kissen, Dekogegenstände, Bilder und Familienfotos.

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