13 ~ Weinen und Wein

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David seufzte und wandte sein Gesicht ab, was mich erleichtert aufatmen ließ. Denn da war dieses seltsame und beängstigende Gefühl gewesen, dass er mit seinem intensiven Blick bis auf den Grund meiner Seele sehen konnte.

»Okay, wenn es das ist, was du willst, dann lass uns Freunde werden.« Seine Stimme klang auf einmal wieder komplett emotionslos, es war zum Verzweifeln. »Ist sowieso besser so«, hörte ich ihn kurz darauf noch leise murmeln. Ich war mir nicht sicher, ob dieser Satz überhaupt noch für meine Ohren bestimmt war.

»Ich freue mich, dass du es versuchen willst. Ehrlich. Ich denke, dass wir wirklich gute Freunde werden können. Diese gewisse Anziehung, die da heute irgendwie zwischen uns geherrscht hat, sollten wir echt nicht überbewerten. Das waren einfach so viele krasse Ausnahmesituationen an einem Tag, da kann man schon mal überreagieren. Hey, wenn du magst, dann komm doch gleich morgen mit mir zu der Party bei Marco. Da kann ich dich meiner ganzen Clique vorstellen, und wenn du deinen Todesblick ein paar Mal gegen dein unglaubliches Lächeln austauschst, dann hast du am Sonntag bestimmt schon einige neue Freunde.«

»Unglaubliches Lächeln?«

David neigte den Kopf, während gleichzeitig eines dieser Lächeln seine Lippen umspielte. Ich schluckte und meine Wangen begannen zu glühen. Er pickte einfach immer genau die paar peinlichen Worte aus meinen Äußerungen heraus, die mir im Eifer des Gefechts unbedacht herausrutschten. In Zukunft würde ich besser aufpassen müssen, was ich zu ihm sagte, bevor ich irgendwann vor Scham im Boden versinken würde.

»Ich glaube, ich sollte jetzt schlafen gehen«, stellte ich fest, in der Absicht, von diesem ganzen Thema schnellstmöglich wegzukommen. Wir hatten uns darauf geeinigt, Freunde zu sein, und das war genau die richtige Entscheidung. Ich durfte nichts riskieren, indem ich mich in meinem angesäuselten Zustand weiter dem fatalen Einfluss aussetzte, den David auf meinen Körper ausübte.

Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es mittlerweile kurz vor ein Uhr nachts war. Außerdem zeigte der Wein langsam aber sicher seine Wirkung und ich war schlagartig todmüde.

»Du kannst im Zimmer von meinem Vater schlafen, der kommt heute definitiv nicht mehr hierher. Das Bett hab ich frisch bezogen und ich bin gleich nebenan. Okay für dich?«

Ich nickte. Oh Mann, er war sehr fleißig gewesen! Er hatte das Essen besorgt, den Tisch gedeckt und auch noch die Betten bezogen. Mein schlechtes Gewissen meldete sich sofort, weil ich währenddessen nur untätig auf dem Sessel herumgehangen und geschlafen hatte.

»Das ist echt nett von dir, David. Danke für alles.«

Er schnaubte. »Kein Grund, mir zu danken. Ich habe dir heute viel mehr geschadet als geholfen, Lil. Ich wünschte wirklich, ich hätte dich nie dazu gezwungen, hierher zu kommen.«

Wahrscheinlich spielte er damit auf die Sache mit den drei widerlichen Typen an. Energisch schüttelte ich den Kopf.

»Du hast mich doch gar nicht gezwungen, ich bin freiwillig gekommen. Du bist nicht schuld an dem, was da vorhin passiert ist. Im Gegenteil, du hast mir geholfen und bist dabei sogar verletzt worden. Also hör bitte auf, dir Vorwürfe zu machen.«

»Lil, es ist gefährlich, immer nur das Beste von einem Menschen zu denken. Das kann ziemlich übel ausgehen. Du solltest wirklich vorsichtiger sein.«

Mit dieser Aussage eindeutig überfordert blinzelte ich David an. Ich hatte keine Ahnung, was er mir damit zu verstehen geben wollte. Mein müdes und vom Alkohol benebeltes Gehirn hatte sich schon zur Hälfte abgeschaltet, also beschloss ich, diese Diskussion mit ihm lieber an einem anderen Tag fortzusetzen. Denn heute würde ich in keiner Debatte jeglicher Art mehr einen Blumentopf gewinnen. Ich ließ seine seltsame Warnung unkommentiert und beugte mich vor, um die Teller zusammenzustellen und das Besteck darauf zu legen. Gerade wollte ich die Sachen hochheben und in die Küche tragen, als er mich am Handgelenk festhielt.

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