26 ~ Top-Gesprächsthema

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Ich saß im Bus auf der Fahrt zur Schule und grübelte. Tausend Fragen kreisten in meinem Kopf und spielten ein verwirrendes Fangspiel miteinander.

Wie sollte ich David dazu bringen, mir zuzuhören? Wo sollte ich ihn abpassen? Hatte er heute vielleicht wieder Sport? Würde er überhaupt mit mir reden?

Auf einmal erinnerte ich mich an die Busfahrt am Freitag, bei der mich ganz ähnliche Fragen gequält hatten. Das war erst ein paar Tage her und doch schien es vor einer Ewigkeit gewesen zu sein. In der Zwischenzeit war so viel passiert, dass all diese Ereignisse eigentlich gar nicht in nur drei Tage gepasst haben konnten.

Am Freitag war ich genauso nervös gewesen wie heute. Nein, das stimmte gar nicht! Heute war es wesentlich schlimmer. Letztes Mal ging es nur um ein Interview und es wäre kein Drama gewesen, wenn es nicht geklappt hätte. Diesmal ging es um viel, viel mehr. 

Es ging um eine Freundschaft. Es ging darum, dass David mich nicht für alle Zeiten hassen würde.

An der Bushaltestelle bei der Schule wartete Sara auf mich. Ihre blauen Augen fixierten kritisch meine Sonnenbrille.

»Na, schlaflose Nacht gehabt, Lillilein?«, fragte sie statt einer Begrüßung und umarmte mich. 

Ich nickte nur. Sie kannte mich unglaublich gut. Ohne Worte wusste sie Bescheid, wie es mir ging. Sie merkte genau, dass ich ein zitterndes, nervöses Nervenbündel war und mir die riesige Angst in den Knochen steckte, dass David nie wieder ein Wort mit mir reden würde.

»Aber hübsch siehst du aus. Dein Style könnte glatt von mir sein. Da wird er gar nicht anders können, als dir zuzuhören.« Meine Freundin lächelte aufmunternd, hakte sich bei mir unter und wir schlenderten gemeinsam in Richtung des Schulgebäudes. 

»Danke«, hauchte ich schwach und versuchte ebenfalls zu lächeln.

Es war nett, dass Sara mir Mut machen wollte, aber ich hatte nicht die Hoffnung, dass David sich von einem hübschen Outfit um den Finger wickeln lassen würde.

»Hast du schon einen Plan, wann und wo du ihn dir greifen willst?«

»Überhaupt nicht.« Ich schüttelte den Kopf und stellte erfreut fest, dass das wieder möglich war, ohne dass mir schlecht wurde. »Ich weiß nur, dass ich es schnell hinter mich bringen muss, sonst krieg ich 'nen Herzkasper.« Tatsächlich schlug mein Herz bereits jetzt unnatürlich schnell und meine Hände waren kalt und feucht.

»Ja, das könnte bei dir durchaus passieren.« Noch während sie das sagte, stoppte sie abrupt und stupste mir mit dem Finger in die Seite. »Du, da ist er auch schon.« 

Ich folgte ihrem Blick und sah ihn. Er bog gerade um die Ecke und kam direkt auf uns zu. Wie immer war er allein. Die dunklen Haare fielen ihm ins Gesicht, denn er schaute nach unten auf sein Handy, das er in der Hand hielt.

Wir hatten getrödelt. Alle anderen, die mit mir aus dem Bus gestiegen waren, waren schon auf dem gepflasterten Fußweg verschwunden, der zwischen einigen hohen Büschen zur Schule führte. Hier auf der Straße waren wir allein. Das war meine Chance und ich würde sie nutzen, denn unangenehme Dinge erledigte ich am liebsten sofort.

»Na los, Lil. Ich verschwinde.« Energisch schob Sara mich ein Stück vorwärts, bevor sie selbst in den schmalen Weg einbog.

Ich atmete tief durch. Meine Hände vibrierten leicht. Meine Kehle fühlte sich so trocken an, dass ich nicht sicher war, ob ich überhaupt einen einzigen Ton herausbringen würde. David sah kurz von seinem Smartphone auf und musste mich eigentlich gesehen haben, doch sein Blick blieb nicht an mir hängen. Seine Augen starrten demonstrativ wieder auf sein Handy.

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