Shy. So wie schüchtern

64. Das ist nicht mein Leben

strong from broken.
so many strong women began as broken girls
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Shy

      Völlig außer Atem lehnte ich meine heiße Stirn gegen die kühle Glasscheibe vor mir. Nur die Ballettstange hielt mich davon ab meinen gesamten Körper, der sich anfühlte als würde er in Flammen stehen, gegen das Glas zu drücken.

      Das Vortanzen würde heute Abend endlich stattfinden. Nur für meine Mutter saß ich hier in der Trainingshalle und ging nochmals jeden einzelnen Schritt durch. Auch die Anderen, die in meinem Kurs sind, waren heute hier, um nochmals zu trainieren, denn jeder von ihnen wollte der oder die Beste sein.

Die Erinnerungen an den Abend in der Lounge verfolgten mich noch immer. Als ich aus der kleinen Bar stürmte, rempelte ich versehentlich gegen die Schulter von Kyle. Dieser wollte mich an meinem Handgelenk festhalten und zwang mich damit, ihm in seine Augen zu schauen. Auch Aiden hatte sich zu uns gewandt und starrte mich mit verzweifeltem Blick an. In diesem Moment fühlte ich so viel und doch überhaupt nichts. Keine Schmetterlinge in meinem Bauch starteten ihren Flug und auch von dem Kribbeln blieb ich verschont, doch trotzdem beschleunigte sich mein Herzschlag und am liebsten hätte ich meine Lippen auf seine gedrückt. Kyle sagte etwas zu mir, doch ich hatte mich in diesem Augenblick schon in dem tiefen Ozean verloren und bevor ich mich endgültig darin verirrte, rannte ich. Mit einem Schwung stieß ich die Türen auf und meine Beine trugen mich davon. Zwar hörte ich, wie mir jemand nach lief, doch diese Schritte verstummten irgendwann als ich weit genug gekommen war.

Ein erschöpftes Stöhnen drang aus meiner Kehle und noch immer ließ ich die Kälte von dem Spiegel vor mir, auf meinen Körper wirken.

Meine Füße schmerzten mittlerweile und ich war froh, als mein Tanzlehrer uns endlich gehen ließ. Bevor ich die Halle verließ, setzte ich mich auf den Boden und schnürte meine Ballettschuhe auf, damit ich sie so schnell wie möglich von meinen Füßen schieben konnte. Mit verzogenem Gesicht rieb ich über meine Füße und begutachtete die roten Blasen an meinen Zehen. Die Pflaster von den letzten Tagen fingen an weg zu fallen und ich versuchte sie verzweifelt auf meine verschwitzte Haut zu kleben.

      Frustriert legte ich meinen Kopf auf meine Knie und eine einzelne Träne schlüpfte aus meinem Augenwinkel, doch ich wischte sie schnell weg. Die Tränen kamen vor Schmerzen die ich verspürte, weil ich die letzten Tage viel zu oft in meinen Spitzenschuhen stand und geübt hatte, für den großen Auftritt heute Abend.

      Der Gedanke daran, dass meine Mutter in dem Publikum sitzen wird und darauf fiebert, dass ich alles perfekt machen würde, machte mich nervös und mein Bauch fing an zu grummeln, weil ich immer aufgeregter wurde. Ethan und Avery hatten Gestern von mir eine Einladung zum Vortanzen bekommen. Momentan waren die Beiden meine größte Stütze in dem Chaos um mich herum.

      Zu meinem Leid erzählte mir Avery, dass Aiden auch da sein wird, weil die kleineren Schülerinnen heute auch einen Auftritt hatten. Zwar war es bei ihnen noch nicht wichtig, denn sie konnten nicht für das Internat ausgewählt werden, aber die Jury sieht sich auch von ihnen die Show ganz genau an. So hatten die Mädchen eine Chance, dass sie von der Jury vorgemerkt werden und hatten somit eine höhere Wahrscheinlichkeit auf einen Platz im Internat. Auch bei mir war dies vor einigen Jahren der Fall, als ich noch keinen anderen Weg als das Ballettinternat sah.

      Plötzlich wischte eine Hand über meine Wange und verteilte die Nässe auf meiner Wange. Vor mir bückte sich Blaine und grinste mich schmierig an. Schnell wich ich mit meinem Gesicht nach hinten um Abstand zu ihm zu schaffen. Ohne Aiden fühlte ich mich in der Nähe von Blaine noch immer so schwach.