1. Ein neuer Abschnitt beginnt

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Als der erste Glockenschlag zu hören war, drehte sich Erwin überrascht zur Uhr um. Beide Zeiger ruhten auf der Zwölf. Mitternacht. Levi rührte sich nicht. Verlegen fuhr sich Erwin durch das feuchte Haar. Er öffnete mehrmals den Mund, bis er endlich die richtigen Worte fand. Er kannte Levi mittlerweile nur zu gut. Er mochte nicht im Mittelpunkt stehen. Er mochte nicht auf seinen Geburtstag angesprochen werden. Es war ihm lästig. Nicht wichtig. „Du nutzt den Tag heute zum Ausruhen."

Levi kniff leicht die Augenbrauen zusammen.

„Das ist eine Anordnung," untermauerte Erwin seine Worte.

„Tch", war das Einzige, was er als Antwort bekam.

„Wir haben wieder ein Jahr geschafft. Ein Jahr überlebt", murmelte Erwin vor sich hin, als er wieder aus dem Fenster in die Nacht starrte.

Aber für was?", dachte sich Levi. „Wir tappen weiterhin in der Dunkelheit." Aus den Augenwinkeln beobachte er Erwin.

Auch wenn er eines Tages als der herzloseste Kommandant in den Geschichtsbüchern betitelt werden würde – Erwin machte einen guten Job. Das stand außer Frage. Aber würden sie diesen Alptraum jemals entkommen? Würden sie jemals unbewaffnet die Mauern verlassen können? Würden sie jemals auf den Schutz der Mauern verzichten können? Und wie lange würden diese noch standhalten? Levi hasste dieses Gedankenkarussell – genauso wie Unpünktlichkeit.

„Tch."

Der Kommandant drehte den Kopf zu Levi und konnte dessen Gedanken erahnen. Doch bevor er etwas sagen konnte, kam ihm dieser zuvor.

„Nicht gerade pünktlich, dein Freund." Seine Augen blieben dabei genauso desinteressiert wie sonst. Aber Erwin wusste es besser. Levi brodelte innerlich. Heute Nachmittag hatte Levi noch mit seinem Team trainiert. Und plötzlich musste er alles stehen und liegen lassen und Erwin im Galopp durch das Regenwetter begleiten. Das Ziel des unerwarteten Ausritts hatte Levi überrascht. Sie befanden sich bei den Rekruten. Was konnte es so Wichtiges an diesem Ausbildungsort geben? Und warum hatten sie sich beeilen müssen, wenn sie jetzt warten mussten?

Seit gut einer halben Stunde warteten sie auf diesen Peter. Der kleine Raum war schlicht eingerichtet. Abgesehen von der Wanduhr waren die Mauern kahl. Ein Schreibtisch. Zwei Stühle davor. Doch Levi hatte es vorgezogen an der Wand zu stehen. Wie wichtig konnte Peter sein? Er hatte noch nie etwas von ihm gehört.

Es gab keinen Schrank, kein Regal, keine Kommode in diesem Raum. Kein Möbelstück, in dem vertrauliche Dokumente hätten aufbewahrt werden können. Die Kerzen auf dem Schreibtisch flackerten. Als Erwin sein Kinn unter dem nassen Wollmantel verstecken wollte, flog plötzlich die Tür auf.

„Erwin!", begrüßte der Eintretende den Wartenden erfreut. Levi zog kurz die Augenbrauen hoch. Peter hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Erwin. Verwandt?

„Entschuldigt bitte, meine Verspätung. Es..." Peter wechselte einen kurzen Blick zwischen Erwin und Levi hin und her. Erwin gab ihm mit einem kurzen Kopfschütteln zu verstehen, dass Levi noch nicht im Bilde war. „Wir... sind etwas aufgehalten worden", druckste Peter herum und stellte sich hinter seinen Schreibtisch.

Etwas?", überlegte Levi. „Titanen?"

Das Knallen der Tür gegen die Mauer riss ihn jedoch aus diesem Gedanken. Während Peter und Erwin überrascht die kleine Person musterten, die in den Raum geplatzt war, starrte Levi weiter auf den Boden, der von einer Unzahl dunkler Schuhabdrücke übersäht war. Ob er den Soldaten hier an seinem freien Tag einmal das gründliche Putzen erklären sollte?

„Peter!", donnerte eine Mädchenstimme los. „Willst du mich verarschen?"

Eine Familienzusammenkunft und ein Beziehungsdrama. Warum war ich noch einmal hier", dachte Levi. Er stellte seinen an die Wand angelehnten Fuß auf den Boden. Er wollte den Raum verlassen. Er hatte an diesem Ort nichts zu suchen. Ob es hier Tee gab? Schwarzen?

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt