72. „Tut mir leid."

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Steve prüfte erneut den Gurt des Sattels. „Noch länger warten oder zurück?" Traurig blickte er ins Camp. Es war so gut wie leer. Während die Soldaten der Militärpolizei direkt am ersten Tag in die Stadt zurückgeritten waren, bauten die Soldaten der Mauergarnison seit drei Tagen die Aufzüge sowie die Zelte ab. Die Anzahl an aufgebauten Feldlazaretten hatte nur zur Beruhigung der normalen Bürger gedient. Nicht einmal 200 von den rund 250.000 rausgeschickten Menschen waren von der Rückeroberung zurückgekehrt.

Steve rieb sich die Augen. „Warten oder zurück?" Unschlüssig tätschelte er Hopper. Alle anderen Boxen um ihn herum waren leer. Es waren die Pferdeboxen seiner Kameraden gewesen. „Das kann doch einfach nicht wahr sein", murmelte er müde. Er hatte seit drei Tagen kaum geschlafen. Er wollte einsatzbereit sein, wenn seine Kameraden zurückkamen und ihn brauchten. Aber bisher war kein Einziger zurückgekehrt. Das gesamte Team fehlte. „Lasst ihr mich wirklich allein zurück?" Nach drei Tagen gab es kaum noch Hoffnung auf Überlebende. Eigentlich gar keine.

„Steve?" Lucas kratzte sich am Arm und sah zu Boden.

„Wer?", rief Steve hastig.

„Kannst du einfach mitkommen?"

***

„Hat er gegessen?", fragte Petra Eld, der am Fenster stand. Ihr Kamerad schüttelte den Kopf.

„Petra!" Gunther winkte sie zu sich und Oluo. „Vergiss du nicht auch das Essen", ermahnte er die junge Soldatin.

Ohne Appetit setzte sich Petra zu ihren Freunden. Sie hatten es am Tag der Rückeroberung wieder hinter die Mauer Rose geschafft. Allesamt. Als einziges Team waren sie komplett geblieben. Alle anderen hatten Verluste erlitten. Und das Team von Peter fehlte vollständig. Lustlos stocherte Petra in ihrem Essen herum. Seit zwei Tagen waren alle Soldaten des Aufklärungstrupps zurück im Hauptquartier. Nur die paar Verletzten, die nicht reiten konnten, waren im Camp beim Tor Trost geblieben.

„Sollen wir heute wieder ohne ihn trainieren?", fragte Gunther.

Eld nickte. „Wenn er wieder normal ist und wir nichts gemacht haben, macht er uns die Hölle heiß."

Mike trat nach draußen und zündete sich eine Zigarette an. Ein paar Meter vor ihm stand Levi. Ohne sich zu bewegen, starrte sein Freund auf das Tor. Vor zwei Tagen waren sie dadurch geritten. Seitdem war keiner mehr gekommen. „Wie ein Hund, der auf sein Herrchen wartet", dachte Mike traurig und atmete den Rauch aus. War wirklich das gesamte Team von Peter verstorben? War es wirklich so klug gewesen, bei solch einer Operation die erfahrensten Soldaten an die Spitze zu schicken? Warum hatte Erwin dem Vorschlag zugestimmt? Mike verstand es nicht. „Hatte er die Hoffnung gehabt, dass die Operation doch erfolgreich enden könnte?"

Plötzlich rannte Levi los. Verwundert sah Mike ihm hinterher. Steve kam langsam hereingeritten. Er führte ein weiteres Pferd neben seinem her. „Ist das Lucky?" Mike drückte seine Zigarette aus. Lucky zog einen kleinen Karren hinter sich her.

„Levi, bleib weg!", rief Steve.

„Wer?" Der Vize-Kommandant ging langsam auf den Karren zu.

„Levi!"

Doch Levi hatte die Plane bereits weggerissen. Unter ihr lagen die Überreste von Ron.

„Levi!", rief nun Mike. Sein Freund war bewusstlos zusammengebrochen.

***

„Und ich dachte, wir sind Freunde!", schimpfte Steve unter Tränen. „Freunde lassen sich nicht im Stich." Er steckte die Schaufel in den Erdhaufen. „Und jetzt? Ist das wieder so ein dummer Scherz von euch? Mich hier allein zurückzulassen?" Vorsichtig nahm er die Urne an sich. Kaum war er beim Hauptgebäude angekommen, hatte er Ron hinter dem Pferdestall verbrannt. So hatte es sich sein alter Freund immer gewünscht. So wollte ihm Steve die letzte Ehre erweisen. Die Asche hatte er halbiert. Ein Teil würde in der von Ron einst selbst angeschafften Urne beerdigt werden. Den anderen Teil würde er verstreuen. „Dann ist das euer schlechtester Scherz gewesen", schrie Steve und setzte sich vor das ausgegrabene Loch. „Was mach ich denn jetzt?", murmelte er und hypnotisierte das kleine Holzkreuz, auf dem Rons Name stand.

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt