Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)

24. „Massieren oder reden."

Seit über einer Stunde war ein kontinuierliches Klackern in Levis Zimmer zu hören. Der Wind peitschte gnadenlos die Äste der Linde gegen die Fensterscheiben. Levi saß vor mehreren Dokumentenstapeln. Unfähig, den Sinn des vor ihm liegenden Berichts aufzunehmen. Hatte sich heute alles gegen ihn verschworen? Der plötzlich auftretende Wind, der ihn in der Konzentration störte. Erwin, der plötzlich mit einem doppelt so hohen Unterlagenstapel vor seiner Tür stand als sonst. Und Chagara.

„Der größte Feigling." Ihre Worte hallten immer noch in seinem Kopf. Und wieso war sie nicht beim Abendessen gewesen? Brauchte sie so lange für das Füttern der Pferde? Sie unterstützte doch nur.

Er kniff die Augen zusammen und fuhr sich durch die Haare. Wieso bekam er sie nicht aus dem Kopf? Der Stuhl flog nach hinten. Ob sie immer noch im Stall war? Ob sie ihm aus dem Weg ging? War sie deshalb nicht beim Abendessen gewesen? War sie wieder sauer auf ihn? Hatte er ihr Knie verletzt? War sie womöglich auf der Krankenstation? Nein, so grob hatte er sie nicht angefasst.

Er sah aus dem Fenster zum Stall hinüber. „Der größte Feigling." Er hatte seiner Mutter hilflos beim Sterben zusehen müssen. Als kleines Kind. Damals hatte er gedacht, das wars. Das Leben oder das, was er als Leben kannte, war vorbei. Er dachte, er würde ebenfalls sterben. In dem dunklen Raum neben seiner toten Mutter. Dem einzigen Menschen, der ihm Liebe geschenkt hatte. Sie war sein Licht in der kalten, harten und grausamen Unterwelt gewesen. Ihr Lächeln und ihre Umarmungen hatten ihm an manchen Tagen gereicht, wenn sie hungern mussten. Ihre warme Hand hatte ihn gerettet, wenn sie auf der Straße über brutal zerstückelte Körper hinwegsteigen mussten. Ihre Streicheleinheiten waren mehr Wert gewesen, als ein Schritt in die Welt, die über ihm herrschte.

Doch dann stand Kenny vor ihm. Seine Rettung vor dem Tod. Sein Lehrmeister. Aber kaum beherrschte er das Leben, war Kenny spurlos verschwunden und er stand erneut allein in der Dunkelheit. Bis Furlan und Isabel in sein Leben traten. Sie waren seine Familie. Sein warmes Zuhause. Bis dieses Monster sie zerfetzte. Seitdem hatte er sich den Sonnenstrahlen entzogen. Er tötete Titanen, führte Erwins Befehle aus. Im Ausgleich lebte er hier. Hier oben. Hatte saubere Kleidung. Ein Zimmer. Musste nicht Hunger leiden. Es war schon schwierig genug, dass er Erwin mittlerweile als treuen Freund wahrnahm und Hanji und Mike ebenfalls zu seinen engen Vertrauten zählte. Eines Tages würde ihnen sicherlich etwas passieren. Eines Tages würde er um sie trauern müssen. Levi schluckte.

Und dann war da plötzlich Chagara. Kleiner als er. Und trotzdem ein Soldat. Ein Soldat einer der härtesten Einheiten mit den wahnsinnigsten Aufgaben. Zäh, stur, mit einer Ehrlichkeit, die nervte, und warmherzig. „Mit Erwin." Er schloss die Augen. Er konnte das nicht hören. Und gleichzeitig wollte er einen Schritt nach dem anderen gehen. So, wie er es sich geschworen hatte. Doch dieses Gespräch fürchtete er. Selbst wenn sich alles als harmlos herausstellte, musste er ihr auch noch seine gewalttätige Vergangenheit beibringen. Musste er ihr das wirklich antun?

„Es ist doch nur richtig, sie gehen zu lassen. Solange es noch geht." Irgendein Typ würde sie schon glücklicher machen können, als er es je könnte. Levi sah zu wie seine Faust gegen die Papierstapel flog und die einzelnen Dokumente auf den Fliesenboden segelten. Keiner würde aber so gut auf sie aufpassen wie er.

„Levi!" Hanji riss die Tür auf. „Levi", rief sie erstaunt, als sie die Unordnung vor Levis Schreibtisch sah. Mit offenem Mund betrachtete sie das weiße Meer. So etwas hatte sie bei ihrem kleinen Freund noch nie erlebt. „Levi, alles okay?"

„Der Wind", murmelte Levi, trat geistesabwesend hinter seinen Schreibtisch und griff nach zwei Äpfeln, die er aus der Küche hatte mitgehen lassen.

„Soll ich dir helfen?"

„Nicht nötig", erklärte Levi und packte sie am Arm. „Du kennst das Wort Ordnung eh nicht."

„Und wo gehen wir hin?"