23. Der größte Feigling

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Zu seinem großen Erstaunen hatte es Chagara geschafft, bis zur Verteilung des Mittagessens die Küche und die Kantine zu wischen. Doch wie zu erwarten war, trocknete der feuchte Boden nicht so schnell. Dunkle Fußspuren – wohin man nur sah. Von den Eingangstüren zur Essensausgabe, von der Essensausgabe zu den einzelnen Tischen, von den Tischen zurück zur Essenausgabe, falls das Besteck vergessen worden war, und zurück zu den Tischen, dann weiter zur Tablettabgabe und von dort nach draußen. Den Schmutz bemerkte Levi zu seiner Überraschung erst, nachdem er fertig gegessen hatte. Seine Gedanken kreisten zuvor nur um zwei Themen: Erstens, die Suppe, die ihm schmeckte. Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass er gerne eine zweite Portion davon gegessen hätte. Wie immer, wenn er Chagaras Gerichte aß.

Chagara. Das war der zweite Gedanke. Wo war sie? Er scannte die gesamte Kantine, während er seine Suppe löffelte, ab. Mehrmals. Doch das Mädchen war nirgends zu sehen.

Und jetzt? Jetzt stand er vor der geschlossenen Tür. Die Hand am Griff. Ob sie in der Kantine war und wischen würde? Zum zweiten Mal? Ob sie schon fertig war? Ob sie sauer war? Er atmete tief ein und öffnete langsam die Tür. Niemand war zu sehen. Der Raum war leer. Der Boden war erneut gewischt worden und so gut wie trocken. Es war nicht so sauber, wie wenn er selbst geputzt hätte. Aber es war zumutbar. Ob sie in der Küche war? Als er die Kantine betreten wollte, hörte er plötzlich ein: „Wehe!"

Levi blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam, und sah seinen schwingenden Wischer. Kurz darauf wurde Chagara sichtbar. Sie hatte auf einer der Bänke gelegen und saß nun aufrecht. Ihr Gesicht zeigte keine Emotionen. Das war untypisch für sie. Das war gefährlich für ihn. Wütend wäre sie ihm lieber gewesen und somit versuchte er sie zu provozieren: „Glaubst du, du entkommst meinem Training, weil du nun auf deiner Bank sitzt und warten musst, bis der gesamte Boden trocken ist?"

Als Antwort warf sie ihm nur zwei Tücher zu. Levi zog fragend die Augenbrauen hoch.

Chagara hob ein Bein und deutete auf ihren Stiefel. Sie hatte ein Tuch um die Sohle gebunden und deutete Levi, es ihr gleich zu tun.

„Tch." Sein Versuch war gescheitert.

„Hat etwas mit Respekt gegenüber der Arbeit der anderen zu tun. Lernt man das bei euch nicht?", erklärte sie, ohne eine Miene zu verziehen.

Levi fühlte sich unwohl.

Überrascht sah Chagara zu, wie sich Levi die Tücher um die Sohlen band und auf sie zu kam. Ihre Augen wurden nur noch größer, als er sich ihr gegenüber auf die Bank setzte. „Also sucht er jetzt doch wieder meine Nähe. Wenn er nur sagen würde, was ihn stört."

Zwischen ihnen stand nur der Putzeimer, den Chagara wieder mit Levis Bürsten, Putzmitteln und restlichen Tüchern gefüllt hatte.

„Stressiger Tag oder warum machst du Pause?"

„Es regnet", antwortete Levi und blickte in ihre dunklen Augen. „Wir warten."

„Ach so. Verstehe. Du bist aus Zucker. Deshalb bist du so klein." Chagara hatte noch nicht einmal den Mund geschlossen, da stand sie schon vor Levi. Wie hatte er das gemacht? Blitzschnell war er aufgesprungen, hatte nach dem Stiel des Wischers in ihrer Hand gegriffen und sie mit einem Ruck zu sich gezogen. Sie hatte keine Chance gehabt, ihm zu entkommen. Mit großen Augen sah sie in seine.

„10," knurrte er.

„Mh?"

„Wir laufen 10 Runden. Für den Anfang," erklärte er. „Was?", fragte er, als sie lächelnd zu Boden blickte.

„So eiskalt bist du gar nicht. Dein Atem ist warm. Und kitzelt."

„20 Runden. Und hör auf mit dem Blödsinn."

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt