46. „Wie komisch?"

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Mit Schwung sauste das Beil durch die Luft und trennte den Flügel von der Hühnerbrust. Die Frau des Metzgers trat aus dem hinteren Raum mit einem Tablett frischer Würste. Sie schloss die Tür zum Schlachtraum, sodass Ayumi durch die Fensterscheibe nur noch den Verkaufsraum sah.

„Hinten, wo die Schinken von der Decke hängen, da waren zwei Umkleidekabinen. An den Wänden hatte sie Regale angebracht. Voller Stoffe waren die. In dem Schaufenster konnten die Passanten immer ihre neusten Werke sehen. Sie war sehr talentiert. Sie schneiderte sowohl für Frauen, als auch für Männer. Das war ungewöhnlich. Und hat öfters zu Diskussionen geführt. Ich glaube, so hat deine Mutter auch deinen Va ... also Herrn Stein kennengelernt." Henry Dober hatte Ayumi beschrieben, wie der Laden ihrer Mutter einst eingerichtet war. „Und in der Mitte des Raums war ein kleines Podest. Da stiegen die Kunden dann immer drauf und betrachteten sich im Spiegel. Und deine Mutter hat dann mit den Kunden weitere Änderungen besprochen. Sie hatte immer ein Maßband um den Hals hängen. Manchmal vergaß sie es sogar abzunehmen, wenn sie ihren Laden zuschloss und Einkäufe erledigte oder uns besuchte. Und am Handgelenk trug sie immer so ein kleines Kissen. Da steckten ihre Nadeln drin. Und wo jetzt die Kasse in der Metzgerei steht, stand ein Tisch, da hat sie immer neue Entwürfe gezeichnet. Es war ihr zu langweilig immer hinten in der Kammer zu arbeiten." Henry Dober räusperte sich. „Wenn die Leute mich sehen und mir beim Zeichnen zuschauen können, kommen sie eher in den Laden. Ja, das hat sie immer gesagt."

Ayumi sah zum ersten Stock herauf. Ein Blumenkasten mit roten und weißen Geranien war am Fenster angebracht. Ihre Mutter hatte über ihrem Laden gewohnt. „Ja", Henry Dober hatte sich am Kinn gekratzt. „Meine Frau sagte, dass deine Wiege im Zimmer zur Gasse gestanden hat. Also muss das dein Kinderzimmer gewesen sein."

Ayumi schloss die Augen, als sie spürte, wie die Tränen aufstiegen. Sie stand vor dem Ort, an dem ihr Leben begonnen hatte. Ob ihre Mutter auch einen Blumenkasten dort angebracht hatte? „Welche Blumen sie wohl gepflanzt hat?" Ayumi konnte sich nicht daran erinnern, ob ihre Mutter ihr jemals gesagt hat, was ihre Lieblingsblumen waren. Sie sah zum anderen Ende der Gasse. Dort an der Ecke hatte Henry Dober seinen Buchladen. Zwei Straßen weiter gab es eine Schule. „Ob ich dort hingegangen wäre?", überlegte sie. „Ob ich dann den Laden meiner Mutter übernommen hätte?" Über Ayumis Rücken breitete sich eine Gänsehaut aus. Es wäre ein völlig anderes Leben geworden. Kein Aufklärungstrupp, keine Titanen, keine Unterwelt. „Kein Levi", stellte sie entsetzt fest und schüttelte den Kopf.

„Was? Sind die Preise schon wieder gestiegen?", hörte sie Ron neben sich sagen. So interessiert wie ihr Kamerad die einzelnen Würste durch das Schaufenster betrachtete, so interessiert wurde er von den jungen Mädchen gemustert, die tuschelnd an ihnen vorbeiliefen. Seit dem Tod von Paul hatte Ron nicht mehr zum Rasiermesser gegriffen. Er trug nun Bart. Wie Steve. Jedoch pflegte Ron ihn. Im Gegensatz zu Steve.

„Du schaust in die falsche Richtung", meinte Ayumi. Ihr war nicht entgangen, dass sich in letzter Zeit häufiger die Damen nach Ron umsahen. Durch den Bart wirkte er erwachsener und attraktiver.

„Mh?" Ron folgte ihrem Blick. „Oh. Neeee", meinte er zu seiner Kameradin, als er feststellte, dass die jungen Mädchen ihm zuwinkten. „Ich glaub immer noch, dass Titanen harmloser sind als Frauen", erklärte er und winkte lächelnd zurück.


Die jungen Mädchen schrien kurz auf, als zwei Gestalten prügelnd in die Gasse stolperten.

„Was zur Hölle", murmelte Ayumi skeptisch, als sie die beiden Soldaten erkannte.

„Oh nein!", seufzte Ron und folgte seiner Kameradin.


„Was ist dein Problem?", keuchte Louis unter Schmerzen, nachdem ihn Jimmy gegen die Hauswand geschleudert hatte.

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt