57. „Wir haben nur sechs."

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„Ich hab versagt. Es ist meine Schuld", flüsterte Reiner und versteckte sein Gesicht hinter seinen betenden Händen.

„Nein, ist es nicht", versuchte Pieck ihn zu beruhigen. Wer im Feindesgebiet ausharren musste, sollte an bestimmten Tagen zu einer bestimmten Uhrzeit in der Kirche sein. Dies sollte die Kontaktaufnahme erleichtern. Seitdem Reiner, Berthold und Annie in der Flüchtlingsunterkunft umringt von Feinden lebten, saß einer von ihnen jeden Montag, Mittwoch und Freitag um Punkt zwölf Uhr in der Kirche. Als Reiner dieses Mal nach dem Gebet für seinen verstorbenen Kameraden die Augen öffnete, saß Pieck neben ihm. Doch er war nicht überrascht gewesen. Er hatte damit gerechnet. Und, er war erleichtert, dass sie es war.

Als sie seinen Oberarm streicheln wollte, schmiss sie eine ihrer Krücken um. Bevor sie scheppernd auf dem Steinboden aufschlug, hatte Reiner die Gehhilfe geschnappt.

„Dieser Titan lag im Boden. Als ob er sich vergraben hätte. Können die doch denken?" Hilflos sah er zu seiner Kameradin. „Ich hab nicht aufgepasst. Und dann wollte mich dieses Monster fressen. Und plötzlich ging Marcel dazwischen. Nur weil ich Angst hatte. Nur weil ich nicht funktioniert habe." Reiner sah zum Altar. „Ich bin an seinem Tod schuld. Wegen mir haben wir einen exzellenten Kameraden verloren. Und den Kiefertitan."

Pieck musterte den Soldaten von der Seite. „Ist er zu jung für die Operation? Mental nicht stark genug? Oder wird jeder so?" Mühsam erhob sie sich von dem Kniebrett und setzte sich auf die Bank. Sie stupste mit ihrer Krücke Reiner an und deutete ihm, sich neben sie zu setzen.

„Ihr seid erfolgreich in ihr Gebiet eingedrungen. Sie haben ein großes Gebiet verloren. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr den Urtitanen habt und das alles hier vorbei ist", sprach Pieck leise. „Und sie wissen nicht, dass wir unter ihnen sind. Geschweige denn, dass wir existieren."

Reiner versteifte. „Wissen sie das wirklich nicht?"

Piecks Herzschlag wurde schneller. „Was?", fragte sie verwirrt. „Das war in den Trainings nie eine Option gewesen."

„Wir kennen nicht den neuen Träger des Kiefertitans", erklärte Reiner. „Und ..."

„Und?", wiederholte Pieck ängstlich.

„Wir scheinen auf ein paar Hindernisse zu stoßen."

„Ein paar Hindernisse?", wiederholte seine Kameradin kaum hörbar.

„Innerhalb des Militärs gibt es eine Einheit, die sich Aufklärungstrupp nennt. Sie gehen vor die Mauern und sind im Kampf mit Titanen geübt. Unser Glück war, dass diese Soldaten nicht vor Ort waren, als wir das Tor der äußeren Mauer durchbrochen haben. Ein Soldat muss besonders herausstechen. Sein Name ist Levi. Er wird als die Hoffnung der Menschheit bezeichnet", flüsterte Reiner.

„Wie sieht er aus?", wollte seine Kameradin wissen.

Reiner zuckte leicht mit den Schultern. „Keine Ahnung."

„Und wenn schon", begann Pieck. „Was soll ein Mensch gegen sechs Titanenwandler ausrichten? Allein die Kraft und die Fähigkeiten des War Chiefs ..." Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Lächerlich."

Aus den Augenwinkeln nahm sie drei kleine Gestalten wahr. Zwei Jungs und ein Mädchen gingen durch den Mittelgang. „Flüchtlinge?" Sie beobachtete, wie der blonde Junge sich neben einen älteren Mann setzte und betete. „Verwandt? Sein Großvater?" Der braunhaarige Junge mit den zornigen Augen hingegen ging – gefolgt von dem Mädchen – zu den Kerzen.

„Eben", sprach Reiner nach einer Weile. „Wir haben nur sechs."

Pieck runzelte die Stirn. „Was?"

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt