Ihre Klassenkameraden hatten schon längst das Unterrichtszimmer verlassen, als Josefine langsam aufstand und nach ihrer Tasche griff. Kaum stand sie auf dem leeren Schulflur, lehnte sie ihre Stirn an die kühle Mauer an. Mit müden Augen blickte sie auf ihre zitternde Hand, in der sie seit der Übergabe ihr Zeugnis hielt. Sie hatte die Versetzung gerade noch so geschafft. Zwar konnte sie jetzt in der Ferienzeit neben der Arbeit den Schulstoff des vergangenen Jahres wiederholen. Aber war das ausreichend?
„Du solltest mit deiner Mutter überlegen, ob du nicht von der Schule abgehst und eine Ausbildung anfängst", hatte ihr Klassenlehrer Josefine in den letzten Wochen immer wieder nahegelegt. Ihre Mutter wollte Josefine aber nicht damit behelligen. „Sie hat schon genügend Sorgen." Ohne arrogant klingen zu wollen: Niles Tochter wusste, dass sie nicht dumm war. Dass sie unter anderen Umständen einen sehr guten Schulabschluss schaffen würde und zur Universität gehen könnte - wenn sie das wollte. Aber sie musste nun einmal ihre Mutter unterstützen. Im Haushalt, bei der Erziehung ihrer jüngeren Schwester und mit dem Geld, dass sie in der Bäckerei verdiente. Wie sollte sie also im nächsten Schuljahr bessere Noten erhalten, wenn sie wieder keine Zeit zum Lernen hatte? „Und dann krieg ich keinen Abschluss. Und dann war ich ein Jahr umsonst auf der Schule. Und dann hätten wir das Geld besser nutzen können und nicht für Schulsachen ausgeben müssen. Und ich hätte vielleicht schon mehr verdienen können." Es waren wieder diese Gedanken, denen Josefine seit Wochen nicht entkam. „Ob ich mich für eine Ausbildung bewerben soll?", murmelte sie und packte ihr Zeugnis ein. Ihre Mutter würde nichts zu ihren Noten sagen. Sie kannte ja die Umstände nur zu gut. Aber es machte Josefine dennoch traurig, dass sie ihre Mutter nicht glücklich sehen konnte. „Aber bin ich dafür nicht schon zu spät dran?" Josefine band ihre Haare zusammen. Sie würde die nächste Woche Bewerbungen schreiben. Würde sie eine Zusage erhalten, würde sie nicht mehr das nächste Schuljahr besuchen.
„Wenigstens hab ich heute ein bisschen Zeit", dachte sie lächelnd, als sie am Eingang auf die Schuluhr blickte. Es war kurz nach zwölf. In der Bäckerei musste sie erst um halb vier sein.
„Josefine!", sang plötzlich eine allzu gut bekannte Stimme hinter ihr. Doch das Mädchen hatte keine Lust sich umzudrehen. „Breche ich ab, hab ich wenigstens vor denen meine Ruhe", dachte sie, als sie den Schulhof verlassen wollte. Aber eine Hand auf ihrer Schulter zwang sie, stehen zu bleiben.
„Josefine, hast du uns nicht gesehen?" Tom spielte den Beleidigten. „Dabei haben wir extra auf dich gewartet. Weil wir uns Sorgen gemacht haben." Er sah grinsend zu seinen Freunden. „Ob du das Schuljahr geschafft hast." Josefine wollte sich von Tom losreißen, als plötzlich jemand ihre Schultasche nahm.
„Du bist spät", hörte sie Naoki neben sich sagen. „Ich warte hier schon seit über einer halben Stunde. Warum bist du so langsam?", fragte Naoki genervt und wollte das Mädchen hinter sich herziehen. Aber Tom hielt ihren Arm fest.
Irritiert blickte Josefine in Naokis Gesicht. „Wieso wartet er auf mich? Und was will er überhaupt?" Das letzte Mal hatte sie ihn im Laden seiner Eltern gesehen. Am Tag als Natsuki Tom geschlagen hatte.
„HEY!", rief Tom. „Wir unterhalten uns gerade mit Josefine. Also verschwinde!", schnauzte er Levis Sohn an.
„Tom", flüsterte ein schwarzhaariger Junge mit Pausbäckchen dem Anführer zu. „Das ist ein Ackerman. Lass verschwinden."
Doch Tom ließ sich keine Ratschläge geben. „Etwa der Bruder von diesem Miststück?"
Naoki blieb ruhig, aber Josefine bemerkte erschrocken, dass zornige Funkeln in den Augen von Natsukis Bruder.
„Deine Schwester hat mir beinahe die Nase gebrochen. Was sagst du dazu?" Er begann Naoki zu schubsen.
„Nicht", rief Josefine und wollte dazwischen gehen. Aber Naoki hielt sie fern.
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Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)
FanfictionLevis größte Herausforderung? - Ayumi Chagara, Soldatin einer Spezialeinheit. Chagara nervt. Aber irgendwie anders. Und plötzlich hat Levi lauter neue Gedanken: Beziehung, Familie, Kinder, Haus, Teeladen. Aber darf ein Soldat des Aufklärungstrupps u...