58. „Ich hatte keine Wahl."

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Die Axt gleitete durch das Baumstück. Wie immer hatte Zeke nur einen Schlag gebraucht, um das Holz zu teilen. Die eintönige Arbeit sah er als Training an. Doch seit ein paar Tagen lenkte sie ihn ab. Von den Gedanken. Von den vielen Fragen, die ihn nachts nicht schlafen ließen. Er legte das nächste Holzstück vor sich hin.

„Zeke." Einer der Bauern kam näher. Der Angesprochene schwang die Axt über den Kopf. „Zeke, mach Pause", raunte der Bauer ihn an. „Du arbeitest schon seit fast drei Stunden." Die Axt gleitete durch das Holz und die beiden Stücke fielen zu Boden. Zeke rückte seine Brille zurecht, nahm das nächste Baumstück und legte es vor sich. Doch als er zum Schwung ausholen wollte, hielt der Bauer seinen Arm fest. „Pause hab ich gesagt. Ich hab nämlich keine Lust der Militärpolizei zu erklären, warum mein bester Holzhacker ein Bein verloren hat", schnauzte der Bauer ihn an.

Bevor Zeke antworten konnte, hörte er hinter sich eine ruhige Stimme sagen: „Junge, komm her!" Zekes Augen wurden milder, als er den Vater des Bauern auf der Bank vor der Scheune sitzen sah. Der Großvater rauchte seine Pfeife. Langsam ließ Zeke seine Axt zu Boden sinken. Als er sie abgestellt hatte, ging er zum Großvater und setzte sich neben ihn.

Der Bauer sah seinem neusten Arbeiter kopfschüttelnd hinterher. „Und ihr?", er maulte die anderen Männer an. „Nehmt euch mal ein Beispiel an ihm. Wieso ist Zekes Holzhaufen größer als eure Holzhaufen zusammen?", rief er, während er seinen Kontrollgang fortsetzte.

Der Großvater griff nach einem der Becher, nahm die Kelle, tunkte sie in den Wassereimer neben sich und schenkte ein. „Hier", er reichte Zeke den vollen Becher, „trink."

Der junge Mann nahm dankend den Becher. Wieso hörte er immer auf den Großvater? „Weil er mich an meinen Großvater erinnert? Wie es ihm wohl geht?"

„Arbeit ist wichtig", begann der grauhaarige Mann und führte das Mundstück der Pfeife an seine Lippen. „Pflichtbewusstsein auch. Aber dein Körper braucht auch Ruhezeiten. Sonst machst du ihn kaputt. Und was wird dann aus dir? Mh?" Er nahm einen Zug. „Hat dir das dein Vater nicht beigebracht?", fragte er sanft, als er den Qualm ausgeatmet hatte.

„Mein Vater starb früh", antwortete Zeke knapp und trank erneut. „Oder?"

Vor ein paar Tagen hatte er zum ersten Mal erlebt, dass Pieck sich nicht unter Kontrolle hatte. „Dein Vater lebt. Hier. In diesem Gebiet", hatte sie aufgebracht erzählt. Sonst war sie ruhig und emotionslos. Aber seitdem sie aus der Stadt zurückgekommen war, wirkte sie ... „Lebendiger?" Zeke runzelte die Stirn. Ob es tatsächlich stimmte? „Ob Mutter auch überlebt hat?" Der junge Mann sah zu, wie die Bäuerin aus dem Hühnerstall mit einem der Hähne im Arm herauskam. Auf dem Weg zum Wohnhaus drehte sie ihm blitzschnell den Hals um. „Nein. Dann hätte Vater nicht wieder geheiratet." Er sah auf den hängenden Kopf des Hahnes. „Ob er seinen Kindern hier auch eine Gehirnwäsche verpasst hat? Sie für seine Zwecke missbraucht? Ob er den Attackierenden Titanen kennt? Oder ihn sogar besitzt? Aber warum greift er uns dann nicht an? Warum scheint uns niemand zu kennen? Hat er nichts erzählt? Warum schweigt er? All die Jahre."

„Das tut mir leid zu hören", antwortete der Großvater. „Aber jetzt hast du ja uns." Lächelnd rauchte er weiter.

„Uns?" Zeke schluckte. Der Großvater war alt. Ob er einen friedlichen Tod sterben würde, bevor sie den Urtitanen gefunden hatten? „Hoffentlich."

„Großvater!" Mit zornigen Augen stand seine Enkelin vor ihm. Ein rotes Tuch war eng um ihren Kopf gebunden. „Wir suchen dich schon überall. Komm endlich mit!" Sie streckte ihre Hand aus.

„Wohin?", fragte er Großvater unschuldig das junge Mädchen.

Ein flüchtiges Lächeln huschte über Zekes Mundwinkel.

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt