12. „Worüber reden wir eigentlich?"

376 16 0
                                    

Langsam fuhr er mit dem Rücken an der Wand herunter. Durch den Stoff seiner Hose spürte er den kalten Boden. Wofür hatte er eigentlich länger gebraucht? Für die 30 Runden oder das Wegwischen der Blutstropfen, vor denen er Ewigkeiten gesessen hatte und die Szene immer wieder und wieder erlebt hatte?

Vielleicht hilft dir das, deine Gedanken zu sortieren", hatte Erwin gesagt. Nein, das Laufen hatte überhaupt nichts gebracht. Weil sein Kopf leer war. Die ganze Zeit. Levi rieb sich seine schmerzenden Beine. Ein spöttisches kurzes Lachen füllte den leeren Gang. Er, die Hoffnung der Menschheit, saß nachts auf dem Boden vor einer Abstellkammer.

Er wollte sich entschuldigen. Aber er hatte keine passenden Worte. Würde er es dann nicht noch schlimmer machen? Ob ihm Chagara überhaupt zuhören würde? Sie würde zuhören. Warum hätte sie sonst gelogen und die Geschichte mit dem Küchenmesser erzählt? Käme raus, dass er sie grundlos attackiert hatte, hätte es ernstzunehmende Konsequenzen für ihn gehabt. 

Mehrmals klopfte sein Kopf gegen die harte Wand. Wie ruhig sie geblieben war. Ob es an diesen speziellen Trainings lag? Sie war also schon mehrere Tage ohne Kameraden völlig allein vor den Mauern gewesen. Langsam breitete sich eine Gänsehaut auf seinen Armen aus. Ob er das geschafft hätte? Allein da draußen?

Levi sah auf die verschlossene Tür vor ihm. Kein Lichtstrahl kam unter der Tür hervor. Sie schlief. Das war gut. Sie kämpfte da draußen, war allein da draußen und konnte trotzdem schlafen. Deshalb konnte er nicht klopfen. Sollte er sie morgen nach ihrem Training mit Mike abfangen? Sollte er so lange warten? Oder vielleicht war sie doch auf der Krankenstation. Vielleicht sollte sie zur Beobachtung bleiben. Ob er nachsehen sollte?

Nachsehen, zurückkommen, überprüfen, ob es weiterhin ruhig in ihrem Zimmer ist. Wenn ja, sie morgen früh abfangen", plante Levi seine nächsten Schritte in Gedanken und stand auf. Ob es seltsam war, wenn er schon vor dem Frühstück auf sie lauern würde?

Der Wind peitschte gegen die Dachziegel. Kein Mensch war in den Gängen unterwegs als Levi sich auf dem Weg zur Krankenstation machte. Ob er in der Küche anhalten sollte, um Tee zu machen? Aber er wusste weder, ob sie tatsächlich auf der Krankenstation war noch ob sie wach war und schon gar nicht, ob sie sich über seine Anwesenheit freuen würde. „Wohl eher nicht", dacht Levi und fuhr sich über seine müden Augen.

Warum hatte sie die Geschichte mit dem Küchenmesser erfunden? Warum hatte sie sich nicht gewehrt, als er sie angegriffen hatte? Warum hatte er sie angegriffen? Warum redete sie mit Erwin und nicht mit ihm? Mochte sie Erwin? Aber sie hatte gesagt, sie mag nicht groß und blond. Aber vielleicht hatte sie dabei nur an Mike gedacht? Aber wenn sie Erwin mochte, warum hatte sie dem Militärpolizisten wegen ihm den Finger gebrochen? Als er am Speiseraum vorbeilaufen wollte, blieb er stehen. In der Dunkelheit bewegte sich etwas.

Jemand saß in einer Decke gehüllt am Fenster. Eine Hand war mit einem Verband versehen. Chagara? Schlief sie hier auf zwei Stühlen? Warum?

„Ayumi?", hörte er eine Stimme von der anderen Seite des Raumes.

Levi versteckte sich in seiner dunklen Ecke.

„Stevie?" Sie klang traurig.

„Wieso hast du hier dein Nachtlager aufgeschlagen?" Steve setzte sich an Ayumis Tisch und tat es ihr gleich. Er legte seine Beine auf einen zweiten Stuhl ab und schwang seine Decke über sich.

„Das Fenster in meinem Zimmer lässt sich doch nicht schließen. Und der Wind peitscht den Regen in mein Bett. Hier ist es trockener", erklärte sie und versuchte zu lächeln. „Und du?"

„Die schnarchen alle. Also bin ich ausgewandert", seufzte Steve. „Ist das Tee?" Steve deutete auf die Tasse vor Ayumi.

„Nur heißes Wasser."

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt