35. „Ich kann keinen Rückzieher machen."

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Kaum hatte er die Augen geöffnet, übergab er sich. Sein Erbrochenes landete auf seiner Hand, seinem Hals und seiner Brust. Er beschmutzte sein Laken, die Decke sowie den Boden. Peter brauchte einen Moment, um zu verstehen, wo er war. „Krankenstation." Sein Schädel dröhnte, seine Beine brannten, als ob er weiterhin im Feuer lag und jeder Atemzug fühlte sich an, als ob ein Schwert in seinen Brustkorb stach. „Aber welche?" Er versuchte sich aufzurichten, doch die Schmerzen ließen dies nicht zu. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als in seinem Erbrochenen liegen zu bleiben und auf Hilfe zu warten.

Erst als er sich ein zweites Mal über den Mund fuhr, bemerkte er, dass er nur Magensäure erbrochen hatte. „Wie lange liege ich schon hier?" Er wollte nach Hilfe rufen, sich bemerkbar machen, doch es kam kein Laut aus seinem Mund. Sein Hals war ausgetrocknet. Auf dem Nachttisch erkannte er einen Becher. „Wasser?" Mühsam streckte er den Arm aus und erkannte erst jetzt den Verband um seine rechte Hand. Da er seinen Augen nicht traute, riss er den Verband herunter. Doch der Platz neben seinem Ringfinger blieb leer. Er hatte den kleinen Finger verloren.

Ein leises Schnarchen riss ihn aus seiner Schockstarre. Schräg gegenüber saß Ron auf einem Stuhl und schlief. Tränen stiegen in Peters Augen. In all den Jahren hatte Ron noch nie Wache an seinem Krankenbett gehalten. Immer wenn er verletzt zurückgekommen war, hatte ihm stets Paul Gesellschaft geleistet. Er biss sich auf die Unterlippe, als er erneut versuchte, sich aufzusetzen. „Liegt Paul neben mir?" Aber keines der Betten war belegt.

Ein Scheppern riss Ron aus seinem Schlaf. Im nächsten Moment donnerte die Tür gegen die Wand und Steve stürmte herein. „Peter!"

Ron sah überrascht zum Bett seines ehemaligen Kommandanten. Doch es war leer. Peter lag schmerzverkrümmt auf dem Boden. Steve hockte vor ihm. „Was machst du da?"

Ron sprang auf und eilte seinem Freund zur Hilfe. Doch wie Steve wusste auch er nicht, wo er Peter anfassen sollte, um ihm hochzuhelfen. Also räumte er als erstes die Bettpfanne weg.

„Wo ist er?", wollte Peter mit heiserer Stimme wissen.

Ron griff nach dem Becher und reichte ihn Peter.

„Paul?" Das Wasser mischte sich mit dem Blut, dass aus seiner Unterlippe floss.

„Wie hat er sich diese Verletzung jetzt zugefügt?", überlegte Steve und nahm Peters Kopf in die Hände.

„Du musst mir erst einmal ein paar Fragen beantworten, damit ich weiß, dass dein Kopf nichts abbekommen hat. Wie ist dein Name?"

„Peter Smith." Mit jedem Schluck wurde seine Stimme lauter. Ron schenkte ihm nach.

„Wann hast du Geburtstag?"

„7. Dezember."

„Wie heißen die drei Mauern?"

„Sina, Rose, Maria."

„Und wer sind unsere Feinde?"

„Titanen."

„Und deine Frau? Wie heißt sie?"

„Steve, lass den Scheiß. Wir sind alle nicht verheiratet." Peter leerte den zweiten Becher. „Wo ist Paul?", fragte er leise. Doch es reichte, dass sich Steve und Ron zu ihm auf den dreckigen Boden setzten.

„Paul wird wohl auch nicht mehr heiraten, was?", unterbrach Peter schließlich die Stille.

Seine Freunde schüttelten die Köpfe und sahen zu, wie ihr ehemaliger Kommandant weinte. Sie selbst besaßen nach fünf Tagen keine Tränen mehr. „Wie viele?", fragte Peter und wischte sich mit der Hand den Rotz weg.

„Sechs. Wilhelm, August, Mark, Olaf, Thomas und ... Paul", antwortete Ron und füllte erneut Peters Becher.

„Sind wir schon rausgeschmissen worden?", wollte Peter wissen.

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt