Teil 49

1.7K 49 8
                                    

Mir entgeht nicht das Auto am Straßenrand, als ich die Baustelle verlasse. Es ist Julians Wagen. Statt ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken, werfe ich noch einmal einen Blick auf die Unterlagen in meinem Arm und drehe mich um. Gestern gegen Abend wurde noch das Banklogo an dem Gebäude angebracht und jetzt thront es dort oben. Es sieht unfassbar gut aus. Mit einer kurzen Handbewegung ziehe ich den Helm von meinem Kopf und halte ihn stattdessen fest.

Aus der Entfernung höre ich ein Auto, ein ziemlich schnelles Auto. Ich blicke auf, sehe wie es um die Kurve kommt. Es ist so schnell, dass es beinahe auf dem Bürgersteig landet. Hastig trete ich wieder ein paar Schritte zurück, sodass ich von der Straße runterkomme. Am Ende überfahren die mich noch.

Der Fahrer muss getrunken haben, so wie er durch die Straße rast. Ich hasse so etwas. Verkehrsregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt es schließlich nicht zum Spaß.

Einige Meter bevor das Auto auf meiner Höhe ist, öffnen sich die Fenster zu meiner Seite und die Geschwindigkeit nimmt etwas ab, wenn auch nicht viel. Verwirrt schaue ich zu, wie es näher zu mir rollt. Dann sehe ich auf einmal in dem hinteren Fenster den Lauf einer Pistole und als würde etwas in meinem Kopf durchbrennen schmeiße ich mich hinter eines der Autos, die hier am Rand stehen.

Keine Sekunde zu früh, denn im nächsten Moment höre ich wie die Leute im Wagen abdrücken. Das Auto, an dem ich lehne, wackelt von den Einschüssen und ich verschränke meine Arme über meinem Kopf. Die Scheiben werden zerschossen, das Glas fällt auf mich hinab. Verzweifelt habe ich die Augen zusammen gekniffen und mich so klein gemacht wie möglich.

Doch so schnell wie es angefangen hat, ist es auch schon wieder vorbei. Das Auto verschwindet mit heulendem Motor, die Schüsse hören auf und auch das Auto bewegt sich nicht mehr.

Zitternd sitze ich hinter dem demolierten Wagen und bekomme kaum Luft. Um mich herum liegt das zerschossene Glas, mein Oberteil ist an einer Stelle aufgerissen. Angst strömt durch meine Adern.

"Nelly! Um Himmels willen, geht es dir gut?", vernehme ich die Stimme von Julian. Mein Kopf hebt sich und ich sehe wie er sich vor mir auf den Boden fallen lässt. Seine Hand legt sich auf mein Bein und seine Augen mustern mich besorgt. 

Ängstlich schaue ich zurück, greife mit zitternden Händen nach Julians Armen. Langsam hilft er mir auf. Eine ganze Menge Glas fällt von mir ab und auf die Erde, Julian klopft den Rest vorsichtig von meiner Kleidung.

"Frau Dubois! Was ist passiert? Geht es ihnen gut?", ruft der Bauleiter und kommt zu uns herüber gerannt. Bei ihm ein paar seiner Leute, einer ist am telefonieren. Völlig überfordert nicke ich einfach, verstehe gar nicht wirklich was gerade passiert ist. 

Julian legt seinen Arm sanft um mich, hält mich fest. 

"Kommen Sie. Setzen Sie sich erst einmal", fordert mich einer der Arbeiter auf und deutet auf das Blumenbeet am Rand, mit dem breiten Betonrand. Julian hilft mir herüber und ich setze mich. Irgendjemand reicht mir eine Wasser Flasche, die ich dankend und mit zitternden Händen annehme.

"Wer war das?", fragt der Bauleiter und seine Augen fahren über die Straße. Hilflos zucke ich mit meinen Schultern. Ich habe keine Ahnung wer das war. Wer sollte auf mich schießen?

"Geht es dir gut? Haben sie dich verletzt?", fragt Julian besorgt, seine Hand legt sich an meine Wange und er mustert mich aufmerksam. Ihm fällt der Schlitz an meinem Oberteil auf, hastig schaut er nach ob auch meine Haut getroffen worden ist. Doch Blut ist nicht zu sehen.

"Ich denke nicht", stottere ich und fahre mir mit meinen Fingern durch die Haare. 

"Die Polizei ist unterwegs", meint der Arbeiter, der eben noch telefoniert hat. Sein Chef bedankt sich kurz bei ihm und schickt einige der Arbeiter wieder weg. 

Nerja // Julian Brandt FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt