Teil 59

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Der Gerichtssaal ist ziemlich ruhig. Ich fasse es immer noch nicht, dass Felix es so weit bringen konnte. Wir stehen vor dem Gericht um mit Julian zu streiten. Er wird ernsthaft wegen schwerer Körperverletzung und Kindesentführung angezeigt und ich kann nichts tun als hilflos dabei zuzusehen. 

"Herr Brandt, haben Sie noch etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen?", wird Julian, besser gesagt sein Anwalt, gefragt. Ich hatte keine Ahnung, dass das hier alles so dreckig werden kann. Felix Anwalt, oder unserer, hat alle Beweise vorgelegt. Julian hat sie ausgeschlagen. Aber trotzdem sieht es für ihn gerade schlecht aus und die Gegenklage macht alles nur noch komplizierter.

Am liebsten würde ich etwas tun, doch ich fühle mich schwach. Abgesehen davon, dass ich wegen Felice sowieso nichts tun kann, geht es mir wirklich nicht gut. Meine Konzentration ist so gut wie überhaupt nicht vorhanden. Mir ist warm, mein Kreislauf lässt mich etwas hängen.

Was immer Felix mir da vorhin gegeben hat, es war definitiv um mich ruhig zu stellen. Und genau das hat er bekommen. Ich habe, seit wir den Gerichtssaal betreten haben, nicht ein Wort gesagt und muss mich unfassbar um Konzentration bemühen. 

"Allerdings. Wir würden gerne noch weitere Zeugen hinzuziehen", verkündet Julians Anwalt.

"Einspruch! Es gab bereits die Möglichkeit Zeugen zu befragen. Diese Gelegenheit ist verstrichen", wendet unser Anwalt ein und springt von seinem Platz auf. Der Richter schaut fragend zu Julians Partei herüber. Schließlich weiß auch ich, dass die Chance verstrichen ist.

"Diese Zeugen werden Aussagen tätigen, die von schwerem Gewicht für ein Urteil sein könnten. Es handelt sich um enge Vertraute des Ehepaares Götze. Sie werden es nicht bereuen diese Zeugen angehört zu haben", redet Julians Anwalt auf den Richter ein und nach einem kurzen Moment der Stille nickt er dann.

Ich höre wie die große Tür aufschwingt und auch wenn ich nicht mehr ganz anwesend bin, sehe ich wie zwei Personen den Saal betreten.

Als ich sehe wer es ist, bleibt mir beinahe das Herz stehen. Einerseits bin ich wahnsinnig überrascht, habe nicht damit gerechnet einen der beiden hier zu sehen. Gleichzeitig bin ich aber auch unfassbar erleichtert sie zu sehen. Sie sagen für Julian aus, ihre Stimme wird Gewicht haben und vielleicht wird doch noch alles gut.

Ein Lächeln erscheint auf meinen Lippen, als mich meine Schwester direkt anschaut. Ich spüre wie eine Träne über meine Wange läuft und habe das Gefühl mein Kopf ist plötzlich wieder frei. Als hätte nichts mehr eine Wirkung auf mich und als wäre der Anblick meiner Schwester meine Rettung. Zu lange habe ich sie nicht mehr gesehen. Felix hat die Distanz zwischen uns bewahrt. 

Auch ihre Augen glänzen auf und nur mit Mühe geht sie weiter, löst ihren Blick wieder von mir. Meine Augen verfolgen sie, bohren sich beinahe in ihren Rücken und mein inneres Ich schreit sie an, mir zu helfen. Mich irgendwie hier raus zu holen.

Als ich dann bei Fabian hängen bleibe verschnellert sich mein Herzschlag. Der älteste Götze Bruder ist schon vor Jahren aus unserem Leben verschwunden. Ich kannte nie die Gründe, sondern habe mich irgendwann einfach damit abgefunden. Fabian hatte ich immer sehr gerne. Zwar fällt mir nichts ein was er vorbringen könnte, aber ich bin auf seine Aussage sehr gespannt.

Mir entgeht nicht wie sich der Mann neben mir anspannt, seine Hand legt sich auf mein Bein, drückt schmerzhaft zu und als ich zu ihm herüber schaue sehe ich seinen angespannten Kiefer. Wir wissen beide, dass es vermutlich zu Julians Vorteil ist, wenn meine Schwester hier eine Aussage macht. Was Fabian erwirken soll, weiß ich nicht.

"Das sind Frau Dubois, die Schwester von Frau Götze, und Herr Fabian Götze, der Bruder von Herrn Götze", stellt Julians Anwalt die beiden vor und ich beiße mir angestrengt auf die Unterlippe, schaue meine Schwester mit Tränen in den Augen an. 

Nerja // Julian Brandt FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt