TEIL FÜNF

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Die restlichen Fahrt verlief gestern schweigend, denn ich wusste nicht so recht was ich sagen sollte.  Schließlich habe ich Alena bei ihrer Schwester abgesetzt bevor ich nach Hause gefahren bin. Da sie heute natürlich auch zum Spiel muss, habe ich ihr angeboten sie wieder mitzunehmen. Es ist gerade zehn Uhr und ich stehe vor dem Spiegel um Badezimmer um meine Haare zu machen. Nach mehreren Anläufen schaffe ich zwei halbwegs symmetrische Zöpfe zu flechten. Zufrieden schlendere ich in die Küche und mache mir ein leichtes Frühstück und natürlich einen leckeren Kaffee. Ohne den geht wirklich gar nichts mehr bei mir. Während ich esse, checke ich meine Nachrichten und sehe das mir Tabea geschrieben hat. Frustriert lese ich, dass sie heute nicht beim Spiel dabei ist weil sie krank geworden ist. Eine mit einigen weinenden Smileys und gute Besserungswünsche versehende Nachricht schreibe ich ihr und bin enttäuscht, dass wir uns heute nicht wiedersehen. Natürlich kann sie nichts dafür aber trotzdem ist es schade. Durch den normalen Alltagsstress schaffen wir es uns nur noch selten zu treffen. Eine weitere ungelesene Nachricht fällt mir ins Auge, sie ist von Kevin: "Hole dich heute Abend gegen 17Uhr ab. Keine Ausrede" Ich verdrehe die Augen und antworte: "Spiele erst gegen 14:30Uhr. Komme dann nach." Als ob er meine Antwort geahnt hätte, kommt sofort eine weitere Nachricht: "Gibt keine Ausreden!!! Du kommst entweder direkt hin oder ich hole dich" Ich antworte nur mit einem "Jaja" und mache dann mein Handy aus. Die Jungs hatten gestern bereits gegen Gladbach mit 2:0 gewonnen und sind damit mal wieder den Münchener auf den Fersen. Nur 1 Punkt trennen die beiden Mannschaften und es sind nur noch zwei Spieltage bis zum Saisonende. Ausgerechnet am letzten Spieltag würde auch noch das große Derby stattfinden und wenn Dortmund nächste Woche gewinnt, kommt es dann tatsächlich zum Endspiel um die Meisterschaft.

Als ich fertig gegessen habe, räume ich ab und begebe mich ins Schlafzimmer. Dort packe ich meine Sporttasche mit allem notwendigen für den Spieltag ein und suche mir dann noch ein Outfit für den Abend raus. Ich bin mir ziemlich sicher wenn ich nicht direkt vom Spiel zur Gartenparty fahren würde, würde ich nicht hingehen. Alles eingepackt ziehe ich den Reißverschluss zu und stelle die Tasche schon einmal in den Flur. Mir bleibt noch ungefähr eine dreiviertel Stunde bis ich mich auf den Weg machen muss und die nutze ich um ein bisschen in Ruhe zu lesen. Ich setze mich also auf die Couch und schlage mein Fachbuch auf. Nächste Woche soll eine schwierige Operation durchgeführt werden wobei ich teilnehmen darf und um einen guten Eindruck zu hinterlassen, möchte ich mich ausführlich vorbereiten. Innerlich hasse ich mich manchmal für meinen Perfektionismus und dafür jetzt so etwas zu lesen anstatt einfach mal mich zu entspannen. Ich könnte auch einfach mich von dem Trash des Fernsehens berieseln lassen und den Fokus auf das spätere Spiel legen aber nein, ich denke mal wieder an den Job.

Ich vertiefe mich etwas zu sehr ins Buch und muss mich schließlich beeilen zu Alena zu kommen. Mit nur fünf Minuten Verspätung komme ich vor der Wohnung ihrer Schwester an. Sie steigt ein und wir begrüßen uns. Dann steuere ich das Auto in Richtung Essen. ,,Wie war dein Abend gestern mit den Kindern?" Fange ich ein Gespräch und sie antwortet: ,,Die Beiden sind ziemlich schnell ins Bett gegangen und ich habe einen einfachen Job gehabt. Und hast du noch was gemacht?" ,,Nee, ich war ziemlich müde und bin fast direkt ins Bett gefallen. Deswegen bin ich aber auch fit für heute und freue mich aufs Spiel." ,,Ich mich auch total. Wir haben ja auch nicht mehr viele Spiele bis zum Saisonende." ,,Stimmt nur noch nächste Woche gegen Sand und danach gegen Wolfsburg." Stelle ich fest und bin etwas erschrocken wie schnell die Zeit schon wieder vergangen ist.

Wir reden noch eine Weile über das Spiel und analysieren ein wenig unsere Gegnerinnen. Als wir dann endlich am Sportplatz ankommen, steigt bei mir meine normale Nervosität die mich immer vor einem Spiel begleitet. Wir steigen aus und gehen auf das Stadion zu. In der Kabine treffen wir bereits auf den Großteil der Mannschaft. Auf jedem Platz liegen bereits die Trikots bereit und wir ziehen uns um. Mit etwas Verspätung, aber für ihre Verhältnisse sehr pünktlich, kommen auch unsere Kücken an. Fertig umgezogen betritt unser Trainer die Kabine und erklärt uns die Aufstellung und Taktik für heute. ,,Ich möchte das ihr euch den Arsch aufreißt. Wir müssen heute kämpfen und beißen. Macht es den Gegnern so schwer wie möglich. Wer nicht kämpft kommt raus. Gebt 120% oder lasst es." Beendet er seine Ansprache und schickt uns aufs Feld zum warmmachen. ,,Na der hat ja wieder super Laune." Raunt mir Melli zu, als wir durch den Flur zum Rasen gehen. ,,Ja, hat wohl wieder schlecht geschissen." Sage ich und wir müssen lachen.

Kaum haben wir den Rasen betreten, ertönt direkt leises Klatschen von den Rängen. Besonders voll ist das Stadion noch nicht, aber ich denke bei dem Gegner werden noch einige dazu kommen bis zum Anpfiff. Konzentriert beginnen wir uns warm zu machen und in meinem Kopf ist nur noch das Spiel. Nach kurzer Zeit kommen auch die Postdamer auf den Platz und machen sich ebenfalls warm. Ich merke wie die Anspannung bei allen wächst.

Kurz vor Anpfiff verschwinden wir noch einmal in der Kabine und wechseln das Aufwärmshirts gegen die Trikots. Dann gibt es noch eine kurze Motivationsrede unserer Kapitänin und wir stellen uns auf zum einlaufen. Ich begrüße und drücke kurz ein paar der Turbine Mädels bevor meine ganze Konzentration dem Spiel gilt. Das Schiedsrichter-Trio führt die beiden Mannschaften auf den Rasen und wir stellen uns in einer Reihe auf. Wir winken unseren treuen Fans zu, die mittlerweile zahlreich auf der Tribüne sitzen. Zwischen all den Zuschauer erkenne ich auch vier bekannte Gesichter. Mats, Marcel, Jenny und Kevin. Ich muss leicht schmunzeln und wende meinen Blick ab. Wir klatschen mit den Gegnerinnen ab und stellen uns nach der Seitenwahl auf.

Das Spiel beginnt und sofort werden wir von den Gegnern unter Druck gesetzt. Wir haben Mühe dagegen zu halten und kommen nur sehr schwer ins Spiel. Mit Mühe verhindern wir den frühen Gegentreffer und schaffen es immer mehr auch mal selbst einen Angriff zu starten. Als eine Mitspielerin kurz hinter der Mittellinie gefoult wird, nutzen wir unsere Chance und starten einen gefährlichen Angriff aufs gegnerische Tor zu starten. Durch ein schnelles Passspiel kommen wir gefährlich nah vors Tor und ich erziele den ersten Treffer. Kurz darauf pfeift die Schiedsrichterin zur Pause und wir können ein wenig durch atmen. Zur Halbzeitansprache versammeln wir uns in der Kabine und unser Trainer zieht ein erstes Fazit: ,,Bisher gefällt mir das Spiel ganz gut. Wir haben unsere einzige Chance genutzt und so muss es weiter gehen. Haltet weiter dagegen und dann werden wir hier vielleicht sogar die drei Punkte behalten." Wir klatschen und feuern uns noch einmal an. Dann schnaufen wir noch einmal durch und begeben uns dann auf den Platz zur zweiten Halbzeit. 

Die zweite Hälfte beginnt wieder ziemlich umkämpft. Beide Teams schenken sich nichts. Wir kämpfen um jeden Ball und werfen uns in jeden Ball. Die Gegnerinnen allerdings genauso und so kommt es zu der ein oder anderen brenzligen Situation. Insgesamt sind wir auf Augenhöhe mit den sonst stärkeren Mädels aus Potsdam. Der dauerhafte Kampf zerrt sehr an den Kräften auf beiden Seiten und in den letzten Minuten ist es echt nur noch ein gestochere um den Ball. Als die Schiedsrichterin dann letztendlich abpfeift bin ich froh das wir es geschafft haben.

Wir haben ein sehr starkes Spiel gemacht und haben den Kampf mit dem 1:0 gewonnen. Wir klatschen mit den Gegnerinnen ab und ich unterhalte mich mit ein paar noch ein wenig. Im Anschluss folge ich dem Großteil meiner Mannschaft in die Kabine, wo wir den Sieg noch ein wenig feiern. Relativ bald aber stelle ich mich unter die Dusche und lasse kaltes Wasser meinen aufgeheizten Körper runterlaufen. Das tut mehr als gut. Ich dusche ein bisschen länger als sonst und ziehe danach meine Klamotten für die Grillparty an. Zwischendurch schaue ich kurz auf mein Handy und sehe eine neue Nachricht von Kevin: "Super Spiel. Wir sehen uns dann gleich auf der Party :)" Ich verdrehe grinsend die Augen und Kimi fragt von der Seite: ,,Was gibt es den da zu grinsen? Du siehst so schick aus, hast du ein Date?" Sie fragt allerdings so laut, dass die halbe Mannschaft es gehört hat. Somit liegen viele Augen auf mich. Ich lache und antworte: ,,Nein, ich bin nur auf einer Grillparty eingeladen." ,,Und da gibt es jemand den du gut findest?" Fragt sie weiter und ich verdrehe die Augen. ,,Nein, die Party ist bei meinem Onkel und es kommen nur ein paar Freunde. Mehr nicht und jetzt muss ich leider los." Ich packe meine Sachen zusammen und verabschiede mich dann von den Mädels. Ich verlasse die Kabine und steuere den direkten Weg zum Parkplatz an. Zuerst steige ich in mein Auto ein, bevor ich losfahre und mich auf den Weg zur Gartenparty mache.

(2) Vom Ende zum AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt