TEIL DREIßIG

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In den nächsten Tagen pendelt stellt sich eine neue Routine ein. Ich organisiere meinen neuen Alltag mit der Arbeit, dem Training und den sonstigen Aufgaben. Wir schaffen unser angestrebtes Ziel und auch das erste Saisonspiel gewinnen wir mit einem verdienten 2:0. Die Mädels zeigen einen starken Auftritt und trotz einem weinenden Auge weil ich nur auf der Bank sitzen darf, freue ich mich auf die kommenden Spiele.

,,Was machst du morgen an deinem freien Tag?" Fragt mich Katha nach dem Training und ich zucke nur mit den Schultern: ,,So richtig ist nichts geplant. Am Nachmittag treffe ich mich mit einem Arbeitskollegen und sonst kümmere ich mich um den Haushalt und entspanne einfach mal." ,,Ulala, du triffst dich mit einem Arbeitskollegen. Das ist aber nicht zufällig der schnuckelige Typ mit dem du an der Studie arbeitest, der auch schon mal hier war." Sie wackelt mit den Augenbrauen und bringt uns zum lachen. ,,Ja, genau der. Er hat mich so lange bequatscht bis ich eingeknickt bin." Erkläre ich und sie fragt: ,,Wieso? Was spricht den dagegen?" ,,Eigentlich nichts. Aber wir hatten nicht so den guten Start." ,,Aber du bist Single, er ist Single. Du hast was im Kopf, er hat was im Kopf. Du siehst gut aus, er sieht gut aus. Und wenn es nur ein bisschen Spaß ist." Philosophiert sie und ich schüttle den Kopf: ,,Mir ist nicht so nach nur Spaß. Ich schaue einfach mal wie es läuft." ,,Und dann berichtest du mir." ,,Natürlich, du erfährst alles als erstes." Sage ich und man kann meinen Sarkasmus förmlich triefen hören.

Seit Anfang der Woche lief die nächste Phase unserer Studie und dafür werden Befragungen der Studienteilnehmer vorgenommen. Die letzte Woche hat Philip immer wieder klar gemacht, das er mich trotz seines ,,Friedensangebot" nicht besonders viel von mir hält. Hier und da kam mal ein Spruch, die klar macht das er an meine Kompetenz zweifelt. Der absolute Burner war aber als er mir die Grundlagen vom Training und Spiel beim Fußball erklärt hat. Für ihn war es unvorstellbar das ich weiß, welche dauerhafte Belastung sich die Spieler und Spielerinnen während der Saison ausliefern. Da Erklärungsversuche mir sinnlos erschienen sind, habe ich ihn einfach reden lassen. Am Montag sollte er schon während des frühen Trainings mit der Befragung der Mannschaft beginnen. Als Tamara dem Team noch einmal den genauen Ablauf erläutert hat, stand Philip daneben und staunte nicht schlecht als er mich in der Gruppe entdeckte.

,,Du steckst voller Überraschungen." ,,Tja, stille Wasser sind tief." Meine ich nur schulterzuckend und er fragt: ,,Gibt es noch irgendwelche Fettnäpfchen in die ich treten kann bei dir?" ,,Das musst du wohl noch herausfinden. Ich verrate dir nichts, aber vielleicht solltest du nicht immer zu voreingenommen sein." ,,Ich gelobe Besserung." Verspricht er und fragt: ,,Was hältst du davon wenn ich dich als Entschuldigung auf einen Kaffee einlade?" ,,Ich trinke keinen Kaffee, danke." Lehne ich ab. Aber er bleibt hartnäckig und bequatscht mich die ganze Woche bis ich schließlich einknicke. Wir haben uns für morgen in einem Café verabredet und auch wenn ich jede erdenkliche Ausrede durchgegangen bin, bleibt mir wohl nichts anderes übrig als hinzu gehen.

,,Ach komm, gegen ein lockeres Treffen spricht doch absolut nichts." Klingt sich nun auch Sophia ein und ich schüttle den Kopf: ,,Schluss jetzt. Mein nicht vorhandenes Liebesleben geht euch nichts an." ,,Klar, du hast kein Liebesleben. Nur ein Date mit einem heißen Doktor und erwartest ein Kind von einem Fußballgott." Erwidere Sophia und wir lachen. ,,Jetzt lasst uns gehen. Wir sind sowieso schon die Letzten." Beende ich das Gespräch und die Beiden schauen sich verwundert um. Tatsächlich sind wir die letzten Mädels in der Kabine nach dem heutigen Training. Wir packen unsere Taschen zusammen und verlassen wenig später das Gebäude. ,,Dann viel Spaß morgen und wir wollen alles wissen." Verabschieden sich die beiden von mir und ich steige nur kopfschüttelnd ins Auto. Ich atme einmal durch und fahre dann nach Hause.

Pünktlich betrete ich am nächsten Nachmittag das Café in dem ich mit Philip verabredet bin. Von einem Tisch in der Ecke winkt mir zu. Ich steuere auf ihn zu und setze mich ihm gegenüber. ,,Freut mich sehr, das du gekommen bist." Begrüßt er mich und ich sage: ,,Ich war mir nicht ganz sicher ob ich dich nicht einfach sitzen lassen soll." ,,Ej, das wäre aber nicht besonders nett gewesen." ,,Ich weiß und deswegen bin ich ja hier, ich hätte dich ja sowieso spätestens morgen bei der Arbeit gesehen und dann wäre es unangenehm geworden." ,,Da hast du wohl Recht. Aber es gibt doch schlimmeres als mit mir jetzt hier zu sitzen oder?" ,,Wer weiß." Sage ich nur schmunzelnd. ,,Autsch." Sagt er und fast sich gespielt verletzt ans Herz. ,,Und wenn du schon kein Kaffee trinkst, was darf es den für dich sein?" Wechselt er das Thema und ich sage: ,,Gegen eine heiße Schokolade hätte ich nichts." ,,Mit Sahne?" Fragt er nach und ich nicke. Dann steht er auf, um unsere Getränke an der Theke zu holen.

Während er dort wartet, habe ich Zeit ihn zu mustern. Also schlecht sieht er nicht aus, das muss ich mir eingestehen. Zwar hatte er für die Befragung auch schon Alltagkleidung an, aber es scheint als hätte er sich heute etwas schicker gemacht. ,,So, hier ist einmal die Schokolade." Er stellt eine dampfende Tasse mit ordentlich Sahne vor mich. ,,Danke." Sage ich und er setzt sich wieder mir gegenüber. ,,Wie überlebst du eigentlich den Schichtdienst ohne Kaffee?" Fragt er schmunzelnd und nimmt einen Schluck von seinem Getränk. ,,Naja, ich trinke sonst auch schon mal Kaffee sondern im Moment nicht. Und Schichtarbeit habe ich aktuell auch nicht. Ohne Kaffee würde ich das auch echt nicht Überleben." Erkläre ich und er fragt: ,,Warum den aktuell nicht? Gibt es da einen bestimmten Grund?" Ich zucke nur mit den Schultern und fahre mir über den Bauch: ,,Naja, ist halt aus medizinischer Sicht nicht so gut." Spiele ich auf unseren Beruf an. ,,Oh wow, ich wusste nicht das du schwanger bist. Also als wir uns das erste Mal gesehen haben, war ich mir nicht ganz sicher, mit dem Kittel auch schwer zu sagen, vielleicht ist das einfach deine Figur. Aber dann mal herzlichen Glückwunsch." ,,Danke." Sage ich und weiß nicht was ich noch hinzufügen soll. ,,Du steckst echt voller Überraschungen. Du bist Ärztin, spielst Bundesliga-Fußball und bist schwanger." ,,Ja, das fasst es ganz gut zusammen." Sage ich und er fragt: ,,Und was ist mit dem Vater des Kindes? Ich kenne dich nicht lange, aber ich denke nicht das wir hier sitzen würden wenn du vergeben bist, oder?" ,,Äh ja, nein. Ich bin nicht vergeben. Zu dem Vater des Kindes habe ich gerade nicht so viel Kontakt, aber er weiß es und mal schauen was die Zukunft bringt. Ist ein bisschen heikles Thema." Erkläre ich und er nickt. ,,Und was sind deine Geheimnisse? Meine liegen ja jetzt auf dem Tisch." Versuche ich auf ihn zu lenken. ,,Ich habe keine dunklen Geheimnisse so wie du." Meint er nur ich lege meinen Kopf schief: ,,Als ob meine jetzt so dunkel sind. Und es gibt bestimmt etwas was ich wissen sollte." ,,Naja, vor allem sind diene massiv. Immerhin wusste ich nichts von deiner zweiten Karriere und deiner Schwangerschaft." ,,Du lenkst ab." Sage ich und er seufzt: ,,Es gibt echt nichts außergewöhnliches zu wissen. Ich bin 29 Jahre alt, habe in Berlin studiert und bin nach meinem Anerkennungsjahr nach Wolfsburg gekommen. Ich wohne alleine, habe keine Haustiere auch wenn ich gerne einen Hund hätte, aber mit der Arbeit schwierig. Und sonst bin ich ein ziemlicher Familienmensch, die wohnt auch hier in der Umgebung." ,,Und warum ist ein so charmanter Mann alleine?" Bohre ich nach und er zuckt mit den Schultern: ,,Naja, ich habe die Angewohnheit immer ins Fettnäpfchen zu treten bei attraktiven Frauen. Und die meisten geben mir nicht noch eine Chance. Außerdem habe ich meine Prioritäten lange Zeit auf die Arbeit gelegt. Irgendwie hat es halt bisher nicht funktioniert und wie sieht es bei dir aus?" ,,Es ist kompliziert." Sage ich nur und er hebt eine Augenbrauen: ,,Ich bin Fußballfan und jetzt im Nachhinein weiß ich woher ich dich kenne, du warst doch mal mit Marco Reus zusammen, oder?" ,,Ja, wir waren für längere Zeit zusammen und das Ganze ist jetzt ein Jahr her und seitdem hatte ich nicht das Bedürfnis danach jemanden kennenzulernen. Bis auf den kleinen Ausrutscher vor ein paar Monaten habe ich seitdem keinen mehr an mich rangelassen." Erkläre ich und füge hinzu: ,,Du hast mich gegoogelt, oder?" ,,Ja." Sagt er kleinlaut und ergänzt: ,,Nachdem ich dich am Montag beim Training gesehen habe, wollte ich mal wissen was da noch alles ist." ,,Soso und was gibt es noch?" ,,Nichts erwähnenswertes. Von deine Schwangerschaft stand da zum Beispiel auch nichts drin." ,,Das liegt daran, weil das noch absolut privat ist." Sage ich und Philip fragt: ,,Da steht immer was von einer Stoffwechselstörung weswegen du aktuell nicht so leistungsfähig bist. Stimmt das den?" ,,Nein. Das ist quasi die öffentliche Bezeichnung für meine aktuelle Situation. Ich hatte in der erste Zeit mit meinem Kreislauf ordentlich zu kämpfen aber jetzt ist es nur noch Erklärung warum ich immer nur auf der Bank sitze und im Training nicht an allen Übungen teilnehmen kann." ,,Schon smart." Bemerkt er und ich zucke nur mit den Schultern: ,,Irgendwie muss man Gerüchte direkt unterbinden noch bevor sie entstehen."

Wir wechseln anschließend zu allgemeineren Themen und ich merke das er gar nicht so eingebildet ist wie mein erster Eindruck von ihm war. Das Gespräch ist sehr angenehm und wir sind bei vielen Themen auf einer Wellenlänge. Drei Stunden lang unterhalten wir uns ohne das eine unangenehme Stille entsteht.

,,Vielleicht können wir das ja mal wiederholen." Sagt Philip zum Abschied und ich sage: ,,Ja, warum nicht. Wir können ja mal schauen wann es wieder passt. Erst mal sehen wir uns ja morgen schon wieder bei der Arbeit." ,,Stimmt." Dann verabschieden wir uns endgültig und verlassen das Café.

(2) Vom Ende zum AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt