TEIL SECHSUNDZWANZIG

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Was tue ich hier eigentlich? Ist mein erster Gedanken am Morgen. Warum mache ich das? Hinterfrage ich meine Entscheidung erneut. Eigentlich weiß ich das es richtig ist und genau das was ich will, aber die Zweifel aus meinem Inneren kann ich nicht ganz unterdrücken. Quasi einen Neuanfang würde ich heute bestreiten. Ohne jemanden festes an meiner Seite würde ich in dieses Abenteuer starten und wusste nicht so ganz was ich mir da eingebrockt hatte. Ich wollte immer schon zu einem der Top-Clubs gehören und auch auf internationale Clubebene spielen aber dennoch nicht mit diese Situation. Ich würde erst einmal aussetzen müssen und wer weiß ob ich danach wieder zu alter Stärke finden werde? Was würde ich machen wenn ich hier alle Zelte abbreche und dann in einem Jahr merke das ich gescheitert bin? Das ich dann in einer fremden Stadt mit Kind mit gescheiterter Karriere stehen würde. Zurück würde ich mich nicht trauen, dafür wäre ich zu stolz. So sehr ich den Job als Ärztin mag, aktuell kann ich mir den einfach nicht als einzigen Lebensinhalt vorstellen. Ganz davon abgesehen, dass ich mich absolut nicht als Mutter sehe. Meine war mir nie sehr zugewandt und ich habe eine heiden Angst genauso zu versagen wie sie es getan hat. Oder auch wenn ich zurück kann in den Sport aber dafür das Kind was dann sein wird nicht gerecht werde. So viele Wenn's und Aber's und die einzige Antwort kann mir die Zukunft geben.  

Frustriert seufze ich auf und quäle mich von der Couch. Gemütlich zum sitzen ist sie allemal aber zum schlafen absolut katastrophal. Da aber Marcel und Gregor Wort gehalten haben und somit alle Möbel inklusive Bett bereits gestern abgebaut wurden, blieb mir nix anderes übrig. Zwar hatte Gregor mir das Gästezimmer angeboten aber ich hatte dankend abgelehnt. Mir war es sowieso schon unangenehm einige Jungs fragen zu müssen, mir beim Verladen der Sachen zu helfen weil ich nicht so viel heben durfte. Sie hatten natürlich alle überhaupt kein Problem damit und würden auch schon in einer halben Stunde hier sein. Im Badezimmer versuche ich mich mit ein wenig kaltem Wasser frischer aussehen zu lassen. Bei einem Versuch bleibt es allerdings auch, die nur vier Stunden heute Nacht sieht man mir immer noch an. Bevor ich mir aber noch mehr Gedanken über mein katastrophales Erscheinungsbild machen kann, klingelt es an der Tür. Etwas überrascht stelle ich fest, dass es für die Jungs noch zu früh ist. Ich drücke trotzdem auf dem Summer und öffne die Wohnungstür. 

Überrascht schaue ich Marco an, der die Treppen hochkommt. ,,Äh, Hi." Mehr bekomme ich nicht raus. ,,Hey, ich dachte vielleicht solltest du was frühstücken bevor es gleich los geht." Sagt er und hält eine Brötchentüte hoch. ,,Danke, das wäre doch nicht nötig gewesen." Sage ich und lasse ihn rein. ,,Ich weiß. Aber ich wollte noch mit dir reden bevor in einer halben Stunde die Anderen kommen." Erklärt er und geht in die Küche, nur um festzustellen das dort kein einziger Stuhl mehr zu finden ist. ,,Ich habe eigentlich nur noch das Sofa zum sitzen." Sage ich und er nickt. So sitzen wir kurz darauf auf der Couch und ich nehme mir ein Käsebrötchen aus der Tüte. ,,Was wolltest du den bereden?" Frage ich ihn und er sagt: ,,Darüber wie es weiter gehen soll. Ich meine du ziehst jetzt einfach nach Wolfsburg. Das ist ja auch nicht mal eben um die Ecke." ,,Ich weiß nicht was es da groß zu bereden gibt. Ich ziehe heute um. Morgen habe ich die erste kleine Einheit mit der Mannschaft und am Montag beginne ich meinen neuen Job im Krankenhaus. Alles wird seinen Gang nehmen und dann geht es so weiter wie bisher." ,,Ist das dein Ernst?" Fragt er mich und sieht mich stirnrunzelnd an. ,,Ja, wieso?" Frage ich und er schüttelt den Kopf: ,,Du bist schwanger, Emma. Glaubst du nicht das es da noch einige ungeklärte Fragen gibt? Wie ist das mit Elternzeit? Wie gestaltet sich das Training aktuell und unmittelbar nach der Schwangerschaft?" Er sieht mich ernst an und ich ziehe die Stirn in Falten: ,,Glaub mir, dass ist alles vorüber ich fast dauerhaft nachdenke. Aber ich mache jetzt erst einmal einen Schritt nach dem Anderen. Ich bringe jetzt dieses Wochenende über die Bühne und dann kümmere ich mich um alles weitere." ,,Du hast echt noch keinen richtigen Plan. Das ist eine große Sache und nicht mal eben erledigt." ,,Ich weiß." ,,Ach ja? Du weißt das?" Fragt er mich mit einem scharfen Unterton: ,,Für mich klingt dieses ganze Vorhaben komplett übereilt und absolut null durchdacht. Du ziehst jetzt weit weg von deinen Freunden und deiner Familie. Bekommst ein Kind und hast niemand im direkten Umfeld der dir helfen kann. Und allgemein noch nicht weiter geplant als die nächsten drei Tage." 

Etwas erschrocken über seine harten Worte muss ich mich kurz sammeln bevor ich ihm antworten kann: ,,Du glaubst ich habe das alles nicht durchdacht? Natürlich ist es jetzt nicht der beste Zeitpunkt für diesen Wechsel aber wer weiß ob ich nochmal diese Möglichkeit bekommen hätte. Nachdem meine Schwangerschaft bekannt wurde beim Verein, wurde ich vor die Tür gesetzt. Ich hätte mir sowieso etwas neues suchen müssen. Und es war schon immer mein großer Traum auch international zu spielen. Der Wechsel von Potsdam nach Essen war in gewisser Weise ein Downgrade und nun wollte ich noch mal angreifen. Ich habe schon diverse Gespräche mit Kollegen im Krankenhaus geführt wie ich das ganze mit dem aktuellen Umstand am Besten löse. Ich habe vor Ort schon mit der medizinischen Abteilung und mit meiner neuen Chefärztin gesprochen, die Ahnung haben wie man ein Training in der Schwangerschaft gestalten kann ohne dem Körper zu viel zuzumuten oder aber auch zu gefährden. Ich arbeite daran, das alles gut wird. Um so Dinge wie Betreuung mache ich mir erst Gedanken wenn ich letztendlich vor Ort bin, also ab nächste Woche. Da habe ich noch etwa sechs Monate bis das Kind da ist und dann werde ich ja auch erst einmal ein paar Wochen komplett zu Hause bleiben. Ich habe einen Plan. Der ist zwar bisher nur grob aber ich gehe nicht unüberlegt an die Sache. Ja, es ist ein großer Schritt aber was hält mich auf? So viele Freunde habe ich jetzt hier auch nicht. Die Jungs sind gut für einen Umzug aber den würde ich kein kleines Kind anvertrauen und Jenny hat auch mit der Arbeit im Krankenhaus mehr als genug zu tun. Und vielleicht erinnerst du dich, wir haben vor nicht allzu langer Zeit Jürgens Abschiedsparty gefeiert, er zieht nach England. Damit habe ich auch keine Familie mehr in der Nähe. Deswegen macht es am Ende auch kein Unterschied um ich jetzt hier sitze oder in Wolfsburg." Ich beende meinen Monolog und schaue ihn an.

,,Und was ist mit mir?" Fragt er und ich antworte: ,,Was soll mit dir sein?" ,,Du sagst du hast hier keine Unterstützung, keine Familie. Was ist mit mir?" Er wird lauter. ,,Ich bin der Vater des Kindes. Du und das Kind ihr seid jetzt meine Familie. Ich würde dich unterstützen und dir helfen, das wird aber schwierig wenn du abhaust. Außerdem gehörst du damit auch zu meiner kompletten Familie. Meine Eltern würden uns auch helfen und mal aufpassen wenn wir Beide unterwegs sein sollten." ,,Jetzt kommst du damit an?" Frage ich verständnislos. ,,Seit ich dir von dem kleinen Wesen in meinem Bauch erzählt habe, hast du nichts zu mir gesagt. Weder ob du hinter mir stehst oder ob du gar kein Bock auf die ganze Geschichte hast. Und nun Wochen später kommst du an. An dem Tag wo ich umziehe und wirfst mir sowas an den Kopf? Sagst deine Familie würde auch helfen. Weiß die überhaupt schon von deinem Glück das du Vater wirst?" Marcos Gesichtszüge sind ihm während meines kleinen Ausrastet etwas entglitten. Noch bevor er sich rechtfertigen kann, klingelt es erneut an der Tür. Ich stehe schwungvoll auf und prompt gerade ich ins schwanken und mir wird etwas schwarz vor Augen. Zum Glück reagiert Marco schnell genug und zieht mich wieder aufs Sofa bevor ich noch umfalle. ,,Alles gut bei dir?" Ich nicke und sage: ,,Nur zu schnell aufgestanden." ,,Bleib mal noch kurz sitzen, ich lasse schon mal die Jungs rein." Dann steht er auf und eilt zur Tür. Das Klingeln hat sich mittlerweile schon in eine Dauerton verwandelt. Ich stehe diesmal vorsichtiger auf und gehe ebenfalls in den Flur. Marco, Marcel und Kevin kommen gerade die Treppe hoch. ,,Was hat den da so lange gedauert?" Fragt Kevin und fügt dann mit einem Blick auf Marco und mich hinzu: ,,Ach so, ihr wart anderweitig beschäftigt." Dabei wackelt er mit den Augenbrauen. ,,Haha, sehr witzig. Danke das ihr da seid." Sage ich und lasse die Jungs rein. ,,Der große Wagen steht ja schon vor dem Haus, den habe ich gestern abgeholt. Ich hoffe das alles reinpasst aber eigentlich habe ich das alles ausgemessen." ,,Dann bin ich mal gespannt ob das passt." Meint Marcel und ich überhöre seinen Kommentar einfach gekonnt. ,,Am Besten zuerst die Couch und dann die übrigen Möbel. Zum Schluss dann die Kisten drauf und fertig." ,,Das klingt nach wenig aber wenn ich mich hier so umschaue, ist das ja doch noch einiges." ,,Aber je eher wir anfangen desto schneller fertig sind wir." Dann klingelt es wieder und ich lasse noch mal drei Jungs rein. Nachdem ich auch die begrüßt habe, klatsche ich in die Hände und sage: ,,Dann mal los. Viele Hände, schnelles Ende." Ich schnappe mir den Schlüssel für das Auto und schon mal eine kleine Kiste und gehe nach unten. Ich sperre die Türen fest, das sie nicht immer zufallen und öffne die Hecktüren des Transporters. Dann kommt auch schon meine Couch runtergetragen und ich dirigiere die Jungs zum richtigen Abstellplatz. 

Nach und nach bringen die Jungs alles Sachen nach unten und ich bin eigentlich nur damit beschäftigt Tetris zu spielen damit alles reinpasst. Nach zweieinhalb Stunden ist es auch schon geschafft und meine ganze Wohnung ist leer. ,,Wow, danke. Das ging ja echt flott jetzt." Sage ich zu den schwitzigen Jungs.

(2) Vom Ende zum AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt