TEIL ZWEIUNDVIERZIG

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Nach einem sehr schönen Tag verabschieden wir uns am Abend von unseren Freunden und machen uns auf den Heimweg. ,,Und du willst morgen wirklich schon wieder nach Hause fahren?" Fragt mich Marco nach einer Weile und ich sage: ,,Ja, ich muss ja auch mal etwas produktiver arbeiten und Silvester steht ja auch vor der Tür." ,,Mit wem feierst du?" ,,Mit ein paar Mädels aus dem Team.  Und du?" ,,Weiß ich noch gar nicht genau. Wahrscheinlich mit Marcel und Robin oder so." Ich nicke. Wir verfallen wieder in ein schweigen. ,,Was meinst du wann wir uns wiedersehen? Wann ist deine nächste Untersuchung?" Fragt er nach einer Weile und ich überlege kurz: ,,Ich bin ab Januar offiziell im Mutterschutz, dann habe ich zumindest keine festen Arbeitszeiten mehr. Der nächste Vorsorgetermin ist am Sechsten glaube ich." ,,Oh Mist. Wir fliegen schon am dritten nach Spanien. Die Rückrunde beginnt ja schon Ende Januar und wir kommen erst am Neunten wieder. Dann kann ich leider nicht dabei sein." Er klingt sehr bedröppelt. ,,Naja, aber so viel verpasst du ja nicht." Versuche ich ihn aufzuheitern. ,,Aber dann könnte ich den Kleinen mal wieder sehen. Wegen der blöden Champions League habe ich ja schon den letzten Termin verpasst." ,,Freu dich doch das ihr immer noch dabei seid im internationalen Wettbewerb. Außerdem ist es doch auch nicht so spannend. Ich schicke dir danach ein Foto. Wirklich spannend wird es ja erst wenn der Kleine auf der Welt ist und das dauert hoffentlich noch ein bisschen." Ich streiche über meine Kugel und seufze. Sosehr ich mich auf den Kleinen freue, um so mehr freue ich mich wenn es geschafft ist. Wenn er putzmunter auf da ist und alles seinen weiteren Gang gehen kann. ,,Vielleicht kann ich mir ja ein paar Tage freischaufeln wenn er da ist und wenn Länderspielpause ist, komme ich auch definitiv vorbei." Überlegt er und ich sage: ,,Und solange ich noch nicht wieder trainieren kann, werden wir auch einfach dich besuchen kommen. Dann kannst du die Trainingsfreie Zeit mit deinem Sohn verbringen und dir von ihm die Nächte ruinieren lassen." ,,Das klingt so negativ." Lacht Marco und ich sage: ,,Naja, ich denke es wird schon eine anstrengende Zeit werden wenn die Nächte zuerst so unruhig sind aber deswegen werde ich mich in deinem Gästezimmer einquartieren damit du auch etwas davon hast. ",,Und selbst das werde ich genießen. Denn wir beiden bekommen ein Kind. Ich kann das manchmal immer noch nicht glaube." Lächelt er und ich sage: ,,Glaub mir, ich auch nicht. Doch dann bewege ich mich und merke das Zusatzgewicht das ich mit mir rumschleppe. Da ist es wieder realer auch wenn ich nicht glaube das da ein kleiner Mensch heranwachsen soll." Wir lachen. Dann erreichen wir Marcos Haus und ich bin froh wieder ins Warme zu kommen. Zwar hat es ab dem Nachmittag nicht mehr geschneit aber dennoch ist es alles andere als warm. 

Denn restlichen Abend verbringen wir mit einem Film bevor wir ins Bett gehen. Nicht nur körperlich sondern auch mental haben mich die vergangen Tage sehr gefordert und ich bin froh endlich im Bett zu liegen. Es dauert nicht lange da bin ich auch schon eingeschlafen.

Am nächsten Morgen werde ich gegen neun Uhr wach. Ich stehe auf und strecke mich erst einmal. Ich suche mir gemütliche Klamotten aus meiner Tasche und packe die Sachen der letzten Tage wieder ein. Mit der Tasche gehe ich nach unten. Da ich aus der Küche schon Geräusche vernehme, stelle ich meine Tasche im Flur ab und folge dem Duft von Pancakes. Tatsächlich steht Marco am Herd und scheint Frühstück vorzubereiten. Dabei summt er das Lied aus dem Radio mit. ,,Guten Morgen." Sage ich und er zuckt erschrocken zusammen. ,,Guten Morgen." Erwidert er und fügt hinzu: ,,Ich habe dich gar nicht kommen hören." ,,Du warst auch sehr in deinem Lied vertieft." Sage ich schmunzelnd. ,,Setz dich doch schon mal, das Frühstück ist fast fertig." Marco deutet auf den bereits gedeckten Tisch und ich setze mich auf einen der Stühle. Ich beobachte ihn bei seinem werkeln und stelle fest, das es gekonnter aussieht als noch zu unseren Beziehungszeiten. ,,Tada." Verkündet Marco: ,,Da wären die Pancakes, Saft, Brötchen  mit Belag und Rührei." ,,Das sieht toll aus. Danke." Sage ich und lächeln ihn an. ,,Ich hoffe die Pancakes sind was geworden. Die sehen zwar ganz gut aus, aber beim Teig bin ich mir nicht so sicher." Vielleicht hat sich doch nicht so viel geändert. ,,Dann testen wir das doch mal." Meine ich optimistisch und nehme mir einen auf den Teller. Ich schneide ein Stück ab und probiere. Okay ich nehme des ein weiteres Mal zurück. ,,Also da du nicht direkt vom Stuhl gekippt bist, nehme ich das als positives Zeichen?" Fragt Marco unsicher und antworte: ,,Der ist lecker. Kann man definitiv essen." Nun schnappt er sich auch einen und probiert: ,,Das sind die bisher besten die mir gelungen sind." Ich lache. Wir verfallen in ein gefräßiges Schweigen bis Marco fragt: ,,Wann wolltest du zurück fahren?" ,,Ich wollte nach dem Frühstück los. Dann kann ich ganz entspannt im hellen fahren." Erkläre ich und er nickt. Dann schweigen wir wieder.

Als wir aufgegessen haben räumen wir zusammen den Tisch ab. ,,Danke für das leckere Frühstück." ,,Immer wieder gerne." Sagt er und lächelt. Wir stehen nebeneinander an der Arbeitsplatte und schauen uns in die Augen. In mir kommt das Gefühl einer gewissen Spannung auf und ich reiße mich los aus dem Augenblick, bevor ich noch etwas unüberlegtes tue. Etwas hastig verlasse ich die Küche und gehe wieder in den Flur. Mit einem kleinen Abstand folgt mir Marco und stellt fest: ,,Du hast ja schon gepackt." ,,Ja, ich hatte ja nicht viel. Ich habe einfach alles in die Tasche geschmissen. Zuhause muss ich sowieso waschen." Er nickt nur. Nach meiner Jacke, schlüpfe ich in meine Schuhe und versuche mich zum zubinden zu bücken. ,,Lass ruhig." Hält mich Marco auf und kniet nieder um mir die Schleifen zu binden. ,,Ich fühle mich so unbeweglich." Meine ich frustriert nachdem ich mich bedankt habe. ,,Das wird auch wieder besser. Und so schlimm ist es auch wieder nicht." ,,Ich würde dich gerne mal mit so einer Kugel sehen." Gebe ich zurück und bringe und damit zum lachen. Marco erhebt sich wieder und steht nun ganz nah vor mir. ,,Fahr vorsichtig und pass auf euch auf." Sagt er und flüstert seine Worte beinah. ,,Du auch und komm heile ins neue Jahr und durchs Trainingslager." Gebe ich zurück und er sagt: ,,Werde ich." Wieder schauen wir uns tief in die Augen und ich versinke in Ihnen. Schon immer haben mich seine Augen fasziniert doch jetzt lasse sie mich nicht mehr los. Unsere Köpfe nähern sich wie in Zeitlupe und ich kann nicht verhindern das ich mir auf die Unterlippe beiße. Dann ist es soweit und unsere Lippen berühren sich. Nur leicht und zaghaft aber dennoch sorgt die Berührung für eine Explosion in meinem Bauch. Die ganzen Schmetterlinge von damals und auch die neuen von heute scheinen mich auf einmal regelrecht zu durchfluten. Diese Gefühlsexplosion trifft mich so unvorbereitet das ich zurück strauchle. Ich wusste das ich noch immer etwas für ihn empfinde aber das es mich so hart trifft hätte ich nicht gedacht. 

,,Ich muss dann los. Wir sehen uns." Bringe ich nur gepresst hervor und öffne die Tür um das Haus zu verlasse. Marco steht wie versteinert im Flur. ,,Machs gut Marco." Sage ich zum Abschied und verlasse endgültig sein Haus. Mit schnellem Schritt gehe ich auf mein Auto zu. Ich schmeiße meine Tasche auf den Rücksitz und lasse mich auf den Fahrersitz fallen. Mit zittrigen Fingern stecke ich den Schlüssel ins Schloss, starte das Auto und fahre los. Erst als Marcos Haus außer Sichtweite ist, kann ich wieder durchatmen. Ich versuche meine Gedanken zu sammeln und mir klar zu machen was gerade passiert ist und was die eigentliche Situation ist. Marco ist hier. In Dortmund. Ich bin bei mir. In Wolfsburg. Wir bekommen ein Kind. Wir sind kein Paar. Mehr. Ich brauche einige tiefe Atemzüge bis sich mein Herzschlag etwas beruhigt hat. Während der langen Fahrt nach Hause versuche ich meinem Hirn und vor allem meinem Herz klar zu machen was Sache ist. Wo wir bisher standen und wo wir eigentlich auch immer noch stehen. Das Marco nichts gesagt hat und nur geschockt da gestanden hat während ich gegangen war, ist mir genug. Für ihn war es scheinbar zu viel Kontakt, wir sind ja nur "Freunde". Oder besser gesagt Ex-Partner die mehr oder weniger jetzt Freunde geworden sind obwohl der eine den anderen nie mehr wieder sehen wollte aber nun muss weil sie ein Kind zusammen bekommen. Ich kann nicht verhindern das mir ein paar einzelne Tränen über die Wangen laufen aber je länger ich unterwegs bin um so mehr richtet sich meine Haltung wieder auf und als ich schließlich vor meinem Wohnhaus ankommen bin ich mir sicher: das war nur ein Ausrutscher. 

Ich steige aus und schaue auf mein Handy: ,Sag bitte Bescheid wenn ihr gut angekommen seid'lese ich von Marco. ,Sind gut angekommen.' antworte ich knapp und atme noch einmal durch. Wenn wir nicht drüber sprechen dann ist es auch nie passiert. Marco will scheinbar nicht drüber sprechen und ich möchte auch kein unangenehmes Gespräch führen weil es ihm wohl nicht so ging wie mir. Wie heißt es doch so schön. Krone richten - weiter machen und das werde ich tun.

(2) Vom Ende zum AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt