Wiederkehrender Albtraum

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Noch etwa bis ein Uhr saß Clary in Jace' Zimmer und ging mit ihm einige Schmöker durch, die sie sich in der Bibliothek zusammengesucht hatten. Alec und Izzy waren längst schlafen gegangen. Der alte Hodge sowieso. Sie saßen gemeinsam auf Jace' Bett, den Rücken an die Bettkante gelehnt und einen Stapel Bücher vor sich.

"Ich weiß nicht, ob die Institutsbibliothek über ausreichend Material verfügt, um herauszufinden, unter welchen Umständen ein Vampir ins Tageslicht treten kann", sagte Jace. "Wir haben schon fast alle Bücher, die in Frage kämen, durch, und noch nichts gefunden."

"Bitte lass uns doch die letzten noch durchgehen", bat Clary und klappte das Buch zu, in dem sie gerade gelesen hatte. Auch kein Treffer.

Jace seufzte. "Na gut. Aber danach sollten wir wirklich schlafen. Morgen müssen wir früh raus."

Clary nickte geschlagen. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie übermüdet sie am nächsten Tag beim Training sein würde. Allein der Ausflug zu Hotel Dumort hatte sie so dermaßen mitgenommen, dass sie schon kaum noch aufrecht stehen konnte. Aber es würde sie zu sehr plagen, ohne wenigstens ein Fünkchen Wissen ins Bett zu gehen. Also unterdrückte sie ein Gähnen und schnappte sich ein weiteres Buch vom Stapel. Zum Glück war es das Drittletzte. Leider auch das Drittletzte, in dem sie auf Antworten hoffen konnten. Und als sie in diesem beim Überfliegen nichts Ausschlaggebendes finden konnte, sank ihre Hoffnung endgültig. Verzweifelt ließ sie ihren Kopf gegen die Holzlehne des Bettes sinken. 

Ihre Augen schweiften durch den Raum. Jace' Zimmer war im Vergleich zu ihrem ziemlich dunkel, selbst am Tag. Die Fenster mussten wohl zur Nordseite zeigen. Kein Wunder, es lag am Ende des Flurs. Außer den vielen Regalbrettern gefüllt mit Büchern war das Zimmer nicht sehr charakteristisch. Bis auf die penible Ordnung natürlich. Es war seltsam. Wüsste Clary es nicht, hätte sie Jace nie für so ordentlich gehalten. Er war in vieler Hinsicht überraschend. Auch jetzt gerade. Er hatte sich nicht einmal beklagt, die vielen Wälzer zu durchblättern, ganz im Gegenteil, es war sogar seine Idee gewesen. Entweder war er also sehr hilfsbereit oder wissbegierig. Welche anderen Ziele sollte er verfolgen?

Clary merkte, wie sie es sich auf dem Bett immer bequemer machte. Sie versuchte sich wachzuhalten, indem sie die Kerze auf dem Nachtschrank fixierte. Sie könnte ja schlecht die Nacht in Jace' Bett verbringen. Sie trug nur ein einfaches Nachthemd und trotz der Größe des Schlafplatzes würde sie Jace sehr nahe liegen.

Jace schien derweil wohl etwas Empörendes in einem Buch gefunden zu haben, denn er schmollte pikiert und begann, den Inhalt wiederzugeben. "Die Vampire seien laut Mundies die am meisten von Sagen und Mythen umwobenen Kreaturen, außerdem hätte kein Geschöpf sonst so viel Aufmerksamkeit entgegengebracht bekommen. Ihre Kräfte variierten nach Erzählung, so könnten sie beispielsweise senkrecht Wände hinaufgehen, sich unsichtbar machen oder sich in andere Gestalten wie Fledermäuse oder Wölfe verwandeln. Das ist ja lächerlich!"

Clary lächelte belustigt und beugte sich über die aufgeschlagene Seite. Leider verschwammen die Buchstaben vor ihren müden Augen und so gab sie sich geschlagen und legte sich wieder neben Jace. Der las leise weiter und zitierte mit Verbitterung noch einige Zeilen. Seine tiefe, aber jungenhafte Stimme ließ Clarys Augenlider flattern und bald hatte sie es sich neben ihm zurecht gemacht und war eingeschlafen.

In Clarys Gedanken waren gerade einmal ein paar Minuten vergangen, in Wirklichkeit vermutlich Stunden, da suchte sie ein unheimlicher Traum heim.

Sie lag in ihrem Bett im Feenreich, wie sie es gewohnt war, da schlichen leise Stimmen um sie herum und stapften dumpf durch ihre Gemächer. Die deutlichste Stimme von allen erkannte sie sofort. Einige andere waren ihr ebenfalls bekannt. Jemand nahm ihren Arm und drückte ihn fest. Dann spürte sie einen lokalen Schmerz in ihrer Armbeuge, etwas Spitzes pikste sie und drang in ihre Adern ein. Es dauerte eine Weile, bis der Schmerz verging und nur noch ein lähmendes Gefühl zurückblieb. Jemand sprach unbekannte Worte und der Schmerz verging vollkommen. Dann räusperte sich jemand, einige Stimmen tuschelten und dann war Clary allein. Sie konnte ihre Augen nicht öffnen, um den Stimmen nachzusehen, sie konnte sich nicht einmal bewegen. Doch dann schmiegte sich etwas Warmes und Angenehmes an sie und erweckte sie. Neben ihr lag Jace.
"Jace", sagte Clary zu ihm. "Jace, was war das?"
"Was war was?"
"Die Stimmen und der Schmerz, Jace."
"Clary, welcher Schmerz? Welche Stimmen?"

Etwas rüttelte Clary sanft wach. Sie fühlte sich taub und kalt und die fremden Hände brannten an ihrem Körper. Sie versuchte die Augen zu öffnen. Kurz glaubte sie, es ginge nicht, doch natürlich tat es das. Wieso sollte sie ihre Augen nicht öffnen zu können?

Über ihr kniete Jace. Seine blonden Haare hingen herunter und seine Augen leuchteten in der Dunkelheit golden. "Clary, was ist los?", fragte er.

Clary wischte sich über die Augen. Sie erinnerte sich an den Traum. Es war alles so klar wie eine Erinnerung und sie wusste, dass der Traum kein neuer war.

"Ich habe schlecht geträumt", sagte sie. "Du erinnerst dich an den Albtraum über das Feenreich? Als Leute in meine Gemächer kamen und mich angriffen? Da war so ein ungeheuerlicher Schmerz in meinem Arm, als würde ich Blut verlieren."
Sie schüttelte sich. Wieso kehrten ausgerechnet die schlimmsten Träume wieder zurück? Sie fühlte sich so erledigt, dass sie am liebsten sofort wieder zurück ins Kissen fallen wollte. Doch Jace' Blick hielt sie ab.

"Geht es dir gut? Soll ich dir einen Tee kochen? Oder dich in dein Bett bringen?", fragte er und klang dabei beinahe besorgt. "Ich kriege nämlich langsam den Eindruck, dass deine Albträume ausgerechnet immer auftauchen, wenn ich neben dir liege."

Clary schluckte. Wenn er neben ihr lag. Er meinte es nicht ernst, aber trotzdem spürte sie, wie eine Hitze durch ihre Adern sauste und sich in ihren Wangen ausbreitete. Hoffentlich dachte Jace nicht auch noch, sie hätte Fieber.

Sie schüttelte den Kopf. "Nein, danke. Ich finde den Weg schon", sagte sie höflich und kletterte aus Jace' großem Bett. Auf nackten Füßen tapste sie durch das dunkle Zimmer und war froh, den Ausgang zu finden, ohne sich irgendwo zu stoßen. Selbst bei einem ordentlichen Zimmer wie Jace' hätte sie es sich zugetraut, sich mindestens einen gebrochenen Zeh zuzuziehen.

Als sie durch die Zimmertür schlüpfte, warf sie noch einen letzten Blick in Jace' Richtung. Der saß aufrecht auf seinem Bett und starrte ihr hinterher, vielmehr konnte sie nicht erkennen. Doch die Bücher, an denen sie gearbeitet hatten, lagen nun nicht mehr auf dem Bett, sondern auf dem Schreibtisch. Ob er sie weggeräumt hatte, während sie geschlafen hatte? Wieso hatte er sie nicht geweckt, damit sie in ihr eigenes Zimmer kehrte? Mit dieser Frage im Kopf schloss Clary die hölzerne Tür hinter sich und machte sich auf den Weg in ihr eigenes Bett.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 22, 2022 ⏰

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Tanz des Schicksals - Shadowhunters/MalecWo Geschichten leben. Entdecke jetzt