Grünes und rotes Blut

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Wir sprechen in der sogenannten Anderen Welt das Jahr 1997...

Verendete Illusion

Die schwachen Schatten der frühen Abende fielen von der Laterne.

Der beschriebene Mond lag erdrosselt im Papierkorb.

Es war eine Nacht still und leichenkalt.

Ich hob das Blatt wie ein gesunkenes Schiff.

Es hieß Krieg.

~Stefan Schütz

"Rüstet eure Waffen, Krieger. Wir stehen einem Kampf bevor. Bereitet euch vor. Seid allzeit bereit. Nutzt unsere Vorteile."
Alilia und Nerissa, ihre beste Freundin, warfen sich besorgte Blicke zu. Beide von ihnen fürchteten den Krieg. Sie beide hatten zwei kleine Kinder zu versorgen. Falls es zu einem Krieg käme, wären diese in Gefahr.
Alilia drückte ihre Tochter Isabelle, die in ihren Armen eingeschlafen war, noch näher an sich und verstärkte ihren Griff um die Hand ihres Sohnes Alexander. Er war jetzt schon drei Jahre alt und machte sich einen Spaß daraus, an ihrem Umhang zu zupfen. Aber jetzt war keine Zeit zum Spielen. So sehr seine blauen Glubschaugen sie normalerweise auch bezirzten, nun war die Situation zu ernst, um sich ablenken zu lassen.
"Die Nephilim haben von unserem Bund mit dem Kreis erfahren. Falls die Nephilim vorhaben, uns anzugreifen, wird der Kreis uns rechtzeitig darüber in Kenntnis setzen und wir werden sie am Feentor erwarten und in Empfang nehmen." Die Königin setzte ein teuflisches Lächeln auf. "Und falls es zu einem Kampf kommen sollte, wird der Kreis an unserer Seite gegen den Rat kämpfen."

Alilia saß mit Alexander und Isabelle neben Nerissa und ihren Kindern und Vervena und ihrer Ziehtochter Clarissa in der Kinderstube, die von außen bewacht wurde. Zurzeit waren Alilias, Nerissas und Vervenas Kinder die einzigen, deshalb befand sich außer ihnen niemand in der Höhle.
Alexander hatte angefangen zu weinen und versteckte seinen Kopf unter dem Umhang seiner Mutter.
Genau in diesem Moment kämpften die Elbenritter am Eingang zum Feenreich gegen die Schattenjäger. Eigentlich hätte der Kreis der jungen Schattenjäger, angeführt von Valentin Morgenstern, die Königin warnen sollen, doch das hatte er nicht. Genauso hätte er schon längst auftauchen sollen, um den Feenwesen als Verstärkung beizustehen, doch vom Zirkel fehlte jede Spur, so berichteten die Späher.
"Mama, ich will spielen!", jammerte Alexander.
"Hör auf zu quengeln. Das geht jetzt nicht!", wies Alilia ihn zurecht. Ihre Nerven waren schon ohne Alexanders Weinen angespannt genug, sie hatte nicht die Geduld, ihn im Arm zu wiegen und ihm etwas vorzusingen. Ihr Lebensgefährte Gilbert kämpfte in der Anderen Welt am Feentor gegen die Schattenjäger, zusammen mit vielen ihrer Freunde. Die Feenwesen waren mächtig und gute Krieger, aber die Nephilim waren wohl mit Dutzenden von Kriegern angerückt und ihre Runen verschafften ihnen klare Vorteile.
Leider schluchzte Alexander durch ihre harsche Bemerkung nur noch mehr, sodass sie Isabelle aus ihren Armen in das kleine Nest vor ihr legte und ihn hochhob.
"Il y a longtemps que je t'aime. Jamais je ne t'oublierai", summte sie leise in sein Ohr. Sie sang das Lied jeden Abend für Isabelle und Alexander, damit sie einschliefen. Sofort hörte sein Schluchzen auf und er schmiegte sich an seine Mutter.
Doch als vor dem Eingang der Kinderstube ein qualvoller Schrei ertönte, begann Alexander wieder zu weinen. "Mama, was ist das?", fragte er beängstigt.
Alarmiert schreckte Alilia auf, setzte Alexander ab und stellte sich schützed vor ihre Kinder. Nerissa tat es ihr mit Mark und Helen gleich, ebenso Vervena. Zu dritt standen sie vor den fünf Kleinkindern. Es war keine Zeit, um nach einer Waffe zu greifen, denn just in diesem Moment stürmten zwei bewaffnete Nephilim-Krieger hinein.
Die Kinder schrien auf und auch Isabelle, die bisher friedlich geschlafen hatte, erwachte. Sofort riefen die drei Mütter nach Verstärkung, aber die Feenwesen außerhalb der Höhle waren wohl alle abgeschlachtet worden.
Alilias Blick fiel auf die keimende Pflanze zu Füßen der Schattenjäger.
Sie konzentrierte sich auf ihre Magie und ließ sie nach oben wachsen und sich um die Füße der Krieger schlingen. Währenddessen griffen Nerissa und Vervena nach Schwertern, die aus dem Boden emporstiegen. In Notfällen sorgte die Erde im Feenreich für ihre Einwohner.
Einer der beiden Nephilim fiel durch Alilias Werk zu Boden, und die Ranken wanden sich um seine Arme. Doch der andere Schattenjäger drosch mit seinem Schwert auf die Pflanze ein und befreite sich von ihr, bevor sie höher als zu seinen Fußknöcheln wachsen konnte.
Nerissa stieß einen wütenden Schrei aus und stürzte sich auf ihn. Ihre Klinge durchbohrte seinen rechten Oberarm, sodass er seine Waffe fallenließ. Den nächsten Hieb würde Nerissa wohl direkt auf seine Brust zielen. Man sollte nicht den Beschützerinstinkt einer Mutter unterschätzen.
Alilia nutzte den Moment, um ebenfalls nach einem Schwert zu greifen. Sie bevorzugte zwar den Bogen, aber diese Situation erforderte eindeutig eine Nahkampfwaffe.
Plötzlich schrie jemand hinter ihnen. Es waren Helen und Clarissa.
Natürlich drehte sich Nerissa um, wie es jede Mutter getan hätte, um nach ihrem Kind zu sehen. Aber der Schattenjäger nutzte dieses mütterliche Verhalten aus, indem er Nerissa einen Dolch in den Bauch bohrte.
Vervena hingegen, die sich nicht durch Clarissa aus der Fassung hatte bringen lassen - sie war schon immer eine eiserne Kriegerin gewesen und Clarissa war nicht ihre leibliche Tochter -, wich geschickt der durch die Luft sausenden Klinge aus.
Alilia riss ihre Augen vor Schock auf. Der Augenblick verging auf einmal wie in Zeitlupe. Sie sah, wie Nerissa nach hinten fiel. Wie sie im letzten Moment, bevor es zu spät war, ihr Schwert nach vorne stieß und damit den Hals des Schattenjägers aufschlitzte.
Und dann fasste sich Alilia endlich wieder. Sie wirbelte herum, zu ihrer Tochter, ihrem Sohn, Clarissa und den Kindern ihrer besten Freundin, Lady Nerissa, die wahrscheinlich gerade auf dem Boden aufgekommen war.
Alilias Augen blitzten wütend auf, als sie die drei Schattenjäger sah, die die Äste durchbrochen hatten und in die Höhle eingedrungen waren. Sie waren nur noch wenige Meter von den Kindern entfernt, die sich gegenüber von ihnen auf der anderen Seite der Höhle aus Ästen befanden und mit verängstigten Gesichtern zurückwichen. Mark hatte bereits ein Alter von fünf Jahren erreicht, er war also der Älteste. Dennoch würde ihm der kleine Stock, den er sich wohl geschnappt hatte, nicht gegen drei ausgebildete Nephilim helfen.
Alilia stürzte nach vorne, von Wut geleitet, aber immer noch mit der Eleganz einer Elbin. Als sie nah genug am ersten Schattenjäger war, sprang sie nach oben, um seinem Hieb mit dem Schwert auszuweichen, und trennte ihm dabei mit ihrer eigenen Waffe den Kopf ab. Blut spritzte und er fiel zu Boden. Bevor er aufkommen konnte, nutzte Alilia seine Schulter zum erneuten Absprung. Sie flog durch die Luft wie ein Greifvogel, der sich auf seine Beute stürzte. Ihr Schwert hielt Alilia vor sich ausgestreckt, der Schattenjäger vor ihr hatte gar keine Chance, sich auf ihre Attacke vorzubereiten, da stieß sie ihm schon die Klinge ins Herz. Sie landete sicher auf dem Boden, zog ihm das Schwert aus der Brust und schlug damit bloß eine Sekunde später nach dem dritten Krieger, der sich bedrohlich nahe an die Kinder heranbewegt hatte. Sie schlitzte ihm die Wade auf. Glücklicherweise waren die Monturen der Schattenjäger nicht sehr dick, sodass sich die scharfe Schneide durch den schwarzen Stoff bohrte. Alilia hatte schon immer an der Effektivität gezweifelt, die die Schattenjäger in ihrer Art von Rüstung sahen. Die Nephilim waren der Meinung, Schnelligkeit und Geschick helfe ihnen im Kampf mehr als gepanzerte Schutzkleidung. Doch gegen eine aggressive Elbin würde wohl beides nichts nutzen.
Der Nephilim fiel nach vorne und landete mit einem Knacken auf der Brust, vermutlich war eine seiner Rippen gebrochen. Von Hass erfüllt dachte Alilia nicht über sein Übel nach und rammte ihm ihr Schwert in den Rücken. Er gab nur noch ein winziges Röcheln von sich, bevor das Leben seinem Körper entwich.
Denn Mitleid kannte Alilia diesmal nicht.

Tanz des Schicksals - Shadowhunters/MalecWo Geschichten leben. Entdecke jetzt