Seichte Grube

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"Mutter! Hast du davon gewusst? Was soll das? Wie konntest du das zulassen?", bombardierte Alec Alilia mit Fragen. "Alexander, mein Kind, hör mir zu", versuchte diese ihn zu beschwichtigen, doch er starrte sie weiterhin wütend an. "Ich darf euch die Gründe für die Verlobung nicht sagen. Das musste ich der Königin versprechen. Die Ältesten und ich sind die einzigen, die davon wissen."
"Die Gründe interessieren mich nicht, wie konntest du einer Verlobung für Isabelle zustimmen? Wieso hast du dich nicht dagegen gewehrt?!", fuhr Alec fort. "Alec, beruhige dich", versuchte seine Schwester ihn zu besänftigen. Nach der Versammlung mit der Königin hatte Alec seine Mutter und Izzy in ihre Gemächer gezogen, um dort ungestört diskutieren zu können. "Ich kann mich nicht beruhigen, Izzy! Wieso stört dich das denn nicht? Wie kann dich das nicht stören?!" Isabelle schloss die Augen und atmete tief durch. Sie störte die Situation ebenfalls, aber sie musste sich konzentrieren. Sie konnte nicht zulassen, dass Alec sich so aufregte. Das würde alles nur verschlimmern. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich ihre Mutter auf Alecs Bett niedergelassen. Ihr Gesicht lag unter ihren langen schwarzen Haaren im Schatten und Isabelle konnte ihre Mimik nicht erkennen. "Es tut mir leid. Alles, was ich wollte, war, dass es euch gut geht", sagte sie. Isabelle setzte sich neben sie, während Alec immer noch mit verschränkten Armen und zusammengekniffenen Augen vor ihnen stand. "Mutter", begann Izzy, "das verstehe ich, aber du musst uns sagen, was der Anlass für die Verlobung war. Hat es etwas mit der anderen Ankündigung zu tun? Wieso kommt beides so plötzlich?"
Alilia seufzte. "Isabelle, meine schöne, schlaue Isabelle. Ich darf es dir nicht sagen. Ich würde mich strafbar machen. Ich will nicht, dass euch etwas zustößt. Ich kann dir nur eines sagen: Beides kommt alles andere als plötzlich. Alles hat seinen Ursprung vor langer Zeit. Und nicht nur Feen sind an dem Verbot schuld." Ihre Stimme wurde zum Schluss immer leiser, es war kaum noch ein Flüstern. Sie legte ihre Hände auf Isabelles und blickte ihr tief in die Augen. Ihre Augen hatten genau die gleiche Farbe wie Izzys. Dunkles, fast schwarzes braun mit Sprenkeln. "Es liegen Geheimnisse in der Luft, die niemand zu vermuten mag. Die Angelegenheiten der Feenwesen und die der Schattenjäger sind verstrickt." Auch Alec setzte sich nun und hörte interessiert zu, seinen Blick immer noch finster. Wovon sprach Alilia? Was meinte sie damit? "Ich weiß, ihr beide seid neugierig und auf Abenteuer aus", Alilia lächelte, "deshalb weiß ich auch, dass ihr nicht auf mich hören werdet, wenn ich sage, haltet euch da raus. Die Gefahr ist größer als ihr glaubt. Egal, was ihr tut, seid vorsichtig und lasst euch nicht erwischen. Ihre Majestät wird es nicht gerne sehen, wenn man sich in ihre Probleme einmischt." Alilia warf ihren Kindern einen ernsten Blick zu. "Ich will euch nicht verlieren müssen, habt ihr verstanden? Ihr seid das Wichtigste für mich."
Die Geschwister nickten stumm, obwohl tausende Fragen in ihren Köpfen herumschwirrten.

Langsam und mit klopfendem Herzen schritt Alec durch den Tunnel aus Pflanzenranken. Bei jedem Schritt konnte er den Boden unter seinen nackten Füßen spüren. Jede Wurzel und jede Unregelmäßigkeit konnte er fühlen. Durch die dunkelroten und grünen Blätter des Tunnelbogens fiel Mondlicht. Man konnte nur bei genauerem Hinsehen die Umrisse der Umgebung ausmachen. Er konnte die feuchte Luft auf seiner Haut fühlen. Die Luft schien absolut ruhig zu sein. Kein einziges seiner schwarzen Haare wurde durch Wind zerzaust. Sie lagen erstaunlich akurat über seinen spitzen Elfenohren. Zugegebenermaßen hatte Isabelle seine Haare mit Wasser und dem Schleim der Aloe Vera gerichtet. Er blickte an sich herab. Er trug eine dunkelbraune Hose aus Leinen und ein beiges Hemd aus dem gleichen Stoff.
Sobald er das Ende des Tunnels erreichte und sich im Eingang zur Seichten Grube umsah, stieg seine Nervosität. Er wünschte, er könnte einfach wieder umkehren. Aber das konnte er sich nicht erlauben. Stattdessen ging er ein Stück weiter den niedrigen Hügel hinab, bis er im Herz des Labyrinths angekommen war, durch das er die letzte Stunde gegangen war. Der Kern des Labyrinths bestand aus einer großen Kuppel aus sich überschlagenden dünnen Ästen. Das Gewebe war nicht sehr dicht, man konnte durch viele der Löcher problemlos hindurchschauen. Alec trat durch die große Öffnung, die als Eingang diente. Im Inneren lagen unzählige Blätter der Philodendron und Seidenkissen in allen Farben der Natur. Der Platz sowie das Labyrinth, das hinführte, waren unglaublich schön, unter anderen Umständen hätte Alec es genossen, hier zu sein. In der Mitte, auf einem Haufen aus Kissen, lag die Königin. Elegant hatte sie ihre Beine gestreckt übereinandergelegt und ihren Oberkörper mit ihren Händen gestützt. Alecs Blick wanderte über ihr fliederfarbenes Samtkleid bis hin zu ihren roten Haaren, die in Wellen über ihre Brust fielen und oben mit einem dünnen Kranz aus Blumen geschmückt waren, sowie über ihr kantiges Gesicht. Ihr Gesicht war schön, das musste selbst Alec zugeben. Dennoch war sie nicht wirklich das, was er bevorzugte. "Eure Majestät", begrüßte er die Königin mit einer leichten Verbeugung. Sie lächelte und ihre Augen schlossen sich kurz als Begrüßung, bevor sie aufstand. "Ironisch, nicht wahr? Seichte Grube. Keine tiefe Kuhle, aber doch mit so tiefgehendem Hintergrund." Sie kam mit eleganten Schritten auf Alec zu.  "Was für ein Tag", seufzte sie und strich mit ihren langen Fingern über Alecs Schultern. Alecs Lippen formten sich zu einem Strich. Er war wütend auf die Königin und er musste sich größte Mühe geben, sich nicht von seiner Wut leiten zu lassen. "Habt ihr schon mit Eurer Schwester die Verlobung gefeiert?", fragte sie. Alec wusste ganz genau, dass sie ihm das Interesse nur vorheuchelte. "Wir mussten die Neuigkeit erst einmal verdauen, Mylady", erklärte er möglichst sachlich. "Selbstverständlich. Ich freue mich, wieder einmal einen Bund zwischen zwei Feen zu schließen. Das kommt heutzutage ja bedauernswerterweise nicht mehr allzu oft vor."
Alec fragte sich, was sie damit meinte. War das früher etwa anders gewesen?
Jetzt war die Gelegenheit, das herauszufinden, schoss es ihm durch den Kopf. Er lächelte leicht und legte seine Hände um ihre Taille. "Ihr meint, früher waren die Zeiten besser?", hauchte er gegen ihren Hals und drückte dann leicht seine Lippen auf die Stelle. "Die Unterweltler und Schattenjäger waren damals noch verfeindeter, habe ich recht?", fragte er mit dunkler Stimme weiter. Zwar würde er am liebsten einen Meter Abstand zu ihr gewinnen, hielt sich jedoch davon ab. Die Königin ließ ein hohes Geräusch von sich, es klang wie ein kurzes Lachen. "Wenn ich von Eurem früher ausgehe; sicher waren die Feindschaften in der Unterwelt damals überall bekannt, aber es überrascht Euch vielleicht, wenn ich sage, dass der ganze Hass heute inoffiziell verbreitet wird."
"Was meint Ihr damit?" Schnell öffnete er das lange Kleid, damit die Königin keinen Verdacht schöpfte.
"Alexander, seid nicht naiv. Ihr wisst, was ich damit meine. Was denkt Ihr, woher all die Lügen über unser Volk herkommen?"
"Die Schattenjäger erzählen Lügen?", hakte er nach, während er ihr das Kleid abstreifte.
Ihre Majestät drückte ihn ein Stück von sich weg und blickte ihm verschwörerisch in die Augen.
"Hört auf, Euch darüber Gedanken zu machen. Diese Aufgabe liegt einzig und allein bei der Königin und dem Ältestenrat. Und jetzt zieht Euer Hemd aus oder wollt Ihr es etwa anbehalten?", forderte sie.
Alec nickte schnell und öffnete die Knöpfe seines Hemds.
Lügen. Die Schattenjäger verbreiteten Lügen. Es herrschte Hass. Das war das einzige, woran er in den nächsten Minuten wirklich denken konnte. Vielleicht war er auch ganz froh darüber.

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Heyy!

Es scheint, als hätten einige das nächste Kapitel kaum erwarten können, deshalb habe ich meine Zeit statt den Hausaufgaben dem Schreiben gewidmet.
Ich hoffe, es gefällt euch und ich kann euch damit den Sonntag versüßen. :)

Wie stellt ihr euch die Königin des Lichten Volkes vor? Wie in der Serie, den Büchern oder Cassandra Jeans Zeichnungen?
Bei mir ist es glaube ich eine Mischung aus allem, hauptsächlich jedoch meiner eigenen Vorstellung.

Einen schönen Sonntag wünsche ich euch.

_Black19_

Tanz des Schicksals - Shadowhunters/MalecWo Geschichten leben. Entdecke jetzt