Veränderung

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"Magnus."

Da stand er. Nur ein paar Meter entfernt. Und ließ mit steinerner Miene und einem simplen Schnipsen die Tür zuknallen.

Verdammt, wütend stand ihm gut.
Verdammt, er sah so gut aus. Verdammt, Alec hatte ihn so vermisst.

Bevor er sein Gehirn etwas einwenden konnte, hatte er schon einen Schritt nach vorne gemacht und energisch seine Lippen auf Magnus' gedrückt.

Dieser stand mit vorschränkten Armen da, bewegte sich kein Stück. Aber es war Alec egal.
Er wollte seine Hände über den glatten Stoff von Magnus' Hemd fahren lassen, seine warme Haut unter seinen Fingerspitzen fühlen, seinen Geruch einatmen.

Seine Anspannung ließ nach, als Magnus seine Finger um seine Ellbogen streifen ließ und den Kuss endlich erwiderte, indem er seinen Mund leicht öffnete und ihm damit Einlass gewährte.

Tausend Gefühle stürzten auf Alec ein. Am liebsten würde er Magnus die Kleidung vom Leib reißen und seine Nähe spüren, aber er konnte sich gerade noch zügeln.

Er wurde zurück in die Realität gerissen, als Magnus einen Schritt zurück trat und seine Arme erneut verschränkte.

"Hast du genug von deinen Schattenjägerfreunden oder wieso tauchst du auf?", fragte er bockig.

"Nein. Magnus. Ich hatte keine Zeit. Es tut mir so leid. Ich wollte unbedingt bei dir sein."
Alec näherte sich Magnus, sodass sie die gleiche Luft einatmeten.
"Wir haben trainiert. Und wir durften nicht."

"Und du tust neuerdings, was sie dir befehlen?" Magnus ließ nicht locker und weigerte sich, Alec in die Augen zu sehen.

"Es war zum Schutz. Vor Valentine", rechtfertigte Alec sich.

"Valentine", schnaubte Magnus. "Er ist am Leben."

Ein Schauer lief über Alecs Rücken. Er wusste nicht viel über Valentine, aber allein die Vorstellung gruselte ihn.
"Glaubst du das?"

"Der Angriff auf Clary und Izzy war kein Zufall. Jocelyn hat seinen Tod immer angezweifelt."
Magnus pausierte kurz. "Ich hätte gerne davon gewusst."

"Tut mir leid. Ich weiß, du willst, dass ich nichts vor dir verheimliche. Ich-"

"Nein, Alexander! Darum geht es nicht! Valentine will mich tot sehen! Valentine will alle Unterweltler tot sehen! Und den Schattenjägern ist das vollkommen egal!", herrschte er ihn plötzlich an.
"Ich nehme an, ich liege richtig mit meiner Vermutung, dass Maryse und Robert noch nicht aus Alicante zurückgekehrt sind?"

"Sie unterrichten den Rat über die Geschehnisse und suchen nach einer Lösung-"

"Genau und sie lassen sich sehr viel Zeit dabei! Ist dir denn nicht bewusst, wie groß ihr Hass auf uns ist? Wir Unterweltler sind doch nichts weiter als Abschaum für sie. Denkst du, sie würden sich auf einen Hexenmeister einlassen, wenn sie nicht von ihm profitieren könnten? Nein, sie würden ihn nicht einen Schritt ins Institut setzen lassen!"

Erschrocken starrte Alec in Magnus' wutverzerrtes Gesicht.
"Ich wusste nicht, dass-"

Magnus schnitt ihm das Wort ab.
"Genau! Du hast keine Ahnung! Du weißt nicht, was sie uns angetan haben und doch vertraust du ihnen blind! Gehorchst ihren Regeln. Trainierst mit ihnen, als gehörtest du zu ihnen!"

"Aber das tue ich jetzt", verteidigte sich Alec.

"Nein. Nein, das tust du nicht. Sie lassen es dich glauben. Bis sie keinen Nutzen mehr aus dir ziehen. Dann verbannen sie dich. Denn sie werden nie über das Elfenblut in dir hinwegsehen können. Für sie wirst du nie in ihre Welt gehören. Sie sind blind vor Hass."

Magnus' Worte trafen Alec härter als er erwartet hatte. Warum richtete Magnus sich jetzt gegen ihn? Was hatte er ihm getan? Wieso ließ er seine Wut an ihm aus? Alec war gekommen, um sich zu vertragen. Weil er ihn vermisst hatte. War das denn nicht in Magnus' Sinne?

"Bist du dir sicher, dass du nicht dich damit meinst? Dein Groll gegen die Schattenjäger nimmt dich ja vollkommen ein. Und bist du wirklich besser als sie? Du hasst sie, aber du erledigst ihre Drecksarbeit und verdienst dir damit einen goldenen Daumen", feuerte er zurück.

"Ich sichere mein Überleben. Und einen Hexenmeister vergisst man nicht in einem Jahrhundert. Meine Taten sind für dir Ewigkeit", erwiderte Magnus ruhig.

"Weißt du, was du da redest? Alle Taten sind für die Ewigkeit. Deshalb setzt man sich doch das Ziel, Veränderung zu schaffen! Das könnte ich tun, wenn ich bei den Schattenjägern bleibe."
Alec konnte nicht fassen, was Magnus sagte. Das klang nicht nach ihm.

"Selbst, wenn du dabei dein Leben riskierst?"

"Ich riskiere doch jeden Tag mein Leben. Aber was ist das schon wert, wenn es nichts gibt, wofür man es riskiert", wandte Alec ein.

"Okay. Dann bleib bei den Schattenjägern. Reih dich bei ihnen ein. Wenn du in zehn Jahren noch lebst, werden wir sehen, was du erreicht hast. Ich werde mich ihnen nicht unterwerfen. Ich habe meine Leute zu beschützen. Ich werde weggehen. Also geh oder komm mit, aber hierbleiben kannst du nicht", sagte Magnus schnippisch.

"Du willst, dass ich mitkomme?", fragte Alec skeptisch.

"Ja. Dann wärst du in Sicherheit. Aber wenn du lieber dein Leben für deine Schattenjäger riskierst."

War das etwa der Grund für Magnus' Ausraster?
"Hast du Angst?", fragte Alec vorsichtig.

"Natürlich", antwortete Magnus wie selbstverständlich. "Ich habe Angst um dich."

"Um mich?"

"Natürlich. Alec, ich sehe noch zu oft Bilder in mir, von Unterweltlern, gefoltert, abgeschlachtet. Valentine hat beim letzten Mal nicht erreicht, was er wollte. Wenn er zurück ist, wird sein Blutdurst und sein Zorn größer sein als je zuvor", erklärte Magnus.

Alec schluckte. So hatte er das noch nicht gesehen. Magnus hatte Recht. Er hatte keine Ahnung von dem, was passiert war. Aber Magnus hatte alles schon einmal erlebt.

"Aber denkst du wirklich, dass Verstecken der richtige Weg ist?", wandte er ein.

"Ich bringe meine Leute in Sicherheit. Ich mag zwar bereit sein, gegen Valentine zu kämpfen, aber sie sind es nicht. Ich bin der Oberste Hexenmeister von Brooklyn. Das ist meine Pflicht. Und als dein Freund... gilt das gleiche eigentlich auch für dich", erwiderte er.

Oh.

"Magnus..." Alec wusste nicht, was er sagen sollte, also griff er unbeholfen nach seiner Hand.
"Ich wünschte, ich könnte mitkommen, bei dir sein, aber es geht nicht..."

Alecs Haare stellten sich auf, als Magnus mit seinen Fingern durch sein Gesicht strich.
"Ich weiß. Es tut mir leid. Die Dinge sind zu kompliziert, als dass sie einfach sein könnten. Ich werde morgen weg sein."

Kurz schloss Alec die Augen, um das Bild zu verinnerlichen und zu speichern.

"Also haben wir noch bis morgen?", fragte er.

"Ja", hauchte Magnus.

Als Alec die Augen öffnete, traf sein Blick genau auf Magnus'. Endlich wieder. Er liebte die Intensität darin. Als seien keine Worte nötig.

Wie von alleine fanden ihre Münder sich und ihre Körper verringerten den Abstand zwischen ihnen.

Langsam, gefühlvoll bewegten sich ihre Lippen gegeneinander.

"Alexander, ich glaube an dich. Du wirst viel zum Guten verändern", hauchte Magnus gegen seine Haut.

Ein Lächeln schlich sich auf Alecs Gesicht. Diese Worte von Magnus zu hören bedeutete ihm unfassbar viel.
Er wusste nicht, wo er anfangen sollte, was sein Ziel war, aber solange Magnus daran glaubte, machte er sich darum keine Sorgen.

"Du bist nicht allen Schattenjägern egal", flüsterte Alec zurück.

Lächelnd ließ Magnus seine beringte Hand in Alecs Nacken wandern und kraulte dort seine schwarzen Haare.
Ungewollt entkam Alec ein wohliges Seufzen, das durch Magnus' Lippen an seinem Hals verstärkt wurde.

"Bis morgen sagtest du, haben wir Zeit?", hakte er nach.

"Das reicht", raunte Magnus und bewegte sich mit ihm Richtung Schlafzimmer.

Tanz des Schicksals - Shadowhunters/MalecWo Geschichten leben. Entdecke jetzt