Ausbruch

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Clary, Jace und Isabelle fanden sich kurz darauf in den erdigen Tunneln des Feenreichs wieder. Wie jedes Mal, wenn Isabelle das Dunkel der Höhlen vor ihren Augen sah, erinnerte sie das Bild an Gefangenschaft. Dieses Mal mehr denn je.
"Folgt mir einfach", flüsterte sie und ging voraus.
Clary und Jace folgten ihr, dicht nebeneinander gehend.
Isabelle erinnerte sich daran, wie sie als Kind durch das Reich geschlichen war, immer bedacht, nicht erwischt zu werden. Es war fast wie jetzt, nur dass sie damals bloß die Verliese inspiziert hatte, statt einen Einsitzenden zu befreien. Und ihr hatte keine auch nur halb so schwere Strafe gedroht, wäre sie entdeckt worden.

Isabelle atmete erleichtert aus, als sie kurz darauf in der Nähe der Verliese angekommen waren.
Das Gefängnis lag unterhalb der Erde. Ein Tor verschloss den Tunnel, der hiabführte. Dornenranken und die krumm wachsende Äste von Ebereschen umrahmten das Tor.
"Es stehen bloß zwei Wächter davor", stellte Isabelle fest. "Wir erledigen einen und der andere soll uns dann das Tor öffnen. Es ist wahrscheinlich mit einem Zauber belegt."
Jace und Clary nickten zur Bestätigung.
Die drei schlichen sich von der Seite an das Tor. Bevor der linke Wächter reagieren konnte, hatte Jace ihm schon eine Klinge in den Bauch gerammt.
Der zweite stich mit seinem Schwert nach Jace, aber Isabelles Peitsche schlang sich rechtzeitig um sein Handgelenk. Sie riss ihn daran zur Seite, sodass ihm die Waffe aus der Hand fiel, und Clary erwartete ihn bereits mit zwei Dolchen.
Sie drückte ihm einen davon an die Kehle. Jace tastete den Elb nach weiteren Waffen ab und zog einige Schwerter und Dolche aus seinem Gürtel.
"Öffne uns das Tor!", verlangte Clary.
"Nein", weigerte der Wächter sich.
Clary presste ihren Dolch fester an seine Kehle, sodass grünes Blut darunter hervorquoll.
"Wenn du dich weigerst, töten wir dich."
Der Wächter zögerte kurz, dann willigte er ein. "Ich mache es, aber tötet mich nicht!"
Immer noch die Waffe an seinem Hals drängte Clary ihn zum Tor.
Die Angst in den Augen stehend ließ er grüne Magie aus seinen Fingern sprießen, die langsam das knackende Tor aufsperrte.
Sobald es offen stand, zog Clary ihr Messer kraftvoll über den Hals des Wächters, der daraufhin zu Boden fiel und starb.
Die drei huschten durchs Tor. Es war dunkel und Jace zog ein Elbenlicht heraus, mit dem er den Weg beleuchtete, während sie in Windeseile die rutschige Steintreppe hinunter hetzten. Isabelle sah, wie Jace' Blick andauernd auf Clary lag, bereit sie aufzufangen, falls sie fiel.
Der Junge hatte ja keine Ahnung, dachte Isabelle. Clary war vielleicht ein Schattenjäger, aber sie war als Elbin augewachsen.
Unten angekommen standen sie in einem kleinen Raum, der von Fackeln beleuchtet wurde und von dem mehrere kleine Abzweigungen zu den einzelnen Zellen führten.
"Teilen wir uns auf?", fragte Jace. "Das geht schneller."
"Nein, zu gefährlich", widersprach Isabelle ein.
Sie lief voraus in einen der langen Gänhe hinein, mit dem Wissen, dass die anderen zwei ihr folgen würden.
Jace leuchtete hinter ihr mit dem Elbenlichtstein in die dunklen Zellen hinein, die zu ihrer aller Enttäuschung alle leer waren.
"Hier ist er nicht", stellte Clary fest und sie verließen den Gang wieder, um den nächsten abzusuchen.
Isabelle warf nur flüchtige Blicke hinter die ranzigen Gitterstäbe, gerade lang genug, um sie auf Alecs Anwesenheit zu überprüfen, und hechtete dann zur nächsten Zelle.
Nur Clarys erschrockener Ausruf ließ sie stehenbleiben und genauer hinsehen. "Bei den Einhörnern!"
In den Zellen lagen Knochen. Menschliche Knochen.
"Verdammt, soll das hier ein mieser Fake der Stadt der Gebeine sein?", fluchte Jace leise.
"Wenn wir nicht wollen, dass Alec genauso so endet, suchen wir jetzt besser weiter", erinnerte Isabelle wieder an die eigentliche Mission.
Nachdem sie bis zum Ende des Gangs gelaufen waren, kehrten sie atemlos und beängstigt wieder zurück. Denn auch in den letzten Zellen war Alec nicht gewesen. Und so langsam lief ihnen die Zeit davon.
"Wie kann man nur so viel Pech haben wie wir?", klagte Clary, die wegen ihrer kurzen Beine deutliche Probleme dabei hatte, mit Jace und Isabelle mitzuhalten.
Isabelle nahm nur von der Seite wahr, wie Jace sie an der Hand mit sich zog.
Suchend blickte sie in die Zellen. Links, rechts, laufen, links, rechts, laufen. Und bei jeder Zelle machte die Uhr tick, tick, tick, tick.
Isabelles Herz schlug ihr bis zum Hals und mit dem Schwinden ihrer Hoffnung, jemals wieder heil nach draußen zu kommen, stieg die Verzweiflung in ihr.
Bei einer Zelle in der Mitte des Gangs blieb sie plötzlich stehen. Sie bremste so abrupt, dass sie Schwierigkeiten hatte, mit ihren hohen Schuhen nicht auf dem glitschigen Boden auszurutschen.
Jace und Clary schlitterten geradewegs in sie hinein.
"Alec!", stieß Isabelle geschockt aus und ihr stiegen Tränen in die Augen, als Jace das Licht auf ihren Bruder hielt und die vielen Wunden an seinem entblößten Rücken offenbarte.
"Was zur Hölle", flüsterte Clary neben ihr, genauso geschockt.
Jace schob sie zur Seite und malte eine Rune auf die Gitterstäbe der Tür, die daraufhin aufsprang.
Isabelle erwachte dadurch aus ihrer Starre und stürmte in den engen Raum.
Alecs Hände waren mit Handschellen an Ketten befestigt, die von der Decke hingen. Sein ganzer Körper hing schlaff herab, nur die Ketten hielten ihn aufrecht.
Isabelle schmiss sich vor ihren Bruder und zog ihn hoch. Seine Haare hingen verklebt in seinem Gesicht, das noch blasser war als sonst, und seine Augen waren geschlossen.
"Alec!", entkam es Isabelle schluchzend. "Mach die Augen auf! Sieh mich an!"
"Er lebt", beruhigte Jace Clary, die erschrocken aufgekeucht hatte.
Mit einer weiteren Rune sprengte er die Fesseln und Clary eilte Isabelle schnell zur Hilfe, um Alec aufzufangen.
Jace legte Alecs Arm um seine Schulter, Isabelle tat das Gleiche auf der anderen Seite und gemeinsam schleppten sie den bewusstlosen Alec aus der Zelle raus, Clary dicht bei ihnen, den Elbenstein leuchtend in ihrer Hand.
Jace' und Isabelles angestrengtes Keuchen erfüllte die Kerker und hallte an den nassen Wänden wieder.
Zum Glück erreichten sie schnell die Treppe.
"Seid vorsichtig", meinte Clary und folgte Isabelle und Jace, mit Alec zwischen ihnen, die Stufen hoch.
Die Treppe war so schmal, dass die drei kaum nebeneinander auf die Stufen passten.
Alecs nackte Füße schleiften hinter ihm über die Stufen.
Jeder Schritt kam Isabelle wie eine Meile vor.
Alec war eher der schlanke Typ, aber ihn die Treppe hochzutragen, zehrte doch sehr an ihren Kräften.
In diesem Moment wünschte sie sich, sie hätte auch Runen, so wie Jace. Der schien mit dem Gewicht kaum Probleme zu haben.
Das Ende der Treppe erschien wie die Erlösung schlechthin, doch sie alle wussten, dass es noch lange nicht vorbei war. Ganz im Gegenteil; jetzt wurde es erst recht gefährlich.
"Wir gehen am besten durch die Wanderwälder. Das wird zwar eine Zeit lang dauern, aber dort sind wir am ehesten in Sicherheit", sagte Isabelle.
"Und wenn wir uns verirren? Die Wanderwälder heißen nicht umsonst Wanderwälder", entgegnete Clary zweifelnd.
"Ganz ruhig. Ich kenn die Wälder wie meine eigene Westentasche", spielte Isabelle es herunter, obwohl sie selbst Angst hatte, dass sie das Ganze zu viel Zeit kosten würde.

Jace, Izzy, Alec und Clary hatten die Wälder glücklicherweise in kurzer Zeit erreicht. Clary ging hinter den drei und hielt Ausschau nach Elben, die sie möglicherweise entdecken könnten.
Von hinten hatte sie einen guten Blick auf Alecs Verletzungen. Unzählige tiefe rote Striemen zierten seinen Rücken. Sein Hosenbund war rot vom Blut, genauso seine Haut. Seine Handgelenke sahen aus, als wären sie verbrannt - Eisenhandschellen, vermutete sie.
Clary konnte gar nicht in Worte fassen, wie wütend sie das alles machte. Es machte sie so wütend, dass ihr Herz schmerzte. Wenn sie denjenigen in die Finger bekommen würde, der das getan hatte, dann würde sie ihn auf der Stelle töten.
Vielleicht war das falsch und sie sollte sich schlecht dafür fühlen, aber sie tat es nicht. Sie wusste, dass Jace und Izzy das Gleiche empfanden.
Derjenige sollte in der Hölle schmoren.
Izzy schnaufte angestrengt vom Tragen. Clary hätte sie gerne abgelöst, aber sie wusste, dass Izzy sie nicht lassen würde, deshalb fragte sie erst gar nicht.
"Beeil dich, Jace", verlangte Izzy.
"Wenn wir schneller machen, fliegen wir hin, Isabelle", presste Jace angespannt hervor, vielleicht ein wenig zu harsch, aber niemand nahm es ihm angesichts der Tatsachen übel.
"In welche Richtung müssen wir weiter?", erkundigte sich Jace.
"Da." Izzy ging auf einen schmalen Pfad zu, der durch den Wald führte.

"Endlich!", seufzte Clary erleichtert, als sie endlich das Ende des Waldes erreichten, von dem sie sich zum Feentor aufmachen würden.
Sie blieben kurz stehen, um zu verschnaufen, doch Izzy drängte sie sofort weiter, weshalb sie sich schnell wieder in Bewegung setzten.
Sie gelangten an einen schmalen Bach, den sie überqueren mussten, um nicht mitten in die Elbensiedlung hineinzulaufen. Von dort aus konnte man die hohen Mauern erkennen, die den Feenhof umrahmten, wo die Königin hauste.
"Ich steige zuerst in den Bach und ihr helft mir dann mit Alec", beschloss Jace.
Clary war sofort zur Stelle, um Alec zu stützen. Jace tastete mit dem Fuß vorsichtig das Wassert nach einer seichten Stelle ab.
"Hier geht es", erklärte er und machte sich daran, ins Wasser zu steigen.
Doch er kam nicht dazu, denn eine Stimme hielt ihn davon ab.
"Wo wollt ihr denn hin, wenn ich fragen darf?"

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Haha Leute, ich war selbst total aufgeregt, während ich das Kapitel geschrieben habe, obwohl ich ja wusste, was passiert. XD

_Black19_

Tanz des Schicksals - Shadowhunters/MalecWo Geschichten leben. Entdecke jetzt