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Schon seit Stunden hatte jegliche Kraft den Körper des vernarbten Feuerwehrmannes verlassen. Heute war der Tag, an dem seine Familie so qualvoll ums Leben gekommen war. Und er fühlte sich dementsprechend fürchterlich. Er hatte sich mehrfach übergeben müssen, zitterte bei jeder Bewegung und sogar der einfache Toilettengang zerrte an ihm. Tränen hatte er keine mehr, er hatte schon zu oft geweint. Sein Handy stand auf lautlos und lag achtlos auf seinem kleinen Nachttisch, der improvisatorisch neben dem kleineren Doppelbett stand. Immerhin befand er sich gerade bei den Jungs und nicht bei sich in der kleinen Wohnung. Hoseok selber war noch ein wenig arbeiten, während Seulhye ihr bestes gab, um sich um den seelisch verletzten Mann zu kümmern. Aber auch ihr fehlte langsam die Kraft. Immerhin war sie im dritten Monat schwanger und kümmerte sich nebenbei um einen blinden Mann mit einem Hund.

Zaghaft klopfte es an der Zimmertür, ehe diese auch schon geöffnet wurde. Seulhye sprach kein Wort, sondern lief einfach still zum Bett, in dem der Feuerwehrmann unter einer dicken Decke eingewickelt lag. Er hatte versucht zu schlafen, aber es hatte nicht funktioniert. "Hey", hauchte sie leise, während sie dem erschöpften Mann über die leicht nassgeschwitzten Haare fuhr. "Konntest du schlafen?" "Mh mh." "Hm." Seulhye stand vorsichtig von der Bettkante auf, ehe sie zum Fenster lief und die Vorhänge vor dieses zog. Direkt danach stellte sie die Heizung ein wenig höher, da es fürchterlich kalt im Zimmer war. Immerhin schneite es draußen. "Hoseok kommt ein wenig später wieder. Es herrscht gerade ein größerer Einsatz. Ein Autounfall", sprach die Frau in die Stille des Raumes, um Jungkook vielleicht aufzumuntern. "Er hat sich morgen für dich freigenommen." Noch immer keine Regung von Jungkook, lediglich der starre und kühle Blick an die gegenüberliegende Wand blieb bestehen.

"Versuch doch bitte ein wenig zu schlafen. Klingt das nach einem Plan?" "Ich kann seit einem Jahr nicht schlafen." Seit Tagen hatte Jungkook einen vollständigen Satz hervorgebracht. Und deshalb schloss Seulhye seelenruhig die Zimmertür. "Ich versuche dir zu helfen. Darf ich mich zu dir legen?" "Mh. Mach, was du willst." Jungkook schien unfreundlich, aber die Altenpflegerin konnte ihn verstehen. Es war alles andere als leicht den Tod einer geliebten Person zu verarbeiten. Von geliebten Personen.

Vorsichtig kuschelte die deutlich kleinere Frau sich an den Mann, der zu schlafen schien. Denn während des gesamten Gesprächs hatte er sich nicht ein einziges Mal bewegt. Sie wollte versuchen, ob persönliche Nähe helfen konnte. Denn ihr hatte es unheimlich nach Hoseoks Unfall vor rund einem halben Jahr geholfen. Es war spät Abends gewesen und es hatte ein fürchterliches Unwetter gewütet, als es an der Haustür geklingelt hatte. Vor ihr hatte der Captain ihres Mannes gestanden, er hatte so fürchterlich fertig ausgesehen. Und dann kam die Nachricht, dass Hoseok von einem Blitz getroffen wurde und deshalb für mehrere Minuten tot gewesen war. Namjoon war die gesamte Nacht bei ihr geblieben und hatte sie im Arm gehalten, um sie ein wenig zu beruhigen. Und es hatte ihr unheimlich geholfen. "Du bist nicht alleine, Jungkook", hauchte die Frau dann, ehe sie den Mann vor sich umarmte. Und dadurch musste er wieder fürchterlich weinen.

Still drückte Seulhye den Mann enger an sich, ehe dieser sich umdrehte. Sofort drückte er sein Gesicht gegen ihre Brust, nur um sich danach mit seinen Händen in ihr Shirt zu krallen. Es half ihm tatsächlich, aber seine Gefühlslage wurde nicht besser. Eher schlechter, da alles ineinander verzerrte. Es war fürchterlich. "Ich bin bei dir, Jungkook. Deine Trauer ist völlig in Ordnung. Ich verurteile dich dafür nicht", flüsterte Seulhye, während sie sanfte Kreise durch die Haare ihres Gegenübers zog. Es würde ihm alles helfen und ihm im Nachhinein bestimmt viel bedeuten. Denn er sollte wissen, dass er jederzeit willkommen war. Er sollte sich nicht für seine Gefühle schämen oder derartiges, sondern ihm helfen, sich zu öffnen. Und anscheinend half es wirklich.

Seulhye ließ Jungkook einfach weinen. Sie wollte ihn nicht stören, denn sehr wahrscheinlich war gerade alles befreiend und guttuend. Er weinte zumindest anders, als er es alleine getan hatte. Lauter und nicht allzu unterdrückt. Nicht mehr so gezwungen gestellt. Viel eher- glücklich?! Als hätte er nur auf so eine Gelegenheit gewartet. Es war bestimmt Balsam für die Seele.

Langsam, nach einigen Minuten, verebbte Jungkooks Weinen langsam. Er wurde ruhiger und ebenfalls ein wenig entspannter, weshalb seine festgekrallten Hände sich langsam um den Stoff von Seulhyes Shirt lockerten. Und tatsächlich verwunderte es sie sehr, dass er kurz darauf einschlief. Fast sofort sackte er in eine Art Tiefschlaf, weshalb Seulhye tief durchatmen konnte. Sie hatte es endlich geschafft, dass der verlorene Mann ihr vertraute. Er hatte sich ihr geöffnet und zugelassen, dass sie seine zerbrechliche Seite sah. Er hatte es nach all der Zeit mehr als nur gebraucht und Seulhye war mehr als nur stolz auf sich, weshalb sie sich ebenfalls völlig entspannte.

"Seulhye?" Sanft wurde der Frau durch ihre längeren Haare gestrichen, weshalb sie müde grummelnd ihre Augen öffnete. War sie etwa auch eingeschlafen? Hoseok stand vor ihr, hatte seine dicken Brillengläser auf der Nase und lächelte sie schief an. "Tut mir leid dich zu wecken", flüsterte er. "Aber das Abendessen ist fertig. Ich bin schon seit kurzem hier, aber du hast so friedlich mit Jungkook geschlafen. Ich wollte nicht stören." "Mhm." Müde drehte sich die Frau um. Jungkook neben ihr war immer noch am schlafen, sah dabei sogar recht friedlich aus. "Er war kurz wach und meinte, er wäre mit deiner Hilfe endlich zur Ruhe gekommen. Er hat tatsächlich gesünder als sonst gewirkt. Danach hat er sich nicht mehr getraut sich zu dir zu legen", grinste Hoseok. "Er wollte nicht, dass du dich unwohl fühlst oder ich eifersüchtig werde. Er ist so niedlich." "Hi Hobi", lächelte die Schwarzhaarige einfach, während sie sich langsam aufsetzte. Immerhin hatte sie ihren Ehemann noch nicht begrüßt gehabt. "Hey Hye. Fühlst du dich gut? Ist dir übel? Kannst du jetzt überhaupt etwas zu dir nehmen?" "Ich kann doppelt so viel wie vorher essen, Hobi. Ich bin total ausgehungert", grinste die Frau, während sie sich in die Arme ihres Mannes lehnte. "Wie war der Einsatz?" "Anstrengend. Wirklich. Aber jetzt ist alles gut. Du bist da, dir geht es gut und du lächelst. Ich freue mich wirklich dich zu sehen. Und natürlich auch unsere Bohne." "Bohne freut sich genauso wie ich, Hobi. Aber wir haben Hunger. Und ich möchte dich küssen." Lächelnd nahm Hoseok seine Frau sofort in die Arme, ehe er ihr einen zarten Kuss auf die Lippen hauchte. "Wir sollten vielleicht Jungkook noch ein wenig schlafen lassen. Er braucht die Ruhe ein wenig, um seine Kräfte zurückzukriegen", murmelte Hoseok dann, weshalb Seulhye nickte. Grinsend stupste sie gegen seine Nase, die er deswegen leicht kräuselte. Das machte sie immer, wenn er seine Brille trug. Er hatte nämlich nicht blind durch die Wohnung rennen wollen, wenn Personen gerade am Schlafen gewesen waren. Wenn er gegen etwas gelaufen wäre, dann hätte er sie nur unnötig geweckt. Also trug er, trotz leicht pochendem Schmerz, diese gigantische Brille, durch die seine Augen doppelt so groß schienen. Aber es gehörte zu ihm, bis seine Operation anstand. Mit dieser wollte er seine Sehkraft zurückbekommen, weshalb er sich bei einem Facharzt in Daegu vorgestellt hatte. Und dementsprechend hatte er einen Termin in vier Monaten bekommen, bei dem seine Augen professionell gerichtet werden sollten. Er freute sich darauf, da er dann passend zur Geburt seines Kindes dabei sein konnte und alles sehen konnte.

Sanft zog Seulhye ihren Mann aus dem dunklen Zimmer, in dem Jungkook leise schnarchend am Schlafen war. Und sobald sie im Flur angekommen war, stieß ihr auch schon direkt der köstliche Geruch des Abendessens in die Nase. "Du bist der beste Koch, Hobi." "Habe ich von der besten Köchin gelernt. Deine Familie ist einfach talentiert, was das angeht." "Ich weiß." "Ich liebe dich." "Ich dich auch, wenn wir jetzt endlich essen sollten! Immer hälst du mich hin!" Grinsend schaute Hoseok seiner Frau dabei zu, wie diese hungrig in die Küche rannte. Er war rundum zufrieden.

Hot And Spicy! ▪︎TaeKook▪︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt