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𝐾𝑎𝑡𝑒𝑙𝑦𝑛

Leandros Nähr macht mich nervös. Sie küsst mich augenblicklich wieder zu jenem Kind werden, das ich einst war. Sie ruft Erinnerungen in mir wach, von denen ich glaubte, dass sie niemals wirklich existiert haben. Sie lässt mich Gefühle  empfinden, die ich längst vergessen hatte.

Jedoch hat sich der Junge, den ich einst so sehr geliebt habe, äußerlich sehr verändert. Er ist nicht mehr der Leandro, den ich einst gekannt habe. Ich kenne ihn nur mit zerrissenen Jeans und Löschungen Sneakers. Doch jetzt trägt er einen schwarzen Anzug, drunter ein weißes Hemd und eine schwarze, mit Goldfäden durchwirkte Krawatte. An seinem Handgelenk prangt eine Rolex.

Und nicht nur kleidungstechnisch macht er nun um einiges mehr her. Auch körperlich ist er ein anderer. Er war schon früher um einiges größer als ich, doch jetzt überragt er mich um gut eineinhalb Köpfe. Unter seinem feinen Zwirn zeichnen sich mächtige Muskeln ab. Sein kantiges, markantes Gesicht ist noch männlicher geworden. Sein Kinn ist frisch rasiert. Sie Blick ist düster und eiskalt.

Sein hellbraun Haar trägt er an den Seiten raspelkurz rasiert, am Oberkopf mit Gel gestylt. Wie sehr habe ich es früher geliebt, ihm mit gestreiften Fingern durch seine zerzauste Mähne zu fahren.

Nicht einmal die Farbe seiner Augen ist die selbe. Aus dem einst fröhlichen leuchtenden Grün ist ein angesteinflößendes, giftiges Grün geworden. Seine Itiden gleichen einem blubbernden Hexenkessel.

Leandro ist offensichtlich ein ganz anderer Mensch geworden, und doch habe ich mich sofort wieder unaufhaltsam zu ihm hingezogen gefühlt, als ich ihn auf der Empore des derzeit angesagtesten Nachtclubs von New York City entdeckt habe.

Als er sich damals von mir getrennt hat, hat er damit meine Welt unsere Welt in Schutt und Asche gelegt. Ich weiß, er hat es nur gut gemeint. Er wollte, dass ich aufs College gehe, etwas aus mir mache. Weit ab von all dem Leid, das wir beide in der Bronx erleben mussten. Wir hatten beide  keine guten Zukunftsaussichten, bis ich ein Stipendium am anderen Ende der Staaten ergattern konnte. Ich habe lange mit mir gerungen, wollte ihn nicht alleine lassen, doch Leandro hat mich dazu gezwungen, zu gehen.

Bis zu heutigen Tag habe ich mit mir gehandelt, bin noch immer der Ansicht, dass ich eine  riesigen Fehler begangen habe. Ich habe nicht nur unsere Liebe verraten, ich habe ihn alleine in den Slums zurückgelassen. Bis ich ihn vor ein paar Minuten zu Gesicht bekommen habe, war ich mir sicher, dass er mittlerweile entweder tot ist oder im Knast sitzt. Was hätte unter diesen Voraussetzungen auch anderes aus ihn werden sollen? Doch ich habe mich augenscheinlich geirrt.

"Was hast du in all den Jahren gemacht?" erkundige ich mich möglichst unaufgeregt. Mir ist bewusst, dass Leandro genau weiß, was in mir vorgeht. Er konnte mich schon immer durchschauen, so tief in meine Seele blicken wie kein anderer vor oder nach ihm. Und wie es aussieht, hat er das auch nicht verlernt. Das erkenne ich an seinem wissend Gesichtsausdruck.

Leandro strafft die Schultern und gestikuliert in die Runde. "Das hier" sagt er, wirkt dabei selbstzufrieden und stolz. Ich hebe die Brauen, kann ihm nicht folgen

"Das 𝐖𝐢𝐬𝐡, es gehört mir" erklärt er schmunzelnd. Mir stockt der Atem. Ich kann nicht verhindern, dass mir der Kiefer nach unten klappt. Das Wish hat vor etwa drei Monaten seine Pforten geöffnet und sich innerhalb kürzester Zeit zu Hotspot des New Yorker Nachtlebens entwickelt.

"Wie... Ich meine...?"  Mir fehlen die Worte. Ich weiß nicht, wie ich angemessen auf diese Neuigkeit reagieren könnte. Leandro nähert sich mir noch ein wenig mehr. Eine Schwall seines herben, nach Kälte duftenden Parfüms steigt mir in die Nase. "Du hättest dich all die Jahre nicht sorgen müssen. Ich habe dir immer gesagt, dass ich es schaffen werde" Seine Stimmlage ist in den letzten Jahren um einige Oktaven tiefer geworden. Männlicher, noch einnehmender.

Ich sehe mich anerkennend nicken um. "Ja, das hast du". Der Laden brummt. Die Tanzfläche ist voll, alle Sitzgelegenheiten bis auf ein paar wenige Sitzplätze im VIP Bereich sind belegt.

"Und du? Wie ist es dir ergangen?" erkundigt er sich mit einem durchdringend Blick. In meinem Jugendlichen Wahn dachte ich, mein Lebensziehl wäre es, einen Platz an der angesagtesten Schauspielschule des Landes zu ergattern, um nach dem Ende des Studiums in Los Angeles groß rauszukommen. Ich habe nach dem Glamour, den Sternen dieser Welt und den großen Reichtum gegriffen, der mir dabei winken würde. Doch das alles ist schon bald wie eine Seifenblase zerplatzen. Ich habe es gehasst. Alles. Vor allem aber, dass ich ob meiner geistigen Umnachtinc meine Liebe zu Leandro verloren habe. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt und tue es auch heute noch.

Den Weg, den ich danach eingeschlagen habe, ist ein gänzlich anderer. Ein besserer. Einer, auf dem ich wirklich etwas bewirken kann. Dennoch kann ich ihm nicht sagen, wie sehr ich mich damals geirrt habe. Ich will ihm nicht unnötig wehtun.

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814 Wörter ❤

| NYC King - Du wirst mich Lieben |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt