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𝐿𝑒𝑎𝑛𝑑𝑟𝑜

Seit dem Tod meiner Schwester sind 24 Stunden vergangen. 24 Stunden, in denen ich weder ein Auge zugetan habe, noch eine Minute zur Ruhe gekommen bin. 24 Stunden, die alles Gute, das ich jemals in mir getragen habe, wie eine reißende Sturmflut weggespült haben.

"Ihr Bruder ist hier. Soll ich ihn reinlas sen?" Allessandro dunkle Stimme, die sich anhört wie eine kaputte Dampflok, entreißt mich meiner Gedanken. Mein Blick ist verschwommen. Ich schaffe es kaum noch, mich auf etwas zu konzentrieren. Mich ausgelaugt fühlend nicke ich. "Ja, lass ihn rein."

Alessandro steht, seitdem ich in den Club zu rückgekehrt bin, wie ein Türsteher vor meiner Bürotür und wimmelt alles und jeden ab. Er hält das Wish am Laufen. Ich kann mich auf ihn verlassen. Er ist ein guter Mann. Ich kann froh sein, dass er mir Jasons Ausraster nicht übelgenommen hat und geblieben ist, nach dem mein Bruder ihn wieder freigelassen hat.

"Was willst du?", frage ich Jason sobald Alessandro die Tür hinter sich geschlossen hat. "Was ich will?" Mit wenigen Schritten ist Jason bei mir, reißt mir die Whiskyflasche aus der Hand und wirft sie wutentbrannt zu Boden, was Alessandro die Tür umgehend wieder öffnen lässt.
"Ist schon gut. Er hat sich nur mal wieder nicht unter Kontrolle", sage ich an Alessandro gewandt, der sich daraufhin wieder zurückzieht. "Du hast dich nicht unter Kontrolle", schimpft mein Bruder aufgebracht. "Ich dachte, du schmiedest einen Plan. Aber was machst du stattdessen? Du sitzt lieber hier und besäufst dich. Ich fasse es nicht!"
"Bin ich ein Weib, oder was? Ich brauche keinen Plan für unsere Rache. Ich erledige den Kerl und Ende. Und wirf mir nichts vor, wovon du keine Ahnung hast. Ich habe die ganze Zeit nichts anderes gemacht, als mich um Kishas Beerdigung zu kümmern und unsere Mutter zu trösten." Ich erhebe mich schwerfällig. "Und was hast du gemacht, wenn ich fragen darf?"
Als Jason mir nicht antwortet, setze ich mich wieder. "Hab' ich's mir doch gedacht. Du hast dir wieder einmal die Eier geschaukelt." "Ja, habe ich, und das aus einem bestimm ten Grund Du bist wieder zurück. Du verteilstdie Anweisungen. Ich tue nur das, was don befehlst." Klasse. Das klingt beinahe so, als wolle er mir schon wieder Vorwürfe machen. Hätte ich mich aus den Geschäften nicht zurückgezogen, hatte er sich nicht mit den Italienern verbunden, hätte Eduardos Sohn nicht kaltgemacht, was wiederum bedeuten würde, dass unsere Schwester noch leben würde. Ich verkneife mir jeglichen Kommentar zu seinen unterschwelligen Frechheiten. "Weißt du schon, wie wir an Jimenez  rankommen?" Jason setzt sich auf die Kante des Schreibtischs und sicht fragend auf mich herab. "Ich werde Jimenez nicht kaltmachen. Ich will ihn leiden sehen, verstehst du? Ich will dass er fühlt, was wir fühlen", erkläre ich und empfinde dabei nichts als Kälte.
Jason runzelt die Stirn. "Haben wir das nicht schon? Immerhin hat er seinen ältesten Sohn verloren." Leider hat er aber noch ein paar als Ersatz. "Dieser Kerl vermehrt sich wie ein Karnickel."
Jason blickt verständnislos drein. "Was
willst du ihm dann antun?"
Ich lehne mich im Stuhl zurück. "Ich werde Eduardo das nehmen, was er am meisten liebt." "Und das wäre?"
"Maria Jimenez", antworte ich mit einem
hohlen Lachen. "Du willst seine Frau umbringen?" Jason wirkt skeptischer ob meiner Idee, als ich er wartet hätte.
Ich verschränke die Arme vor der Brust. "Gefällt dir mein Plan etwa nicht?" "Doch, das schon, aber du weißt, was du damit lostrittst", gibt Jason zu bedenken. Ich zucke unbeeindruckt die Schultern. "Wir sind im Krieg." "Wir können uns danach keine Sekunde mehr sicher fühlen. Keine einzige Scheißsekunde." Auf Jasons Stirn zeichnen sich Sorgenfalten ab. "Das könnte sich auch ganz übel auf unsere Geschäfte auswirken. Du weißt, ich bin für jeden Spaß zu haben, aber ..." Er steht auf und hebt entwaffnet die Hände. "Das könnte unser Ende sein." "Du hast den Mist angefangen. Jetzt werde ich es zu Ende bringen. Auf meine Art", erwidere ich gereizt. Ich weiß, was ich tue. Nachdem Jimenez uns unsere Schwester genommen hat, gibt es bei uns nichts mehr zu holen. Unsere Mutter habe ich bereits in Sicherheit gebracht. Er könnte sich also nur noch an uns vergreifen. Bei Jason wird er es vielleicht sogar versuchen, aber nicht bei mir. Um mich ranken sich so viele Mythen, dass er sich in die Hosen scheißt und sich lieber selbst die Kugel gibt, als sich mit mir persönlich anzulegen. Das ist auch gut so, denn er würde verlieren. Ich würde dem Kerl jegliches Ehrgefühl nehmen, ehe ich ihm qualvoll das Leben aus hauchen würde. Jimenez weiß das. Und ich weiß seit etwa einer Stunde, wo wir seine Frau finden. Er hat mir das Liebste genommen. Jetzt werde ich ihm seins nehmen. Es war ein riesengroßer Fehler, sich mit mir anzulegen. "Also gut, wenn du dir sicher bist, dass du das machen willst, dann bin ich dabei. Wann geht es los?" Jason kratzt sich nachdenklich am Kinn. "Bist du überhaupt nüchtern genug" "Ich hatte nur einen klitzekleinen Drink mehr nicht. Du kennst mich immer noch schr schlecht, Bruder." Das Einzige, was mir zu schaffen macht, ist die Müdigkeit. Aber die bekomme ich auch noch in den Griff. Ein kleiner Hauch Adrenalin reicht aus, um mich wieder völlig fit zu fühlen. Und das rauscht mir durch die Adern, wenn ich nur daran denke, wie ich meine Finger immer fester um Maria Jimenez Hals schließe und langsam das Leben aus ihr herausquetsche. "Wir werden uns bald auf den Weg machen. Ich brauche andere Klamotten und ..." "Hast du etwas von Katelyn gehört?", unterbricht Jason mich plötzlich mit einer Frage, die er mir jetzt besser nicht hätte stellen sollen. Ich habe in den letzten Stunden über alles nachgedacht, nur nicht über sie. "Katelyn gerade unser kleinstes Problem", versuche ich, das Thema zu beenden. "Ach ja, so siehst du das also? Sie arbeitet beim FBI." "Das weiß ich, und darum werde ich mich später kümmern." Ich schiebe den Stuhl zurück, erhebe mich und streiche meinen Anzug glatt.
"Wenn es dann nicht schon zu spät ist",
murmelt Jason wenig überzeugt. "Denkst du, sie war zufällig am Tatort? Irgendwas müssen die wissen, sonst wären die niemals dort auf getaucht. Überleg doch mal." "Ich tue nichts anderes, als logische
Schlüsse ziehen, glaub mir." Was Jason sagt, ist sicher richtig. Hätten die Behörden nicht irgendeine Spur in Sachen Jimenez oder sogar in Bezug auf uns, wäre das FBI nicht eingeschaltet worden. Sie kümmern sich nicht um gewöhnliche Schießereien oder Mordfälle. Die sind Sache des NYPD. Das FBI ist also näher an uns dran, als uns lieb sein kann. Dennoch ist meine Prioritat vorerst Maria Jimenez. Erst wenn das erledigt ist, werde ich mich um alles Weitere kümmern. "Du weißt, dass sie sterben muss, wenn sie uns zu nahe kommt." Jason tippt mir mit dem Zeigefinger gegen die Brust und sucht meinen Blick. Ich schlage seine Hand weg. "Ich sagte, lass das meine Sorge sein!"
"Du bist ziemlich zartbesaitet, wenn es um sie geht. Das ist nicht gesund. Für uns alle." Jason zupft nervös an seinem Shirt. "Ich hoffe wirklich, du weißt, was du tust."
Ich weiß immer, was ich tue. Ganz im Gegensatz zu dir." Ich bedeute Jason, dass er sich in Gang setzen soll. Die Zeit wird langsam knapp. Wir müssen los.
"Also gut. Ich halte mich da raus. Vorerst", sagt er, dreht sich von mir weg und macht sich auf den Weg zur Tür. Kurz bevor er die erreicht, klopft es zweimal und Alessandro tritt ein. "Die Miss, die ich nach draußen begleitet habe, ist hier und will Sie sprechen." "Na prima", stöhnt Jason. "Das passt ja mal wieder perfekt."
"Du gehst zum Auto und wartest auf mich. Ich kläre das."

Er hat so einen Hass auf Katelyn, und jetzt da, er weiß, für wen sie arbeitet, noch mehr. Ich kenne ihn und weiß, dass es nicht vieler Worte bedarf, um ihn zum Ausrasten zu bringen. Jason hat schon genug Fehler gemacht. Jetzt ist Schluss damit. Er wollte mich zu rückholen. Das hat er geschafft, und jetzt, da ich wieder da bin, hat nicht mehr er das Sagen, sondern ich. Alles wird so laufen, wie ich mir das vorstelle.





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