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𝐾𝑎𝑡𝑒𝑙𝑦𝑛

Sturmklingeln lässt mich aufschrecken. Schlaftrunken erhebe ich mich und torkele zur Haustür, um nachzusehen, wer mich mitten in der Nacht aus dem Bett holt. Als ich durch den Spion schon wieder Ethan
erblicke, rolle ich genervt die Augen. Demonstrativ gähnend öffne ich ihm. "Was ist jetzt schon wieder los? Weißt du, wie spät es ist?" "Halb vier", antwortet er unbewegt. „Zieh dich an. Wir müssen los. Und putz dir die Zähne. Du riechst wie eine ganze Schnapsbrennerei." "Und wohin?" Ich versuche, interessiert zu klingen, bin es aber nicht. Ich will einfach nur schlafen.

"Maria Jimenez wurde ermordet." Meine Müdigkeit ist augenblicklich wie weggeblasen. Adrenalin flutet meinen Körper. "Und das weißt du woher? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Jimenez die Leiche seiner Frau irgendwo liegen ließe, um sie uns zu überlassen."

Der Kartellboss ist gewieft. Wir haben ihn schon seit Jahren auf dem Schirm, können ihm aber außer kleinen Delikten nichts nach weisen. Daher würde er nicht zulassen, dass wir den Mord an seiner Frau unter die Lupe nehmen, sofern er es vermeiden kann.

"Hat er auch nicht", murmelt Ethan."Worum geht es dann? Was willst du hier?", frage ich irritiert.

"Ich treffe mich gleich mit meinem Informanten und wollte dich mitnehmen. Du hast dich doch beschwert, dass ich dich immer außen vorlasse. Aber wenn du nicht willst, kein Problem, dann geh ich allein."

Ich weiß, was er damit bezwecken will. Der Arsch. "Soll das etwa deine Entschuldigung für die Frechheiten sein, die du mir vor wenigen Stunden an den Kopf geworfen hast?"

Ethan süffisant. "Glaubst du das wirklich?“ Das Gegenteil ist der Fall. Er will mich da von überzeugen, dass er mit seinen blöden Vermutungen recht hat, und wenn sie zehn mal nur auf Eifersucht basieren.

"Ich bin gleich fertig." Kopfschüttelnd gehe
Ich ins Bad, um mich anzuziehen.
Er will mir Beweise liefern. Soll er. Ich bin schon sehr gespannt, welche Lächerlichkeit mich gleich erwartet.

Bald wird es hell werden. Der Mond verblasst bereits. Kein Stern funkelt mehr. Die Farbe des Himmels wandelt sich in ein helles Grau. Seit einer halben Stunde warten wir schon auf Ethans Informanten, doch er taucht nicht auf.

Ich lehne mich gegen die Backsteinmauer des stillgelegten Industriegeländes in Brooklyn und scanne die Umgebung. "Und du bist dir sicher, dass er noch auf
taucht?", frage ich gelangweilt. "Ich hasse deine Ungeduld, weißt du das?", zischt Ethan angespannt.

"Und ich hasse noch viel mehr ..." Weiter komme ich nicht, denn wie aus dem Nichts taucht ein kleiner, schmächtiger Kerl mit Brille, Basecap und Collegejacke auf.

"Das ist er", sagt Ethan erleichtert. Ich richte mich auf, schiebe die Hände in die Hosentaschen meiner Jeans und warte gespannt ab, was der Kerl uns gleich erzählen wird.

"Sag es ihr", fordert mein Kollege ihn auf,
als er in sicherer Entfernung zu uns stehen
bleibt. "Maria Jimenez ist tot", erklärt er in einem gleichgültigen Ton.
"Und weiter?", hake ich nach. Das über zeugt mich kein bisschen. Es mag zwar stimmen, aber ohne weitere Details nützt uns das nicht viel. Der Kerl rückt sein Basecap zurecht. „Mehr habe ich nicht."
Ich sehe zu Terry. "Dein Ernst?"

Der ignoriert mich gekonnt. "Konntest du etwas darüber in Erfahrung bringen, ob ihr Tod etwas mit der Sache vor der Kirche zu tun hat?", fragt er seinen Informanten.

Gespannt warte ich auf eine Reaktion. Als er den Kopf schüttelt, winke ich genervt ab. "Siehst du. Er hat gar nichts, und deshalb holst du mich aus dem Bett. Unfassbar."
"Was will die Tussi überhaupt hier?", be schwert sich der kleine Brillenträger. "Ich tue mein Bestes. Wisst ihr, wie schwer es ist, an Jimenez ranzukommen? Ich kann da nicht einfach so hingehen und ihm Fragen stellen. So läuft das nicht. Vor allem jetzt nicht mehr. Nicht, nachdem seine Frau tot ist." Ethan beaugt ihn kritisch. "Was bedeutet das?" Sein Informant wird unruhig. Jimenez ist stocksauer. "Er wird auf der Suche nach dem Täter halb New York in Schutt und Asche legen. Ihr solltet euch also auf was gefasst machen."

Mein Kollege zuckt unbeeindruckt die Schultern. "Das glaube ich kaum. Ich denke, er weiß genau, wer das war, und es wird nicht lange dauern, bis er sich an ihm rächen wird." Der kleine Kerl sieht verständnislos in die Runde. "Was meinst du?" "Ich meine den König. Die Frau, die vor der Kirche ermordet wurde, hat etwas mit ihm zu tun. Vielleicht war sie diejenige, die Carlos getötet hat. Jetzt hat der König sich wiederum für ihren Tod an Jimenez gerächt, indem er ihm etwas nimmt, das ihm noch mehr am Herzen liegt", mutmaßt Ethan. "Du glaubst diesen wirren Mist doch nicht wirklich, oder?", frage ich.

Und auch der Informant scheint meiner Meinung zu sein, denn er verzieht ungläubig das Gesicht. "Nein, sorry, Mann. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Soweit ich weiß, befinden sich die beiden Clans im Waffenstill stand. Wenn überhaupt, würde ich eher auf die Italiener oder die Russen tippen." "Gut, dann erzähl mir, zu welchem Clan das Mädchen gehört hat", fordert Ethan mit strenger Miene.

Der schmächtige Mann versteht genauso wenig wie ich. Zu keinem, soweit ich weiß. "Wie kommst du darauf, dass sie etwas damit zu tun hat?" "Weil es zeitlich zusammenpasst." "

Das kann aber auch ein blöder Zufall sein", mische ich mich ein. "Es gibt keine Zufälle", fährt mein Kollege mich an.

"Ich muss ihr recht geben", sagt der Informant. "Die Sache mit dem König wäre zu krass. Jimenez hat Schiss vor ihm. Wie alle. Ich glaube, selbst wenn der König seinen Sohn getötet hätte, würde Jimenez sich nicht trauen, sich an ihm zu rächen, weil ..." "Weil was? Genau das passiert, was passiert ist?", fällt Ethan ihm ins Wort. Mein Kollege rauft sich die Haare. "Ihr denkt alle nicht gut genug nach."

"Ich werde versuchen, in Erfahrung zu bringen, wer das war. Mehr kann ich nicht tun." Der Informant scheint genug von Ethans Verschwörungstheorien zu haben. Mir geht es genauso.

"Und beeil dich ein bisschen", ruft Ethan ihm noch hinterher, ehe er aus unserem Blickfeld verschwindet.

"Das war ja eine ganz große Nummer",
murmele ich. Das bringt meinen Kollegen so in Rage, dass er mich an den Schultern packt und schüttelt. "Warum willst du nicht erkennen, was direkt vor dir liegt? Warum nicht?" Sein Blick ist regelrecht verzweifelt. "Du kannst das Ganze nicht nüchtern durchdenken, weil du dieses Mädchen gekannt hast und mit dem Kerl schläfst."

Ich entreiße mich ihm. "Und du kannst es nicht nüchtern durchdenken, weil dich das ärgert. Du bist eifersüchtig. Deshalb stellst du diese blöden Thesen auf." Ethan weicht schief grinsend einen Schritt zurück. "Du machst es dir viel zu einfach, Katelyn. "
"Nein, du machst es dir viel zu einfach", entgegne ich ruppig. "Betrachte den Fall einmal objektiv von außen, dann wirst du feststellen, dass ich recht habe. Erst der Mord an Carlos, kurz darauf wird diese junge Frau mit nur einem gezielten Schuss hingerichtet und wenige Stunden später ist Jimenez' Frau tot. Das sind keine Zufälle."

Ethan schließt die Lücke zwischen uns und drückt mir seinen Zeigefinger gegen die Brust. "Besinne dich darauf, was du bist. Eine fabelhafte FBI-Agentin, die so etwas sofort durchschauen würde." Ich stoße ihn von mir weg. In mir tobt so viel Wut, dass es mir schwerfällt, mich noch länger zusammenzureißen.

"Ich gehe zu Fuß." "Fein, dann hast du genügend Zeit, um über meine Worte nachzudenken." Ethan geht zu seinem Wagen, steigt ein und fährt mit quietschenden Reifen davon.

Leider wird seine Theorie immer plausibler, je länger ich darüber nachdenke. Mich über kommt ein eiskalter Schauer, der meinen Körper zum Beben bringt. Kann es wirklich sein,dass Kisha etwas mit dem Mann zu schaffen hatte, hinter dem ich schon so lange her bin? Bestünde sogar die Möglichkeit, dass Leandro etwas damit zu tun hat? Dass er der...? Nein, ich bringe es nicht übers Herz, so über ihn zu denken. Ethan hat eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Ich sollte mich in Grund und Boden schämen, über so etwas nachzudenken.

| NYC King - Du wirst mich Lieben |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt