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𝐿𝑒𝑎𝑛𝑑𝑟𝑜

Der starre Blick meines Bruders ruht auf mir. "Hast du es geregelt?", fragt Jason und unterbricht damit die eisige Stille, die seit über einer Stunde zwischen uns herrscht.

"Du willst jetzt, in dieser Situation, über sie reden?" Kopfschüttelnd greife ich in die Tasche meines langen, schwarzen Mantels, hole meine Lederhandschuhe heraus und ziehe sie an.

Jason legt den Kopf an die Lehne, dreht ihn dabei in meine Richtung. "Also hast du?" "Was hätte ich in der einen Minute, in der ich mit ihr gesprochen habe, tun sollen?" Ich weiß, worauf mein Bruder hinauswill, und mir ist auch klar, dass ich die Sache mit Katelyn nicht mehr länger vor mir herschieben kann. Aber es wird nicht das passieren, was Jason sich darunter vorstellt. Ich werde sie nicht töten, und ich werde es auch nicht zulassen, dass er Hand an sie legt. Katelyn gehört mir.

"Du weißt, wie ich ticke. Wenn es mir zu bunt wird, werde ich eingreifen und die Sache nach meinem Geschmack regeln", antwortet er seelenruhig. Diese augenscheinliche Ruhe ist ein verräterisches Zeichen. Jason ist wieder einmal kurz davor, aus der Reihe zu tanzen. Seine Psychosen gehen mir so sehr auf die Nerven wie niemals zuvor.

"Wenn du schon wieder so anfängst, kannst du deinen Scheiß echt allein machen." Er zieht die Nase kraus. "Das hier?" Er schüttelt den Kopf. "Nein, mein Bruder. Das war deine dumme Idee, und ich frage mich immer noch, wie du dir das vorstellst." "Nicht das hier", entgegne ich spitz. Ich werde Maria Jimenez erledigen, werde mich an ihrem Tod ergötzen, mir ihren letzten war men Atem ins Gesicht wehen lassen, ihr in die Augen sehen, wenn sie ihr Leben aushaucht. Das werde ich mir sicher nicht nehmen lassen.

"Nein, ich meine, dass du mal wieder denkst, du wärst der Alleinherrscher. Ich wollte dir die Alleinherrschaft übergeben, aber du wolltest sie nicht. Du hast mich dazu ge zwungen, zurückzukommen und Dinge zu tun, die ich nie mehr tun wollte." Ich werfe ihm einen wütenden Blick zu. "Und jetzt ziehst du wieder dieselbe Show ab? Langsam wird es echt anstrengend, Jason." "Weil ich glaube, dass du gerade dabei bist, Fehler zu machen. Riesige, große... solche die unser Geschäft ruinieren könnten, und das werde ich nicht zulassen", kontert er. "Du stellst also mein Können infrage. Genau jetzt?" Ich nehme den Blick von ihm, beobachte stattdessen die Umgebung. Diese Gegend ist die Hochburg der Jimenez. Sie haben im Stadtteil Queens das Sagen. Allerdings nicht mehr vollständig. Des halb sind sie auch so angepisst. Es hat mich damals eine Menge Arbeit gekostet, Eduardo über einen Mittelsmann zu verklickern, dass wir ihnen den restlichen Stadtteil überlassen, sie nicht weiter zurückdrängen, wenn sie uns das lassen, was wir bereits erobert haben.

Jimenez hat sich darauf eingelassen und sich bis zum Tod seines Sohnes an alle Absprachen gehalten. Jason hätte den Waffen stillstand nicht brechen dürfen. Das ist ein weiteres Problem meines Bruders. Er ist raff süchtig.

Wir haben so viel. Unser Imperium erstreckt sich über die gesamte Bronx, über Manhattan, und eine kleine Spitze von Queens haben wir auch. Das sollte reichen. Wir sind damit allen anderen Clans um Längen voraus. Wir halten das Zepter in der Hand. Aber Jason scheint das nicht zu reichen. Er will alles. Jeden Stadtteil beherrschen und besitzen. Je höher man fliegt, desto tiefer ist der Fall. Das ist es, was er nicht verstehen will.

"Ich weiß, was du draufhast, aber ich vertraue dir nicht mehr." Jason zieht hörbar Luft durch die Nase ein.

"Dann solltest du ja kein Problem damit haben, dich in Zukunft wieder allein um die Geschäfte zu kümmern, sobald das hier erledigt ist."

Er kann mich mit seinen Aussagen nicht treffen oder gar aus der Reserve locken. Jason weiß, dass ich nicht für immer bleiben werde. Unser Imperium ist mir längst nicht mehr so viel wert wie ihm.

Er lacht diabolisch. "Wenn du das hier durchziehst, dann gibt es kein Zurück mehr. Du wirst nicht mehr einfach so davon spazieren können, wie du es schon mal getan hast. Sobald du Maria Jimenez erledigst, wird er uns jagen." Jason fährt sich nachdenklich übers Kinn. "Und nicht zu vergessen die Sache mit Katelyn."

Er will mich reizen, aber das wird er nicht schaffen. Nicht jetzt. Ich befinde mich in dem Tunnel, den ich nie mehr hatte betreten wollen. Wenn man einmal eine gewisse Schwelle überschritten hat, ist es fast ein Selbstläufer. Ich habe im Laufe der Jahre so viele Menschen getötet, dass ich sie nicht einmal mehr zählen kann. Es war eine Zeit, in der ich nichts gefühlt habe. Nicht einmal Hass. Ich habe lediglich funktioniert. Meine Arbeit getan und Dinge erledigt, die in diesem Business unum gänglich sind.

Doch jetzt ist das anders. Ich wollte dieser Zeit den Rücken kehren, sie vergessen und wieder zu dem Jungen werden, der ich einst war. Einem, der das Herz am rechten Fleck trägt. Seitdem Katelyn wieder in meiner Nähe ist, fühle ich wieder Dinge, die längst vergessen schienen. Von denen ich dachte, ich hätte sie für immer verloren. Doch diese Dinge sindes nun auch, die Kishas Tod so schmerzhaft machen.

Wäre Katelyn nicht wieder aufgetaucht, und hätte sie nicht diese Gefühle in mir geweckt, hätte ich den Mord an meiner Schwester vermutlich anders wahrgenommen. Jetzt aber leide ich bitterlich. Und das ist der Grund, warum Maria Jimenez' Tod mich wie kein anderer davor befriedigen wird. Die Auswirkungen sind mir scheißegal. Damit werde ich leben müssen, und ich bin auch bereit, es zu tun. "Wir werden das auf meine Weise erledigen", mache ich Jason klar. "Gut, wie du meinst. Aber warum gerade hier? Wir können die Leiche niemals ungesehen von hier wegschaffen." Er sieht durch den Rückspiegel. "An jeder verdammten Straßenecke stehen Jimenez. Wir können nicht einfach da reinlatschen, sie umlegen, in den Kofferraum packen und abhauen. Das wird nicht funktionieren."

"Das werden wir auch nicht tun", entgegne ich ruhig. Jason verschränkt die Arme vor der Brust. "Dann wäre es langsam an der Zeit, mir zu sagen, wie du dir das vorstellst." Sollte ich wohl. Denn Maria wird jeden Augenblick die Hinterhofabsteige verlassen, in der sie sich einmal wöchentlich rumtreibt. Keine Ahnung, was sie da tut. Irgendwelchen Weiberkram. Auf jeden Fall wird es ihr letztes Mal gewesen sein.

Ich deute auf die schmale Tür, die man über drei kleine Treppenstufen erreicht. "Sie wird da gleich rauskommen. Ich werde aus steigen, sie mir schnappen, ehe sie die Haupt straße erreicht, und sie erledigen. Es sind dieeinzigen Sekunden, in denen sie unbeobach tet ist. Sobald sie die Seitenstraße verlässt, ist sie von Jimenez umzingelt. Wir würden nicht mehr an sie rankommen."

"Und weiter? Wie willst du ihre Leiche weg schaffen? Die bekommen wir niemals über den Zaun." Das Hindernis, das zwischen uns und der Seitenstraße liegt, kann ich nur allein überwinden. Nichts anderes habe ich vor.

"Gar nicht. Ich werde sie liegenlassen", antworte ich. Jason schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. "Drehst du jetzt völlig durch?"

"Er hat uns Kisha präsentiert, also werden wir ihm jetzt seine geliebte Frau präsentieren." Ich öffne die Wagentür. "Und du hältst dich bereit. Wir müssen danach so schnell es geht von hier weg."
Jason packt mich am Arm. "Du wirst das
bitter bereuen." Ich reiße mich von ihm los. „Nein, Eduardo wird es bitter bereuen, unsere Schwester damit reingezogen zu haben."

"Wenn die Bullen etwas davon erfahren, werden wir aus allen Richtungen gejagt. Tu das ..." Seine Worte verschwimmen in meinem Gehörgang. Egal, was er versuchen würde, er könnte mich nicht davon abhalten.

In mir kehrt tiefe Stille ein. Ich blende alles
um mich herum aus, habe nur noch mein Ziel vor Augen. Als die Tür geöffnet wird und Maria Ji menez ins Freie tritt, ziehe ich den Edelstahl draht, an dem ich an den Seiten zwei kleine Holzstücke befestigt habe, aus der Tasche. Aus dem Dunkeln springe ich auf sie zu undschlinge ihn ihr so fest um den Hals, dass ihr nicht mal ein kleiner Schrei entweicht.

Die zierliche Frau rudert mit den Armen. Ihre Beine tragen sie nicht mehr. Ich gehe mit ihr in die Knie, sehe dabei zu, wie sich der Draht immer tiefer in ihren Hals schneidet. Das warme, dunkle Blut sammelt sich in ihrem Ausschnitt.

"Das ist für meine Schwester, sag das deinem Mann, wenn er dich in der Hölle besuchen kommt", fauche ich ihr ins Ohr.

Sie bäumt sich unter mir auf, versucht weiterhin, den Draht um ihren Hals zu fassen zu bekommen, doch es gelingt ihr nicht. In wenigen Augenblicken wird ihr Leben erloschen sein. Für immer. Ihr letzter Atemzug wird mich erlösen.

Ich werde diesen Moment in mir aufnehmen und mich jedes Mal daran laben, wenn mich der Schmerz über Kishas Tod ereilt.









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