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𝐿𝑒𝑎𝑛𝑑𝑟𝑜

Der schmächtige Mexikaner hat nichts Beeindruckendes an sich. "Sie sind es." seine Herkunft nicht verleugnen. Der spanische Akzent ist deutlich. Sein schwarzes, lichter werdendes Haar trägt er zu einem kleinen Zop zusammengebunden. In sein Gesicht haben sich tiefe Falten gegraben, die durch den dunklen Teint noch auffälliger sind. Zwischen seiner breiten Nase und den schmalen Lippen trägt er einen Oberlippenbart.

Ich nehme die Hände vor der Körpermitte zusammen, stelle die Beine noch ein wenig weiter auseinander und nicke.

"Wie sind Sie hier reingekommen?", will er aggressiv wissen. Ich könnte etwas sagen wie: Ich habe auch deine Frau gefunden. Aber ich lasse es lieber. Ich will Jimenez nicht absichtlich provozieren. Ich kenne jeden meiner Feinde genau, weiß, wo sie sich wann aufhalten und vor allem, wie ich zu ihnen gelangen kann, falls es nötig sein sollte. Heute ist es nötig. Deshalb habe ich es mir nicht nehmen lassen, Jimenez höchstper sönlich in der kleinen Kaschemme in Queens aufzusuchen, von der aus er seine Geschäfte koordiniert. Seine Hand bewegt sich zu seinem Hosen bund, um seine Waffe zu ziehen. Ich verharre an Ort und Stelle, schüttele nur den Kopf. "Das würde ich lassen."

Eduardo atmet schwerfällig. An seinem düsteren Blick kann ich erkennen, wie sehr er mich hasst. Dass das Ganze auf Gegenseitig keit beruht, ist ihm hoffentlich klar.

"Ich will, dass wir die Unstimmigkeiten aus
dem Weg räumen und uns wieder um unsere Geschäfte kümmern." "Sie haben meine Frau getötet", faucht er. "Wie kommen Sie darauf, dass ich mich je mals wieder auf einen Waffenstillstand einlasse? Ich werde erst ruhen, wenn Sie eben falls unter der Erde liegen."

Das hat er nett ausgedrückt. Ich winke grinsend ab. "Ich halte nichts von Erdbestattungen, aber lassen wir das." Ich mache eine lange Pause und gehe dabei einige Schritte auf ihn zu. "Sie haben noch viel zu verlieren, Eduardo. Wie viele Kinder haben Sie gleich noch?" Ich sehe gespielt nachdenklich an ihm vorbei. „Ich hingegen habe nichts mehr zu verlieren. Gar nichts. Sie haben mir bereits alles genommen, was mir je etwas wert war, Nun überlegen Sie mal, wer besser wegkommt. Ich habe keinen Skrupel, jeden einzel nen ihrer Sprösslinge abzuschlachten, wenn Sie nicht umgehend einer Waffenruhe zustimmen. Und glauben Sie mir, ich weiß, wo Ihre Söhne gerade sind."

Eduardo zupft sich am hellblauen Hemdkragen. "Dann ist es also ein Gerücht, dass der Prinz Ihr Bruder ist." Ich schiebe die Hände leger in die Hosentaschen. "Nein, ist es nicht. Aber ich kann Ihnen eins sagen: Er ist nicht minder gefährlich. Sollten Sie mir auch nur ein Haar krümmen, tritt er in meine Fußstapfen, und sollten Sie stattdessen ihn erledigen, werde ich deshalb keine einzige Träne vergießen. Sie können mir das glauben oder auch nicht. Wir können das Spiel gern auf die Spitze treiben. Ich kann Ihnen aber bereits jetzt versichern, dass ich derjenige sein werde, der es gewinnt."

"Sie sollten mich nicht unterschätzen." Eduardos Blick wird noch finsterer. Es ist wohl das letzte Aufbäumen des alten Mannes. Er weiß, dass er gegen mich keine Chance hat. "Wir sollten uns wieder um unsere Geschäfte kümmern", wiederhole ich mein Anliegen. "Wir haben es einmal geschafft, einen Waffenstillstand zu vereinbaren, dann sollte ein weiteres Mal kein Problem darstellen."

"Da haben Sie sich mir aber nicht gezeigt und hatten auch noch nicht meine Frau getötet!", brüllt er. "Warum zeigen Sie sich plötzlich? Sie wussten, dass wir ahnen, wer Sie sind, und jetzt haben Sie wohl gedacht, Angriff ist die beste Verteidigung, oder wie? Wenn ich mit Ihnen fertig bin, sind Sie nicht mehr der König Ihres Reichs, sondern nur noch der Hofnarr" Ich zucke unbeeindruckt die Schultern.

"Gut, Sie wollten es nicht anders." Eduardo verengt die Augen. Ich zücke mein Handy und wähle Jasons Nummer. Es klingelt nur einmal. "Jimenez will keinen Waffen stillstand Du kannst Emanuel jetzt die
Kehle durchschneiden." Jimenez entgleisen die Gesichtszüge. "Haben Sie wirklich gedacht, ich komme ohne eine Absicherung zu Ihnen?", hake ich halbherzig grinsend nach. "Ihre Entscheidung. Entweder Sie treffen eine neue Vereinbarung mit mir, oder Ihr nächster Sohn wird sterben."

Als er nicht sofort reagiert, füge ich hinzu: "Und falls Sie sich rächen wollen  es gibt nichts, womit Sie mich treffen können." Ich gehe noch einen Schritt auf ihn zu. "Überlegen Sie sich also gut, was Sie mir gleich antworten."

Meine Drohung scheint noch nicht genug Wirkung zu zeigen. "Halte Emanuel das Handy ans Ohr", weise ich Jason an. "Er soll sich von seinem Vater verabschieden und mit hören können, dass dem der Streit zwischen unseren beiden Clans wichtiger ist als das Leben seines Sohnes."

"Padre, ich bin es... Emanuel... ich...",
stammelt eine hörbar aufgelöste Stimme in
den Hörer.

"Okay, das reicht", unterbreche ich ihn. Jimenez versucht, ruhig zu bleiben, doch es fällt ihm unheimlich schwer. Seine von sichtbaren Adern durchzogenen Hände ballen sich zu Fausten. Seine Mundwinkel zucken, und seine Augapfel treten hervor, als wollten sie gleich aus den Höhlen springen. "Für welche Variante entscheiden Sie sich?", frage ich ruhig.

"Lassen Sie ihn gehen. Sofort. Ich werde eine neue Waffenruhe mit Ihnen eingehen" Eduardo Jimenez wirkt sichtlich erschöpft.

Auch für mich ist es alles andere als einfach. Der Kerl hat Kisha auf dem Gewissen. Es fällt mir schwer, ihm nicht den Garaus zu machen. Doch ich weiß, dass, wenn ich das tue, alles aus dem Ruder laufen würde.

Ohne Jimenez an der Macht ist der Clan nur noch ein Haufen wildgewordener Mexikaner, die nichts auf dem Kasten haben und es zu ihrem Lebensinhalt machen würden, uns zu jagen. Wir hätten niemals mehr Ruhe vor ihnen. Es würde nicht lange dauern, bis die Bullen das Chaos ausnutzen und uns alle hochnehmen.

"Du kannst ihn laufenlassen", teile ich Jason mit und lege dann auf. Ich halte Jimenez die Hand hin. "Dann sind wir im Geschäft?" Er nimmt demonstrativ die Arme hinter den Rücken. "Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich die Hände berühre, die meine Frau getötet haben. Meine mündliche Zusage muss reichen." "Auch gut." Ich nicke ihm zum Abschied zu. "Ich hoffe, wir müssen dieses Gespräch nie mals wiederholen." "Das hoffe ich auch", ruft er mir nach, ehe ich die Tür hinter mir schließe.

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"Das ist richtig gut gelaufen", freut Jason sich. "Ich habe dir doch gesagt, ich regle das." Ich warte, bis sein blaues Mustang Cabrio zum Stehen kommt und will aussteigen, doch mein Bruder hält mich zurück.

"Warte. Ich will noch eins von dir wissen: Was ist mit Katelyn?" Ich lasse von der Wagentur ab und drehe mich zu ihm um. "Was soll mit ihr sein?"

"Müssen wir uns auf irgendwas vorberei ten? Zum Beispiel, dass das FBI demnächst nicht nur deinen Laden stürmt, sondern auch unsere Lagerhalle?"

Wäre ich ehrlich zu ihm, dann müsste ich ihm sagen, dass das unter Umständen passieren könnte, doch ich will nicht daran glauben, deshalb behalte ich diese vage Vermutung für mich. Katelyn wird sich nicht gegen mich stellen, dessen bin ich mir sicher. Sie liebt mich. Auch wenn es nicht gereicht hat, um bei mir zu bleiben, so ist es doch genug, damit sie mich nicht verpfeift.

Umso schwerer macht es mir zu schaffen, dass ich sie ein zweites Mal verloren habe. Ich habe es nicht geschafft, sie vollständig von mir zu überzeugen. Sie wollte nicht bleiben. Das ist die größte und schmerzhafteste Niederlage meines gottverdammten Lebens. "Sie wird uns nicht verraten." "Sicher?", hakt Jason nach.

Ich klopfe ihm auf die Schulter. "Sicher. Und jetzt mach, dass du wegkommst. Ich muss in den Laden, und du solltest dich um die neue Ware kümmern."

Jasons Mundwinkel zucken. "Geht klar, Boss."

Ich kann ihm ansehen, wie sehr er sich gewünscht hat, das endlich wieder zu mir sagen zu können.

"Man sieht sich", verabschiede ich mich Mit gemischten Gefühlen betrete ich das Wish. Es war mein Traum, mit diesem Laden auf den rechten Weg zu kommen. Doch jetzt bin ich so weit davon entfernt, dass ich glaube, dass ich ihn niemals erreichen kann. Nicht mehr in diesem Leben.

| NYC King - Du wirst mich Lieben |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt