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𝐿𝑒𝑎𝑛𝑑𝑟𝑜

Seit zehn Minuten klopfe ich ununterbrochen an Katelyns Tür, doch sie weigert sich, mir zu öffnen. "Ich weiß, dass du da bist. Wieso machst du nicht auf?"

Seit dem Vorfall auf dem Friedhof gestern ist Jason noch wütender. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn noch im Zaun halten kann. Und Katelyn ist danach einfach gegangen. Sie hat nicht gewartet, bis die Beerdigung zu Ende war, um mit mir zu sprechen. Ihr sind die Zusammenhänge noch nicht ganz klar, deshalb hat sie sich auch zurückgezogen. Sie muss nachdenken. Und ich kann ihre Gedankengänge vorhersagen.

Zunächst wird ihr klar werden, dass Kisha nichts mit der ganzensche zu tun hat und nur ein Opfer ist. Genauso wie Maria Jimenez. Bleibt die Frage: Bin ich der Mann, hinter dem sie her ist, oder ist es Jason? Meinen Bruder wird sie zuerst im Verdacht haben, das wäre am naheliegendsten. Sie kennt ihn, weiß, wie er ist. Dennoch hält sie mich nicht mehr für unschuldig. Ihre erste Vermutung - oder eher Hoffnung wird sein, dass ich ihn nur decke.

Doch Katelyn ist schlau. Sie wird bald alle Puzzleteile richtig zusammengesetzt haben. Wenn ich sie bis dahin nicht von mir über zeugt habe, dann...

Ich unterbreche meine Grübelei, als die Tür geöffnet wird. "Was willst du hier, Leandro?" Sie hat dunkle Ringe unter den Augen, ihre Stirn ist in Falten gezogen. Sie ficht einen inneren Kampf mit sich selbst aus, das kann ich ihr ansehen. "Mit dir sprechen." Ich erhöhe den Druck auf sie, indem ich direkten Blickkontakt halte. "Ich werde hier nicht weggehen, bevor du mir
nicht gesagt hast, was auf einmal in dich gefahren ist." Sie öffnet die Tür ganz, tippt sich gegen die Brust. "In mich?" Ihre dunklen Augen strahlen etwas aus, was ich bisher noch nie an ihr gesehen habe. Hass. Katelyn scheint keine Angst vor mir zu haben. Nein, sie hasst mich. Diese Erkenntnis lähmt mich für einen kurzen Augenblick. Das hätte nicht passieren dürfen. So war das nicht geplant.

"Würdest du mir jetzt bitte sagen, was mit dir los ist? Du weißt, ich stehe nicht auf solche Spielchen. Wir haben uns immer alles gesagt,und ich dachte, das wäre nach wie vor ein un geschriebenes Gesetz zwischen uns." Katelyn verzieht gequält den Mund und un terdrückt offenbar ein sarkastisches Lachen. "Wenn hier jemand Spielchen spielt, dann bist du es." Okay, das reicht. Ich habe mich lange genug zurückgehalten. Mit einem Tritt gegen die
Tür verschaffe ich mir Zutritt zu ihrer Woh
nung. Katelyn weicht mir zwar aus, wirkt aber keinesfalls überrascht ob meiner Gewalt.

Sie verschränkt die Arme vor der Brust und mustert mich durchdringend, geht dabei aber einige Meter auf Abstand. "Das bist jetzt also du. Der neue Leandro",
murmelt sie. In diesem Moment wird mir klar, dass meine Zeit abgelaufen ist. Sie ist schon viel weiter in ihrem Denkprozess, als ich angenommen habe.

Ich schließe die Tür hinter mir. "Ich weiß nicht, was du damit sagen willst", stelle ich
mich dumm. Katelyn, die ihr Haar zu einem Zopf zusam mengebunden hat und damit viel strenger als sonst aussieht, atmet tief aus. "Ich will, dass du mir einige Fragen beantwortest."

"Kein Problem. Ich weiß zwar nicht, worauf du hinauswillst, aber bitte."

Sie sucht in meinem Gesicht nach Hinweisen, doch die wird sie nicht bekommen. Wenn ich eins in all den Jahren gelernt habe, ist es, mich zu verstellen und dabei das vorzugaukeln, was mein Gesprächspartner erwartet. "Wie konntest du dir den Platz auf dem Friedhof sichern? Wer finanziert das? Wo war eure Mutter und Kishas Freunde? Die Kirchengemeinde oder ...?" Sie unterbricht sich selbst und bedeutet mir, ihr zu antworten. "Kannst du dich noch an Mr. Montgomery erinnern? Er hat sehr viel Macht in dieser Stadt und hat mich dabei unterstützt, dass ich Kisha dort beerdigen lassen kann, wo sie es gewollt hätte. Und unsere Mutter war nicht da, weil sie einen Nervenzusammenbruch erlitten hat und..."

| NYC King - Du wirst mich Lieben |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt