•26

316 14 0
                                    

𝐿𝑒𝑎𝑛𝑑𝑟𝑜

Jasons mörderischer Blick lässt mich wissen, dass er gerade mal wieder auf einem seiner Selbstzerstörungstrips ist. Er kann dann nicht mehr klardenken, sich nur schwer kontrollieren und tut oft Dinge, die ihn am Ende teuer zu stehen kommen. "Wo ist sie?" "Ich dachte, du wolltest versuchen, bei Peruzzi zu landen? Und wovon redest du über haupt?" Ohne ihn auch nur eine Millisekunde aus den Augen zu lassen, stehe ich auf, schließe den unteren Knopf meines Jacketts und schlendere seelenruhig in die andere Ecke meines Büros, in der sich eine kleine Bar befindet. "Willst du auch einen?" Ich schenke einen Shot Whisky ein und hebe das Glas einladend hoch. Jason schüttelt den Kopf. Seine Wangen sind knallrot. Seine Augen weit aufgerissen. "Ich frage dich jetzt noch einmal, WO IST SIE?", wiederholt er in so einem gehässigen Ton, dass ich mich beinahe am Whisky verschlucke. Ich gehe zurück zum Schreibtisch, setze mich wieder und nehme eine betont ent spannte Haltung ein. "Komm wieder runter und sag mir, was zur Hölle du meinst." Mein Bruder schnellt vor, ballt die Hand zu einer Faust und schlägt damit so schwungvoll auf das dunkle Holz meines Schreibtisches ein, dass das Glas ins Kippen gerät. Ich kann es in letzter Sekunde auffangen. Jason stützt sich auf dem Tisch ab und beugt sich mit gefletschten Zähnen vor zu mir. "Ich meine Katelyn. Wo ist sie?" "Was? Wir reden über Katelyn? Wieso?", frage ich ernsthaft irritiert. Ich hatte dir doch klargemacht, dass sie mein Problem ist. "Katelyn geht dich nichts an." Jason richtet sich wieder auf und blickt auf mich herunter. "Problem. Das hast du schön gesagt", meint er zynisch und so ruhig, dass mir klar ist, er steht kurz davor, komplett auszuflippen. Es dauert auch nur einige Atemzüge, ehe er lauthals losbrüllt "Wann zur Hölle wolltest du mir sagen, dass sie ein Bulle ist?" Ungewollt entgleisen mir für einen Moment die Gesichtszüge. Normalerweise lasse ich mir niemals in die Karten schauen. Ich bin für mein Pokerface bekannt. Das hat mir schon oft das Leben gerettet. Aber jetzt verliere ich kurz die Fassung. Woher weiß er das?Das entgeht meinem Bruder nicht und bringt ihn noch mehr in Rage. "Noch dazu ist sie nicht irgendeine kleine, unbedeutende Streifenpolizistin. Sie ist beim verdammten
FBII, tobt er. Und versuche mir jetzt ja nicht welszumachen, dass du keine Ahnung davon hattest" Wenn ich mich nicht sofort zusammenreiße um ihn die Stirn zu bitten,  wird das Ganze eskalieren. Ich suche nach einer plausiblen Erklärung, doch es gibt keine. "Natürlich weiß ich davon, und wie ich dir bereits gesagt habe, ist sie mein Problem." Jason runzelt die Stirn und mustert mich aufmerksam. "Willst du mich verarschen? Deine Ex ist ein gottverdammter Bulle, und du verschweigst es mir? Weiß sie, was du hier so treibst? Weiß sie, wovon du den Club gekauft hast, und weiß sie, wie viele Menschen du gekillt hast, seitdem ihr euch damals getrennt habt?" Er beugt sich wieder vor zu mir. "Weiß sie, dass sie mit dem meistgesuchten Drogen kartell boss New Yorks in die Kiste steigt?" Noch ehe ich etwas dazu sagen kann, schüttelt Jason wissend den Kopf. ,,Du musst mir nicht antworten. Ich kenne Katelyn. Wüsste sie, wer du wirklich bist, hätte sie keine Skrupel, dich ans Messer zu liefern. Sie verurteilt Kriminalität jeglicher Art, und wie man an ihrem Job sehen kann, heute noch viel mehr als früher. Was also hast du dir dabei gedacht?" "Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst,dann ..." "Dann was? Verpfeifst du mich bei den Bullen?" Jason lacht hämisch. "Ihre Muschi ist dir also mehr wert als alles, was wir uns gemeinsam aufgebaut haben? Was kann sie? Koks herstellen? Besteht sie aus Gold? Was zur Hölle ist mit der Pussy, dass du sie so ...?" Er winkt genervt ab. "Du bist dieser Fotze schon wieder vollkommen erlegen. Hör auf da mit. Ist mir egal wie, aber hör auf. Du ruinierst damit nicht nur dein Leben, sondern auch meins." Ich habe ihm genug Raum gelassen, um sich auszukotzen. Nun reicht es. "Schön, dann weißt du jetzt, wie es sich anfühlt", antworte ich ruhig, leere mein Glas und stehe auf, um mir Nachschub zu holen.
"Du willst deine Affäre mit einem Bullen mit Carlos Tod vergleichen? Du machst dich lächerlich." Ich stelle das leere Glas auf der Bar ab, mache auf dem Absatz kehrt und gehe drohend auf ihn zu. "Nein, du machst dich lächerlich. Hättest du nicht so eine verdammte Scheiße gebaut, müsste ich mich schon längst nicht mehr mit dem ganzen Mist abgeben." Jason weicht lachend einen Schritt zu rück. "Ach, jetzt verstehe ich. Deshalb bist du so sauer auf mich. Du dachtest, du könntest mit der Bullenmieze in ein ehrliches, erfolgreiches, spießiges Leben starten. Du als smarter Clubbesitzer, während sie für Recht und Ord nung auf New Yorks Straßen sorgt."
"Halt dein Maul!", fahre ich ihn an.

Ich muss mich zusammenreißen, um ihm nicht die Fresse zu polieren. Ich weiß, egal, was immer ich jetzt auch sage oder tue, es wird nicht besser werden. Jason hat Katelyn auf der Abschussliste. Sie ist eine Gefahr für uns alle. Er wird sie umbringen, sobald er die Gelegenheit dazu bekommt. "Du hörst mir jetzt gut zu..." Ich schließe die Lücke zwischen uns und tippe ihm mit dem Finger gegen die Brust. ,,Wenn du sie an fasst, sind wir keine Brüder mehr."
Jason weiß, was das bedeutet. Seine Mimik wird starr, da ihm wohl gerade klar wird, wie ernst es mir ist. Er schiebt die Hände in die Hosentaschen seiner dunklen Jeans, wippt auf den Fußballen leicht vor und zu rück. "Das heißt dann also, dass sie über mir steht. Gut zu wissen." Ja, das tut sie. Auf eine ganz besondere Art und Weise, die niemand verstehen kann. Jason schon gleich dreimal nicht. In unseren Adern mag dasselbe Blut fließen, aber sollte er sich an ihr vergreifen, würde ich keine Sekunde zögern, ihn umzulegen. Er würde durch die Hand sterben, die ihn großgezogen hat. Die Sache ist nicht verhandelbar. Und er weiß so gut wie ich, dass ich mich an meine Versprechen halte. "Du machst einen riesigen Fehler. Du musst dich darauf besinnen, wo du her kommst. Was wir nach eurer Trennung alles geschaffen haben, wie stark du dich verändert hast. Und vor allem musst du einsehen, wer du jetzt bist." Das kühle Blau in Jasons Augen scheint zu gefrieren. "Du bist der König." "Und du bist tot, wenn du sie auch nur an fasst. Hast du das jetzt kapiert?", hake ich nach. Jason zuckt unbeeindruckt die Schultern. "Ich werde mir das Ganze auf jeden Fall nicht lange mit ansehen. Ich werde unser Imperium schützen, selbst wenn ich dafür mein Leben lassen muss. Irgendwann wird eine Zeit kommen, in der du mir dafür danken wirst."

Vielleicht wäre es besser, ihn gleich aus dem Weg zu schaffen. Zum ersten Mal tobt so viel Unsicherheit in mir, dass ich mich hand lungsunfähig fühle. Ich bin kein Typ, der lange zögert. Ich reagiere immer blitzschnell. Doch diese Situation lähmt mich. Es wird der Tag kommen, an dem ich zwischen Katelyn und meinem Bruder werde wählen müssen. Zwischen Gegenwart und Zukunft. Zwischen Dunkelheit und Erlösung. Und zwischen Leben und Tod. Bleibt nur die Frage Für welche Seite werde ich mich letztendlich entscheiden?





| NYC King - Du wirst mich Lieben |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt