39) „Wer kein Herz hat kann es auch nicht verlieren"

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Y/N POV:
Die Blätter und Äste streifen meine Beine. Ein Kitzeln und Kratzen, welches sich auf meiner Haut ausbreitet.
Kitzeln und Kratzen beschreibt die ganze Situation ziemlich gut. Zu gut.
Gott... worauf lasse ich mich da nur ein...
Ein kitzeln in meinem Bauch, dass mir gar nicht gefällt und ein kratzen in meinem Herzen, dass mir noch weniger gefällt.
Ein Lächeln umspielt meine Lippen.
Flashback:
Ein typischer Samstagabend.
Ich liege in meinem weißen Bett - seitlich, wie immer.
Rosa Spannbettlaken, weiße Bettwäsche mit zierlichen Blumen, dunkelgraue Kuscheldecke.
Mein Kopf liegt auf dem braunen kuscheligen Teddybären, den meine Mutter mir zur Geburt gekauft hatte und der seitdem die wohl einzige Konstante in meinem Leben ist.
Scheiße, nichts ist mehr wie vorher außer dieser beschissene braune Teddybär mit den Knopfaugen.
Das Schreien hinter der weißen Türe meines Zimmers wird immer lauter und wie immer verstehe ich das „Geh in dein Zimmer Y/N", welches meine Mutter mir jedes gottverdammte Mal hysterisch "ans Herz legt" oder wohl eher in den Verstand schreit, kein bisschen.
Ich höre auch in meinem Zimmer alles.
Jedes Wort.
Jede Beleidigung.
Und jede einzelne Bedeutung seiner Sätze und ihrer Rechtfertigungen, denn jede einzelne schreit nur eins: Dass ihr Leben besser ohne mich wäre.
Dass mein Vater mich bereut, sich für mich schämt, mich nicht um sich haben will, er ohne mich glücklicher sei, er sich wünsche ich wäre anders. Und obwohl es meine Mutter nicht ausspricht weiß ich, dass das letztere auch ein Wunsch von ihr ist.
Sie wollte und will mich. Sie liebt mich, wie eine Mutter eben ihr Kind liebt. Von ganzem Herzen. Aber eben nicht mich mich. Sie will das was ich war und vor allem verschwendet sie ihre ganze Kraft dafür sich selbst vorzuspielen, dass irgendwo in mir sich noch das kleine Mädchen versteckt, dass ihr so ähnelt und das sie sich so bitterlich wünscht.
Und es tut weh. Alles an diesem Zusammenleben tut weh.
Es tut ihm weh zu wissen, dass er mich nicht loswird. Dass ich zu ihm gehöre. Sein „Fleisch und Blut bin", denn wenn er könnte dann wäre nicht ich seine Tochter, sondern ein Kind aus dem 16. Jahrhundert ohne eigenen Willen und perfektem Benehmen.
Es tut ihr weh mich so zu sehen wie ich eben bin - Es tut ihr weh sich selbst nicht mehr in mir wiederzufinden. Dass ich alles was ich für sie war nicht mehr bin, außer die Hülle. Nichts außer ihr Ebenbild. Es tut ihr weh zu wissen, dass sie nie die Familie haben wird, die sich so sehr wünscht.
Und es tut mir weh. Es tut mir weh zu wissen, dass der Mann der mich am meisten lieben sollte es kein Bisschen tut.
Es tut weh zu wissen, dass die Person dessen Lieblingsdatum dein Geburtstag sein sollte dich als Last sieht. Als Grund, warum seine Ehe nicht funktioniert. Als finanzielle Last. Dass die Person, die dein Fels in der Brandung sein sollte nicht der Fels ist, sondern die Brandung. Gewaltige Wellen, die mich in den Abgrund ziehen wollen.
Es tut weh, dass es mir so viel besser gehen könnte, wenn ich nach einem Schultag voller Beleidigungen in ein friedliches Zuhause kommen würde in der meine Eltern meine Wunden flicken.
So ist es aber nicht.
Sie reißen sie bloß noch mehr auf.
Keiner liebt und flickt mich. Nichtmal ich selbst.
Stattdessen erlebe ich einen typischen Samstagabend an dem ich all das was ich ohnehin schon jeden Tag höre auch noch an dem Ort höre an dem ich mich so wohl fühlen sollte, wie nirgends anders.
Aber was ist wohlfühlen überhaupt? Ich hab keine verfickte Ahnung mehr. Wie auch? Überall unerwünscht zu sein ist wohl nicht gerade die Definition von einer Wohlfühloase.
„Und nimm deine Dreckstochter mit du-" bevor mein "Vater" die nächste Beleidigung schreit hört man ein lautes Knallen der Haustüre. Er ist beim Schreien gegangen.
Jap.
Ein Samstagabend, wie jeder andere.
Er wird morgen wieder aufkreuzen, nachdem er die ganze Nacht lang keine Ahnung was mit keine Ahnung wem getan hat, dann werden meine Eltern zwei bis sieben Tage nicht miteinander reden, meine Mutter die ganze Zeit von einer Scheidung reden und zuletzt ist plötzlich wieder alles okay, sie lässt sich psychisch und körperlich ausnutzen und mein Erzeuger und ich reden nach wie vor so wenig wie möglich miteinander bis wir uns wieder streiten.
Ein Teufelskreis in dem meine Mutter wohl ihr Leben lang gefangen bleibt.
Erbärmlich und gleichzeitig tut es mir unfassbar leid für sie.
Ehe ich mir das Selbstgespräch meiner Mutter darüber, dass sie ihn hasst und wie sehr sie diese Beziehung mit diesem Mann bereut in der Lautstärke einer ganzen Armee anhören darf, stecke ich mir die weißen Kopfhörer in meine Ohren und öffne Spotify auf meinem Handy.
Meine Finger gleiten wie automatisch zu meiner Playlist, stellen mein Handy auf die höchste Lautstärke und tippen auf Instagram.
Storys von all meinen Klassenkameraden blitzen vor meinen Augen auf.
Stories von Mädels die bei einer Übernachtung Karaoke singen, Stories von wilden Hausparties, Stories von Treffen in der Stadt, im Kino, im Bowlingcenter.
Stories über Stories, aber keiner ist zuhause in seinem beschissenen Bett und hört auch mit verschlossener Zimmertür seinen Vater darüber reden, was ein riesen Fehler man doch sei oder hört trotz Kopfhörern und lauter Musik seine Mutter weinend über eine Scheidung reden.
Ich versuche mittlerweile gar nicht mehr raus zu gehen, um mit ihr zu reden und sie zu trösten. Meine Mutter weiß genauso gut wie ich, dass es niemals anders sein wird.
Es wird immer ein typischer Samstagabend sein.
Es wird immer ein was wäre wenn sein.
Es wird immer ein ich würde mir wünschen, dass ... sein.
Ich würde mir wünschen, dass die Ehe funktioniert.
Ich würde mir wünschen, dass ich richtig bin so wie ich bin.
Ich würde mir wünschen, dass ich einen Vater habe, der ein Vater ist und nicht nur die Bezeichnung „Vater" trägt.
Ich würde mir wünschen, dass das hier kein typischer Samstagabend ist, der immer noch mein Herz bricht.
Und erneut wird mir klar: Wer kein Herz hat kann es auch nicht verlieren.
Und auch wenn ich versuche alles an mir abprallen zu lassen - auch wenn ich versuche, dass es nicht mehr weh tut - Dass es kein Herz mehr gibt, dass an der Vorstellung von einem Vater hängt - kullert eine Träne auf mein Display voller Leute, die nicht eine Millisekunde darüber nachgedacht haben mich zu diesen Treffen einzuladen.
Denn ich bin das ich, dass meine Mutter nicht lieben kann, wie es eine Mutter sollte. Ich bin das ich, dass niemand bei sich haben will.
Flashback Ende
Mein Lächeln schwindet und ein Stechen in meinem Herzen lässt meinen Kreislauf mich kurz quälen.
Niemals lasse ich so mit mir spielen, wie mein Vater mit meiner Mutter spielt...
Allerdings fange ich mich schnell wieder und mein Lächeln findet seinen Weg zurück auf meine Lippen, als ich Daphne und Pansy sehe die mittlerweile im Wasser sind.
Wenn es meine Eltern schon nicht waren, dann sind vielleicht die beiden mein Fels in der Brandung.
Verdammt, wenn ich mir selbst eingestehe wie fucking wohl ich mich bei den beiden fühle fang ich vermutlich noch an zu heulen, wie eine Idiotin.
Grinsend setze ich mich zurück auf meinen vorherigen Platz und schaue dem Spektakel vor meinen Augen zu.
Daphne sitzt auf Pansy's Schultern, während Bletchley auf den Schultern von Theodore sitzt und eher Probleme damit hat sich zu halten (um fair zu sein macht Theo ihm das durch wilde Bewegungen auch nicht gerade leicht), als dass er auch nur versucht Daphne von Parkinson's Schultern zu stürzen.
Das ganze sieht ganz schön bescheuert, aber auch verdammt lustig aus.
Durch ein Tippen auf meiner Schulter drehe ich mich nach links nur um in mir seit Heute bekannte braune Augen zu schauen.
Enzo Berkshire.
Sofort versuche ich meinem Gehirn zu verbieten an Draco's letzte Worte zu denken und lächle den braunhaarigen freundlich an.
Keine Bindungen. Er hat also nicht zu jammern, wenn ich mit wem anders Zeit verbringe.
Draco Malfoy und ich. Rein körperlich...
„Da bist du ja wieder. Hast du gut zum Dorm gefunden?" fragt Enzo mich grinsend und weiß wohl genau, dass ich nicht in meinem Dorm war, allerdings spiele ich sein Spielchen mit und antworte nichtsahnend „Ja bin einfach dem kleinen Weg gefolgt" woraufhin er nur kopfschüttelnd lacht und auf meine Mitbewohnerinnen und seine Freunde zeigt.
„Die spielen jetzt schon seit über 5 Minuten und keiner ist runtergeflogen. Theodore hat den Sinn wohl nicht ganz verstanden und nervt lieber Bletchley und Parkinson macht mir sogar von hier aus so viel Angst, dass ich Daphne im Leben nicht runterwerfen würde" erzählt er mir, den letzten Part dabei so ernst betont, dass ich lautstark beginne zu lachen und sofort einen eiskalten Blick auf meinem Rücken spüre. Malfoy.
„Ja den hat sie gut drauf" lache ich immer noch wegen Berkshire's Bemerkung über Pans, woraufhin er mit mir lacht.
„Am ersten Tag dachte ich auch sie hasst mich" gestehe ich, erzähle jedoch nicht dass das bei wohl jedem der Fall ist.
„Wer weiß, ob sie ihren Zauberstab unter Wasser hält und Bletchley gleich ein Avada Kedavra auf den Hals hetzt. Amüsant wäre es" kichert er immer noch amüsiert, weswegen ich ihn gespielt schockiert anschaue.
„Na hör mal, wenn dann würde sie das mit ihren Händen erledigen und nicht feige mit einem Fluch" versuche ich so ernst wie möglich zu sagen, muss bei seinem besorgten Blick aber sofort wieder lachen.
„Kurz dachte ich du nimmst mir den Witz übel" atmet der Slytherin erleichtert aber immer noch kichernd aus.
Mit einer abwinkenden Handbewegung mache ich dem Slytherin bewusst, dass ich den Humor verstehe und schaue mich um.
Hab ich sonst noch was verpasst?
Die Snacks sind weniger geworden, die Leute immer noch in Gespräche vertieft und es haben sich deutlich Gruppen gebildet. Außerdem sind wir wenn ich mich nicht irre weniger Leute als vorhin noch. Seltsam.
„Wo ist das Arschloch von vorhin eigentlich?" frage ich Enzo und spiele damit auf den winzigen Widerling an, der Daphne anfassen wollte und mich beleidigt hat.
Hoffentlich hat die Backpfeife bei dem wichser gesessen.
„Ein paar von uns sind Arschlöcher, aber keiner von uns toleriert ein so krass ekelhaftes Verhalten. Daphne ist unsere Freundin, der Typ nur ein Bekannter von ner Party. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir den ihr vorziehen oder?" Er wartet gar nicht erst auf eine Antwort „Riddle hat dafür gesorgt, dass er verschwindet." erklärt er mir und ich verstehe nicht nur seine Antwort, sondern auch sofort warum Daphne so hoffnungslos an Mattheo hängt.
Es sind Momente wie diese in denen sie ein Kribbeln im Bauch bekommt und sich sofort auf ihn einlassen würde und das obwohl er sie 90% der Zeit behandelt wie Scheiße.
Sie ist toxisch abhängig von kleinen Momenten in denen sie sich wertvoll fühlt.
Und genau jetzt wird mir klar, dass meine Mitbewohnerinnen und mich viel mehr verbindet als wir denken.
Ich nicke bloß.
„Eingeschritten ist trotzdem keiner von euch" verurteile ich ihn leicht säuerlich, woraufhin er mir seinen kleinen Finger ausstreckt.
Verwirrt schaue ich ihm in seine Augen, die tatsächlich an ein Kuscheltier erinnern - ganz anders als der tobende Sturm von Draco. So... friedlich?
„Wird nie wieder vorkommen. Versprochen." verspricht er und verbindet seinen kleinen Finger mit meinen, während er mir ehrlich in die Augen schaut.
Erneut nicke ich.
„Du warst aber auch verdammt schnell. Hättest du es nicht übernommen hätten Mattheo, Theo, Draco oder ich ihm die Fresse eingeschlagen" lacht er heiser, woraufhin ich grinsen muss.
„Vielleicht musst du ja auch keine Angst vor einem Fluch von Pans haben, sondern vor mir" grinse ich gespielt arrogant woraufhin er wieder laut lacht.
Bevor er etwas erwidern kann werde ich allerdings plötzlich von oben nass getropft und schaue hoch.
„Ich hab gewonnen und fordere jetzt dich heraus Evans. Auch wenn du natürlich keine Chance hast" Parkinson.
Lachend verdreht Daphne die Augen und legt sich extra dramatisch ins Gras.
„Alles klar Pans aber such dir für die Runde einen anderen Partner ich sterbe" kichert die Blondine, weswegen sich Pansy die Hand gegen den Kopf schlägt.
„Erschöpft vom auf meinen Schultern sitzen. Das Mädchen ist verloren" grinst sie.
„Draco du bist mein Partner. Wir müssen gegen Y/N gewinnen." grinst die Brünette, woraufhin ihr Blick über mein oder eher Draco's Shirt schweift.
Schockiert schaut die Schönheit in meine Augen, zeigt auf mich, auf Daphne, auf sich und macht anschließend eine Handbewegung, die Reden darstellen soll.
Mit angespannten Kiefer bewegt sich der Blondschopf auf mich, Enzo und Pans zu - nur um seine beste Freundin mit hochgezogenen Augenbrauen anzuschauen und mir oder eher Enzo einen Todesblick zu schenken, der nicht unbeachtet bleibt und mein Herz zum springen bringt.
Verdammt.
„Und auf wen bitte soll Y/N dann sitzen, wenn nicht auf mir Parkinson?" fragt der Malfoy Erbe sichtlich angespannt und deutet mit seiner Frage schon an dass ich nicht auf einem anderen Jungen sitzen werde, wenn es nach ihm geht.
Andeuten ist nett ausgedrückt, während er aussieht als würde er gleich einen von uns töten.
Ein kribbeln löst sich in meinem Bauch aus... kein nerviges Freund Getue huh...
Pansy grinst bloß teuflisch und zieht mich hoch.
„Na auf Berkshire." grinst die Brünette nun noch hämischer fast so als würde sie den nicht gelungenen Plan von heute Nacht nun jetzt dazu bringen zu gelingen.
Erfolgreich.
Draco's Kiefer spannt sich noch mehr an und seine sonst so vielseitigen Augen sind tiefschwarz.
„Du hast doch kein Problem damit oder Enzo?" fragt die Brünette noch Enzo, der bloß stumm lachend den Kopf schüttelt - fast so als wüsste auch er den Plan.
Mit einem Blick versichert sich Pans, ob ich mit der Situation klarkomme und richtet sich dann wieder an ihren besten Freund.
Ich stehe bloß überfordert dar.
Die Stimmung ist unfassbar angespannt. Man hat das Gefühl das ein einziges Geräusch reichen würde, um eine Explosion zu verursachen und ich hab keine verfickte Ahnung was Parkinson tut.
Das Schlürfen von Daphne lässt meine Aufmerksamkeit kurz auf sie springen.
Die Blondine schlürft mit hochgezogenen Augenbrauen an einem Saft und zwinkert mir zu.
Was verstehe ich nicht, was allen anderen aber klar zu sein scheint?
„Du etwa Malfoy?" frage nun ich provokant an den Blondschopf gerichtet und weiß selbst nicht woher diese Frage kommt.
Aber mein Herz pocht. Es pocht wie wild.
Und als seine Augen auf meine Treffen ist es erneut um mich geschehen.
Ich verstehe nichts, aber ich verstehe, dass sein Herz verlieren viele Bedeutungen haben kann.
Und diese hier verstehe ich kein Bisschen.

"You are broken just like me, right?" Draco Malfoy FF Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt