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„Kaffee! Carolyn, bringen Sie mir Kaffee mit Milch und Zucker!"

„Schon unterwegs."

Ich hatte mit dieser Bitte schon vor Minuten gerechnet und hielt die Tasse bereits in der Hand, als ich das Büro betrat und die Tür mit dem Ellbogen zustieß. Wie durch ein Wunder gelang es mir, dass weder der Kaffee überschwappte, noch mir der Stapel Post runterfiel, den ich in der anderen Hand hielt.

Mit einem freundlichen Lächeln, das mein Chef wie immer übersah, weil er gar nicht aufblickte, stellte ich die Tasse auf den winzigen, dafür vorgesehenen freien Fleck des ansonsten vollkommen überladenen Schreibtischs und legte die Eingangspost in das dafür vorgesehene Fach.

Mein Chef, Frank Jefferson, sah nur kurz auf um nach der Tasse zu tasten, vergaß sich zu bedanken, und nahm einen großen Schluck. 

„Haben Sie die Präsentation fertig, Carolyn?"

„Ja, Frank. Es ist alles für das Meeting um 17 Uhr vorbereitet. Die Präsentation ist auf dem Laufwerk im entsprechenden Ordner abgespeichert. Sie müssen sie bloß mit Doppelklick öffnen. Die Häppchen habe ich bestellt. Den Kaffee bereite ich vor, ehe ich nach Hause gehe."

„Sie müssen heute länger bleiben, Carolyn. Ich brauche Sie fürs Protokoll und Sie müssen sich um den reibungslosen Ablauf kümmern. Ihnen ist doch sicherlich klar, wie wichtig dieses Meeting heute Nachmittag ist."

Ich hatte die fertige Unterschriftenmappe vom Schreibtisch genommen und hielt in der Bewegung inne. „Das ist sehr kurzfristig. Wir hatten besprochen, dass meine Anwesenheit nicht erforderlich ist", erinnerte ich meinen Chef. "Um 17 Uhr habe ich einen privaten Termin."

„Ja, ich dachte, es geht ohne Sie, aber ich brauche Sie hier. Der Termin ist zu wichtig, als dass wir irgendetwas dem Zufall überlassen dürften. Es war schwer genug, die Leute von Dunbrook Real Estate Holding herzulocken, um sich unser Konzept für deren Neubau anzusehen." Er lächelte einschmeichelnd. Wenn er wollte konnte mein Chef richtig charmant sein. „Ihren privaten Termin müssen Sie verschieben. Das verstehen Sie doch sicherlich!"

Ich schluckte. Er warf mir gerade meine komplette Planung für den Abend über den Haufen. Ich sah natürlich ein, dass dies heute ein wichtiges Geschäftstreffen war, denn Frank und sein Geschäftspartner Daniel Leroy wollten den Großauftrag des Immobilienkonzerns noch vor Weihnachten in trockenen Tüchern haben. Wir arbeiteten seit Wochen darauf hin. Doch ich hatte meinen beiden Neffen versprochen zu ihrer Schulaufführung zu kommen und die begann nun mal um 17 Uhr.

„Sie können dann weitermachen, Carolyn."

Er ließ mir keine Gelegenheit, noch etwas zu sagen, sondern wandte sich wieder seinem Computerbildschirm zu. Für meinen Chef war das Thema damit offenbar erledigt. Ich presste die Unterschriftenmappe an mich und zog mich mit einem bleiernen Gefühl im Magen zurück. 

Normalerweise machte es mir nichts aus, länger zu arbeiten, aber die Zwillinge hatten sich gefreut, dass ich zu ihrem Schulfest kommen würde und sie würden enttäuscht sein, wenn ich so kurzfristig absagen musste. Sobald ich an meinen Schreibtisch zurückkam griff ich nach meinem Telefon und wählte die Nummer meiner Schwester. 

„Hi, Sandra."

„Hey! Hast du an den Kuchen gedacht?"

Ich blinzelte und zögerte mit meiner Antwort. Eine Sekunde zu lange. Mist!

„Du hast doch nicht etwa vergessen, dass du versprochen hast, den Kuchen für das Schulfest mitzubringen?" Ihre Stimme klang ungehalten. Sandra war immer leicht gestresst, was schnell in Wut umschlug. Ich wusste es und versuchte normalerweise ihren Stimmungen so gut es ging auszuweichen. Doch dafür war es zu spät.

Love Christmas - A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt