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David

Heatherfield Castle empfing uns mit Nieselregen. Die Dächer des alten Schlosses glänzten und die schnörkelige Fassade sah regennass dunkler aus. Den gemeißelten Reliefs und dem Wappen über dem Eingang verlieh der Regen mehr Tiefe und einen morbiden Charme, wie es sich für einen alten englischen Landsitz gehörte. Ich lächelte, als ich den Wagen durch das Tor lenkte, vorbei an den massiven Adlern aus Granit, und der Auffahrt, die vor Jahrhunderten für Kutschen angelegt worden war, folgte. Von den Schneemassen von vor gut einer Woche war nichts mehr zu sehen. Stattdessen schimmerte der Rasen in nassem Grün und die Bäume des Parks ein paar Nuancen dunkler.

Es dämmerte schon, als ich den Audi neben dem Landrover parkte und mit Carolyn zum Schloss ging. Wir gingen direkt durch den Hintereingang zur Küche. Der Haupteingang wurde in der Regel von Touristen, oder Gästen, oder zu besonderen Gelegenheiten genutzt. 

„Wie anders alles ohne Schnee aussieht", stellte sie fest. „Und ohne die Weihnachtsbeleuchtung."

Da stimmte ich ihr zu. Noch waren die Buden des Weihnachtsmarkts und die Dekorationen aufgebaut, aber da das Anwesen bis ins neue Jahr für die Öffentlichkeit geschlossen sein würde, war der Strom im Park abgestellt und die Drahtengel und regennassen Buden wirkten ein wenig traurig und verlassen. Morgen würde alles abgebaut werden und die Vorbereitungen für den Silvesterball beginnen.

„Frohe Weihnachten!", rief Rachel, die mit einer weißen Schürze über ihrem dunklen Kleid, am Herd stand und in einem brodelnden Topf rührte. Sie stellte die Flamme kleiner und kam mit ausgebreiteten Händen auf uns zu.

„Wie war die Fahrt?", fragte sie und umarmte mich herzlich.

„Frohe Weihnachten", antwortete ich unserer Haushälterin, die schon immer mehr so etwas wie eine Tante für mich gewesen war, und drückte sie an mich. „Die Fahrt war gut. Keine Schneeflocke weit und breit."

„Ja! Verrückt, dass wir erst dieses Schneechaos hatten und jetzt ist alles wieder weg." Sie lachte, dann wandte sie sich an Carolyn.

„Ich bin so froh, dass du mitgekommen bist!", sagte sie in ihrer unverblümten, herzlichen Art.

„Ich konnte eigentlich gar nicht anders, als ihm zu verzeihen", antwortete Carolyn und warf mir einen Blick zu, den ich mit einem dankbaren Lächeln erwiderte.

"Er hätte dich nicht im Unklaren lassen sollen und wir anderen hätten nicht mitspielen sollen. Es tut mir wirklich leid", fuhr Rachel fort, der unser Blickwechsel nicht entgangen war. „Ich freue mich wirklich sehr für euch beide. Aber was die Presse schreibt. Es ist unerhört..." Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und schüttelte den Kopf, als gäbe es zu dem Thema nicht mehr zu sagen. Dann berührte sie sacht Carolyns Arm. „Wir reden später. Jetzt muss ich den Yorkshire Pudding in den Ofen schieben." Sie wirbelte herum und kehrte zum Herd zurück. „Ach David", rief sie noch über die Schulter!"

„Ja?"

„In der Halle findest du die Post und ein Päckchen ohne Absender."

„Ich sehe es mir gleich an", versicherte ich ihr.

Dann kam Joseph herein. Sein ernstes Gesicht hellte sich auf, als er uns sah, aber überschwängliche Begrüßungen waren nicht seins. Daher brachte er gerade mal ein mürrisch klingendes „Frohe Weihnachten" über die Lippen.

„Hallo Joseph. Frohe Weihnachten", sagte ich. „Wie steht's an der Front?"

Er gab ein unbestimmtes Brummen von sich. „Es regnet im Südflügel rein", verkündete er dann mit unbewegter Miene. „Die Schneemassen haben die rostige Dachrinne am Giebel des Westflügels komplett abgerissen und diverse Fensterläden sind lose."

Love Christmas - A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt