wenige Tage später...
Carolyn
Heatherfield Castle wurde belagert. Das schmiedeeisernte Tor, das das Anwesen zur Straße hin abgrenzte, blieb seit dem Silvesterball geschlossen. Davor stand ein weißer Van mit dem Logo eines Fernsehsenders an den Seiten und einer Sattelitenschüssel auf dem Dach. Am Neujahrsmorgen war von dort, von einer Reporterin im roten Hosenanzug, über Bates Tat berichtet worden. Wir hatten es live im Fernsehen gesehen, während wir im Schloss saßen, dessen Umrisse weit im Hintergrund, hinter kahlen Bäumen, auf dem Bildschirm zu sehen waren. David hatte den Fernseher schnell wieder ausgemacht. Es standen auch noch zwei oder drei Autos herum, welche hartnäckigen Reportern und Paparazzi gehörten, die hofften, einen Blick auf einen von uns zu erhaschen. Wir redeten nicht mit der Presse. Davids Sekretärin und sein Onkel wimmelten alle Presseanfragen ab und verwiesen auf die offizielle Mitteilung. Natürlich wurde dennoch kräftig berichtet und spekuliert. Denn es hielten sich nicht alle Gäste des Balls so bedeckt und natürlich war Kristies Gesundheitszustand ein großes Thema.
Auch ein paar Schaulustige waren her gepilgert und hatten Blumen und Windlichter am Tor abgestellt. Doch sie waren von dem feuchtkalten Wetter schnell wieder vertrieben worden.
„Sicher, dass du da raus willst?", fragte David, als er mir die Beifahrertür des Landrovers aufhielt. Sein Blick schweifte in Richtung des Tors, das von hier aus noch nicht zu sehen war. Und doch wussten wir, dass der weiße Van noch immer dort stand.
„Aber natürlich will ich", antwortete ich bestimmt und zog meine rote Mütze tiefer in die Stirn, weil es wirklich eisig kalt war. „Ich will mich persönlich bei Kristie bedanken."
David nickte, ließ mich einsteigen und schloss die Tür hinter mir. Dann umrundete er das große Auto, setzte sich auf die Fahrerseite, startete den Motor und drehte die Heizung höher.
Erst heute Morgen hatte Bill Donner, Kristies Vater, David angerufen, um ihm zu sagen, dass wir zu Kristie durften. Bill war die meiste Zeit bei ihr im Krankenhaus und hatte David über ihren Zustand auf dem Laufenden gehalten. Wir wussten, dass Kristie noch in der Silvesternacht notoperiert worden war. Sie wäre fast innerlich verblutet, außerdem war die Milz verletzt worden. Wir hatten ihr Blumen geschickt, aber erst jetzt war sie kräftig genug für Besuch.
Ich wollte sie sehen, weil ich das Gefühl hatte, ich könne erst mit den Ereignissen der Silvesternacht abschließen, wenn ich mich bei ihr bedankt hatte. Dabei war der Gedanke, mich bis auf weiteres in Heatherfield Castle zu vergraben, auch sehr verlockend. Das Schloss und das Anwesen waren so groß, dass es nicht schwer war, den Plätzen, die unschöne Erinnerungen wachriefen, auszuweichen. Außerdem hatte David, sobald die Polizisten mit der Spurensicherung fertig waren, den vollgebluteten Teppich in der Halle zusammengerollt und rausgeworfen. Der Teppich war riesig und schwer. David war nach der Arbeit staubig und verschwitzt gewesen, aber er hatte es sofort und allein tun wollen. Das war seine Art von Therapie.
Das schmiedeeiserne Tor ließ sich mit einer Fernsteuerung öffnen und wir konnten, ohne auszusteigen, rausfahren, während sich die leise knarzenden Flügeltüren hinter uns wieder schlossen. Ein verfroren aussehender Fotograf, hob seine Kamera und machte Fotos von uns, aber viel war wohl nicht zu erkennen. Der Großteil meines Gesichts und der Hals mit den Pflasterstreifen, war von einem Schal bedeckt, und auf dem Kopf trug ich die Mütze. Ein Reporter mit Mikrofon und ein Kameramann kamen von dem weißen Van her angelaufen, aber wir hielten nicht an, um irgendwelche Kommentare abzugeben. Davids Miene strahlte kühle Ruhe aus, als wäre sein Gesicht in Stein gemeißelt. Er steuerte das große Auto langsam, um keinen Reporter zu überfahren, auf die Straße. Sobald wir auf der Landstraße waren gab er Gas.
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David und ich waren uns einig. Wir mochten keine Krankenhäuser. Die endlosen Gänge, die irgendwie immer gleich und doch anders aussahen und die Geräusche, die gelegentlich aus einem Zimmer drangen, hatten etwas unheimliches an sich. Die Leute auf den Gängen, Pflegepersonal und Ärzte, hatten es immer eilig und hasteten an uns vorbei, als wären wir unsichtbar. Gelegentlich piepte irgendwo ein Gerät. Der Bodenbelag aus Plastik machte unter unseren Schuhen komische Geräusche und in unsere Nasen biss der Geruch nach scharfen Reinigungsmitteln, klinisch reiner Wäsche und Großküchenessen.
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Love Christmas - A Cinderella Story
RomanceCarolyn ist für alle da: Ihre alleinerziehende Schwester und deren Zwillinge, die pflegebedürftige Großmutter und ihren Chef, für den Überstunden nichts zählen. Für sich selbst bleibt keine Zeit. - Bis sie ihre beste Freundin zu einem vorweihnacht...