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David

„Mr Miller von der Sun versucht schon seit geraumer Zeit Sie zu erreichen, Sir", sagte Mrs Wilde, als sie in mein Büro kam, um eine Unterschriftenmappe abzuholen.

„Wimmeln Sie ihn bitte weiter ab, Mrs Wilde", sagte ich zerstreut. Ich war mit damit beschäftigt, eine E-Mail zu schreiben. Eine der letzten für heute, denn ich wollte gleich Feierabend machen und mit Ryan noch etwas trinken gehen. Morgen war schließlich Weihnachten.

Mrs Wilde blieb unschlüssig in der Tür stehen, was mehr als ungewöhnlich für sie war. Sie war das Bollwerk meines Vorzimmers. Ein scharfer, aber zuverlässiger und loyaler Dobermann, an dem keiner vorbeikam. Es kam nicht von ungefähr, dass Ryan ein bisschen Angst vor ihr hatte.

„Gibt es noch etwas, Mrs Wilde?", fragte ich, vom Computerbildschirm aufblickend.

„Mr Miller sagte am Telefon, dass es um Miss Montrose ginge, Sir", ergänzte sie mit einem fast entschuldigenden, mitfühlenden Blick.

Ihr Blick verriet mir, dass sie Bescheid wusste und das ganze Elend der Situation erkannte, aber ihre Professionalität behielt die Oberhand. Sie brauchte auch nichts weiter zu sagen. Mir war die Tragweite ihrer Worte voll bewusst und es fühlte sich wie ein Faustschlag in den Magen an.

Ich holte tief Luft, während Mrs Wilde noch in der Tür stand und auf weitere Anweisungen wartete, und lächelte sie an, als hätte ich alles im Griff. In Wahrheit schmerzte mein Kiefer vor Anspannung.

„Danke, Mrs Wilde. Das wäre dann alles."

Sie nickte und schloss dann leise die Tür hinter sich.

„Verdammt, verdammt nochmal", fluchte ich leise vor mich hin. Sie hatten ihren Namen. Dieser gottverdammte Miller hatte, auf welchem Weg auch immer, Carolyns Namen und Gott weiß was sonst noch herausgefunden. Es waren nicht länger nur ein paar Paparazzi-Fotos, die zeigten, wie ich eine Unbekannte küsste. Die Unbekannte hatte einen Namen, ihren Namen, Carolyn Montrose.

Ich kannte Roy Miller vom Hörensagen. Er galt als guter Journalist, hatte sich aber dem Sensationsjournalismus verschrieben. Klatsch und Tratsch waren sein Lebenselixier. Er war einer der Reporter gewesen, die über meine und Kristies Trennung berichtet hatten. Er hatte damals ein Interview mit mir machen wollen, aber ich hatte abgelehnt. Ich redete nicht mit Leuten wie ihm. Doch anschließend hatte er sich auf Kristies Seite geschlagen und hatte mich in der weiteren Berichterstattung schlecht dastehen lassen. Ich konnte den Kerl nicht leiden, ohne ihm je persönlich begegnet zu sein.

Kurz überlegte ich, diesen Miller anzurufen, aber ich musste mir eingestehen, dass es kontraproduktiv wäre, jetzt ihm zu sprechen. Ich war zu wütend um sachlich zu bleiben und es war ohnehin klar, dass ihm alles, was ich sagte, neue Munition geben würde, die er gegen mich verwenden konnte. Oder gegen Carolyn.

Mein schlechtes Gewissen war wieder da. Nicht, dass es eine Sekunde geschwiegen hätte, seit Kristie mir vor meiner Wohnung aufgelauert hatte und diese Verführerischer-Vamp-Nummer abgezogen hatte – auf die ich wie ein hormongesteuerter, erbärmlicher Vollidiot angesprungen war, zumindest fast. Doch wenn diese peinliche Szene für irgendetwas gut gewesen war, dann dafür dass ich jetzt Gewissheit hatte, dass ich rein gar nichts mehr für Kristie empfand. Wo vorher noch ein bisschen verletzter Stolz und Wehmut mitgeschwungen hatte, war nichts mehr. Stattdessen galt mein ganzes Denken und meine einzige Sorge Carolyn.

Nachdenklich vor mich hin brütend, griff ich nach meinem Handy und wog es einen Augenblick lang in der Hand, dann entsperrte ich das Display und wählte Carolyns Nummer aus den Kontakten. Während ich, mit wachsender Ungeduld, darauf wartete, dass sie dran ging, öffnete sich die Tür zu meinem Büro, ohne, dass es geklopft hätte.

Love Christmas - A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt