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David

Ich hielt noch sekundenlang den Hörer in meiner Hand, längst tutete es in der Leitung, ehe ich auflegte. Carolyn hatte mitgenommen geklungen und ich war mir ziemlich sicher, dass sie geweint hatte, auch wenn ich mir durchs Telefon nicht sicher sein konnte, und sie ganz offensichtlich bemüht gewesen war, es vor mir zu verbergen.

Diese verdammten Fotos.

Ich hatte selbst gerade eben erst erfahren, dass sie veröffentlicht wurden, weil mir ausgerechnet meine Mutter angerufen hatte. Unsere Familie war daran gewöhnt, dass gelegentlich Fotos von uns in den Boulevardzeitungen auftauchten, aber diese Fotos waren ihr gegen den Strich gegangen. Nicht, dass sie sich ansonsten sonderlich in mein Leben einmischen würde, aber die Fotos veranlassten sie zu einem ziemlich unpassenden Vortrag darüber, dass ich es der Familie schuldig war, mein Herz nicht an irgendein dahergelaufenes Flittchen unbekannter Herkunft zu hängen. Stattdessen sollte ich lieber Kristie anrufen, die sehnsüchtig darauf wartete, dass ich mich meldete, um die alten Streitereien endlich beizulegen.

Zum Glück hatten wir nur telefoniert, denn ansonsten wäre mir der Kragen geplatzt. Wie sie von Carolyn sprach, ohne sie überhaupt zu kennen, machte mich wütend und es schockierte mich, dass sich Kristie ausgerechnet bei meiner Mutter ausgeheult hatte. Als wäre ich in irgendeiner Form Schuld daran gewesen, dass die Beziehung mit Kristie in die Brüche gegangen war. 

Doch ich beherrschte meine Wut, gab ausweichende Antworten, als meine Mutter Carolyns Identität erfahren wollte, und ließ ihre Bemerkungen über Kristie so gut es ging unkommentiert. Am Ende hatte ich behauptet, dass ich zu einer Besprechung musste und aufgelegt. Die nächste Viertelstunde hatte ich im Internet verbracht und hatte mir die Fotos von Carolyn und mir angesehen. Dabei schwankte ich ununterbrochen zwischen Ärger, wegen den heimlichen Fotos, Wut wegen der zum Teil wirklich fiesen Bildunterschriften und dem Wunsch Carolyn vor dieser ganzen schlechten Welt zu beschützen. Nur leider war es dafür zu spät. Ich hatte sie, wehrlos und unschuldig, wie sie war, durch mein unbedachtes Verhalten und eine Aneinanderreihung dummer Zufälle den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Die Schuld daran lag nur bei mir.

Ich wusste, wie hilflos man sich fühlt, wenn plötzlich Unwahrheiten über einen verbreitet wurden, aber ich war ein Stück weit daran gewöhnt, hatte mir ein dickes Fell zugelegt, und ignorierte den Blödsinn in der Regel, doch Carolyn hatte dem ganzen gar nichts entgegenzusetzen. Also hatte ich Mrs Wilde gebeten, mir Mr Jeffersons Assistentin ans Telefon zu holen. Es war ein billiger Trick, aber der einzige, der mir auf die Schnelle einfiel.

Ich war auf Wut und Vorwürfe gefasst gewesen, aber Carolyn hatte niedergeschlagen und erschöpft geklungen. Es hatte mich fertig gemacht. So fertig, dass ich am Telefon nur einen Bruchteil von dem hatte sagen können, was ich gerne gesagt hätte und stattdessen jetzt im Foyer des Bürogebäudes stand, in dem sie arbeitete.

Der indische Empfangsmitarbeiter musterte mich die ganze Zeit misstrauisch, und wusste offensichtlich nicht, was er von meinem Auftauchen halten sollte. Er hatte sich sogleich von gestern an mich erinnert, aber als ich fragte ob Miss Montrose heute im Hause wäre und ihm, als er bejahte, sagte, dass er mich nicht anzumelden brauchte und ich stattdessen warten würde, hatte ihn berechtigter Weise stutzig gemacht. Er sah mich auffällig unauffällig mit leicht verengten Augen an, als rechne er damit, dass ich jeden Augenblick eine Waffe ziehen, oder sonst irgendetwas filmreifes abziehen könnte. Ich ignorierte die Blicke des Inders und ließ mich im Wartebereich auf einem steinharten Designersessel nieder. Ich wartete. Wenn das ein Film wäre, wäre er ziemlich schlecht.

Gelegentlich riss mich mein Handy aus meinen Gedanken. Mrs Wilde rief an, um mir zu sagen, dass ein Reporter von der Sun zweimal angerufen hatte. Ich bat sie, den Kerl und jeden anderen Reporter abzuwimmeln und mich für den Rest des Tages zu verleugnen. Ryan rief ebenfalls an, um mir zu sagen, dass er die Fotos gesehen hätte und mit sein Mitgefühl zu versichern. Außerdem machte er sich ein bisschen über mich lustig und ich nannte ihn Idiot und legte auf. Auch Rose, meine kleine Schwester, meldete sich um sich zu entschuldigen. Sie fühlte sich schuldig, weil sie sich für die Mistelzweigfotos verantwortlich fühlte und erkundigte sich nach Carolyn, die sie, wie sie mir versicherte, sehr nett fand. Ich gestand ihr, dass ich auf sie wartete, um mit ihr zu reden und sie wünschte mir viel Glück. Ich dankte ihr, denn Glück konnte ich gebrauchen.

Love Christmas - A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt