Carolyn
Ich stellte mein Sektglas auf den Tisch und wollte schnell ans Telefon gehen, das ich zum widerholten Mal und sehr beharrlich in meinem Büro klingeln hörte.
„Heute geht keiner mehr ans Telefon!", hielt mich Daniel zurück und machte dabei eine ausholende Bewegung mit seinem Gin Tonic, so dass etwas davon auf den Boden schwappte. Es kümmerte ihn nicht und seine Stimme klang schon etwas verwaschen.
„Ich gehe nur kurz ran und schalte dann den Anrufbeantworter ein", versicherte ich ihm und wich weiteren Gin Tonic-Spritzern aus, in dem ich einen Schritt von ihm wegmachte.
Die anderen Kollegen waren schon ähnlich gut beieinander, wie Daniel und ich hatte keine Chance bei dem Alkoholpegel, der schon im Büro herrschte, mitzuhalten. Die Party hatte schon begonnen, als Frank und ich von dem Termin im Rathaus gekommen waren. Frank hatte sich, nachdem er sich in einer seltenen Anwandlung von Gutmütigkeit, einen peinlichen Partyhut hatte andrehen lassen und vor allen ein paar feierliche Worte von sich gegeben hatte, erfolgreich in seinem Büro verschanzt, aber mir blieb dieser Zufluchtsort verwehrt. Stattdessen nippte ich an einem Glas Sekt, der es wohl nicht in den Kühlschrank geschafft hatte. Die prickelnde Flüssigkeit schmeckte schal.
Susie, die Praktikantin, die ihren pinken Partyhut passend zur Farbe ihres bauchfreien Tops ausgewählt hatte, hängte ihren Arm um meinen Hals.
„Nicht ans Telefon gehen. Anweisung vom Chef", sagte sie lachend. „Lass uns anstoßen, Carolyn."
Ich stieß mit ihr an und nahm pflichtschuldig einen Schluck Sekt. Ich wusste, dass mein Lächeln etwas gequält wirkte, und das war es auch. Ich hasste es einfach, zu einer Party zu kommen, auf der die meisten schon sichtlich angeheitert waren, während ich stocknüchtern war. Ich trank nie viel Alkohol. Zuletzt hatte ich auf dem Weihnachtsmarkt in Heatherfield Castle etwas getrunken. Am Glühweinstand mit Rose, Davids Schwester.
Er schob sich wie so oft in meine Gedanken. Ein paar mutwillig glitzernder Augen, eine markante Kieferpartie, ein hinreißendes Lächeln, die römische Hakennase, sandfarbenes Haar, das dazu einlud, von meinen Fingern zusätzlich verstrubbelt zu werden. Seine weichen und doch festen Lippen auf meinen Lippen, die allein bei der Erinnerung erwartungsvoll zu kribbeln begannen. Sanfte Berührungen, rauer, großer Hände, eine Umarmung starker Arme, in der ich mich geborgen fühlte, wie sonst nirgendwo auf der Welt... Ich sollte nicht daran denken. Ich durfte es einfach nicht. Kristie hatte das Spiel gewonnen, an dem ich nicht einmal wirklich teilgenommen hatte, weil ich von Anfang an gewusst hatte, dass ich keine Chance hatte. Ich nahm einen größeren Schluck von meinem Sekt und trank das ganze Glas schließlich leer, obwohl mir der billige Fusel überhaupt nicht schmeckte, während im Hintergrund noch immer mein Telefon klingelte. Ich fragte mich, wer das, einen Tag vor Weihnachten und um diese Uhrzeit, sein könnte, aber gerade als ich beschloss, Daniels Anweisung zu ignorieren und ans Telefon zu gehen, kam mir Ben zuvor.
„Ich kümmere mich ums Telefon!", verkündete er und zog, ungeachtet meines schwachen Protestes, in Richtung meines Büros ab. Ehe ich ihn aufhalten konnte, hatte er den Stecker gezogen, was für allgemeine Erheiterung sorgte und dafür, dass ein paar Leute loszogen und auch sämtliche andere Stecker zogen. Ich fragte mich beiläufig, was Frank von dem Verhalten seiner Mitarbeiter halten mochte, aber er hatte sich erfolgreich davon gemacht. Irgendjemand drückte mir ein frisches Sektglas in die Hand und ich stieß mit Barbara und Susie auf den Streich mit den Telefonkabeln an. Mehr Sekt half ein bisschen gegen meine Gedanken und ich trank auch das zweite Glas Sekt leer, während Barbara mir irgendetwas erzählte, von dem ich nur die Hälfte mitbekam, weil irgendjemand die Musik aufgedreht hatte. Last Christmas dröhnte mir in voller Lautstärke in den Ohren. Dann tauchte Daniel neben mir auf. Mit einem vollen Glas Gin Tonic in der Hand.
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Love Christmas - A Cinderella Story
RomanceCarolyn ist für alle da: Ihre alleinerziehende Schwester und deren Zwillinge, die pflegebedürftige Großmutter und ihren Chef, für den Überstunden nichts zählen. Für sich selbst bleibt keine Zeit. - Bis sie ihre beste Freundin zu einem vorweihnacht...