46

175 20 0
                                    

David

„Sieht das Kleid so schrecklich aus? Ich gehe da nicht raus, wenn es schrecklich aussieht. Jetzt hör schon auf, mich so seltsam anzuschauen!"

Ich konnte nicht andres. Ich starrte Carolyn an. Sie sah in dem kirschroten knöchellangen Abendkleid atemberaubend aus und mir fehlten schlicht und einfach die Worte. Ihre Sorge, sie würde aus irgendeinem Grund nicht gut aussehen, war so abwegig, und ihre Nervosität deswegen so unbegründet, dass ich lächeln musste.

„Das ist nicht witzig", brummte sie, weil sie meine Reaktion vollkommen falsch verstand.

Ich gab mir Mühe, mein dämliches Grinsen zu unterdrücken, weil es sie zusätzlich verunsicherte, und flüchtete mich in ein Räuspern, während ich an der Manschette meines weißen gestärkten Hemdes herumzupfte und prüfte, ob die Manschettenknöpfe aus Platin, die ich von meinem Vater geerbt hatte, richtig saßen.

„Rot steht dir", brachte ich schließlich hervor. „Du siehst wundervoll aus."

„Macht mich das Kleid dick?"

Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Sie wirkte zierlich wie immer und das Kleid betonte lediglich ihre Vorzüge. Das Oberteil war tief, aber geschmackvoll, dekolletiert und bis zur Taille enganliegend. Die schmalen Träger waren mit roten Steinchen besetzt und betonten Carolyns schmale Schultern. Das Kirschrot betonte ihren zarten Teint. Ab der Taille bauschte sich das Kleid in einer eleganten, schlichten A-Linie bis zu ihren schmalen Füßen, die in schwarzglänzenden Pumps steckten, mit denen sie nervös von einem Bein aufs andere trat.

Ich hatte Carolyn für die uneitelste Frau gehalten, aber sie war sichtlich nervös wegen des Balls und wohl doch eitler als ich gedacht hatte. Ich schüttelte den Kopf, um ihr zu versichern, dass sie alles andere als dick aussah und griff nach ihrer kalten Hand.

„Du siehst hinreißend aus", sagte ich mit aller Ernsthaftigkeit, die ich zustande brachte. Am liebsten hätte ich sie den ganzen Abend einfach nur verliebt angesehen, während ein anderer Teil von mir sich bereits vorstellte, wie es sein würde, ihr die schmalen, glitzernden Träger von den Schultern zu streifen und jeden Quadratzentimeter dieser schönen Schultern, ihre Halsbeuge und das Dekolletee zu küssen, während ich den Reißverschluss in ihrem Rücken öffnete. Ich fragte mich, ob das Kleid einfach nur raschelnd von ihrem Körper gleiten würde, oder ob ich würde nachhelfen müssen. Es sah nicht so aus, als trüge sie darunter einen BH... Meine Finger kribbelten allein bei der Vorstellung, wie weich sich ihre Haut anfühlen würde und meine Lippen sehnten sich nach ihrem Geschmack. Doch das waren nicht die Gedanken, die ich zulassen durfte. Geschweige denn in die Tat umsetzen. Ein Verrückter war hinter Carolyn her und sie war bereits von den Polizisten verkabelt worden. Einer ihrer Ohrringe war mit einem Sender versehen, der den Polizisten immer ihren Aufenthaltsort verriet, und in ihrer kleinen, schwarzen Clutch, die noch zwischen uns auf dem Tischchen lag, war ein Panikknopf versteckt, der eine Spezialeinheit der Polizei auf den Plan rufen würde, die sich in einem Van beim Hintereingang bereithielt, wenn nicht vorher die Polizisten in Zivil, die sich unter die Gäste mischten, eingriffen. Der Gedanke daran, was uns möglicherweise bevorstand, erstickte jede aufkeimende Lust im Keim. Stattdessen kehrte die Anspannung zurück.

Ich wusste nicht, ob ich die Maßnahmen der Polizei übertrieben, oder für nicht ausreichend halten sollte. Es war einfach surreal und ich wünschte nur, Carolyn hätte mit alldem nichts zu tun. Oder wenigstens, sie hätten diesen Melvin Bates bereits gefasst.

Ich wollte Carolyn meine Anspannung nicht spüren lassen. Sie war schon nervös genug.

„Es ist mir eine Ehre, dass du mich heute Abend zum Ball begleitest", sagte ich und hob die Hand um spielerisch an einer Haarsträhne, die sich über ihrem rechten Ohr kringelte, zu zupfen.

Love Christmas - A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt