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David

Schnee. Jede Menge nasser, pappiger Schnee. Zugegeben, nicht so viel wie in der Schweiz, aber für diesen Teil Englands doch überdurchschnittlich viel. Genug, um die Wege im Park unkenntlich zu machen, um Bäume zum Umknicken zu bringen, die Statik der Weihnachtsmarkthütten zu gefährden und die Elektrik der Lichtinstallationen zu sabotieren.

Ein morscher Ast von einem der alten Bäume im Park hatte gleich mehrere Lichterketten einfach abgerissen und die Laternen, die den Besuchern den Weg durch den Park wiesen, waren eingeschneit und nicht mehr zu sehen. Auch die Straße hierher war durch einen umgestürzten Baum blockiert, der die ungewohnt schweren Schneemassen nicht hatte tragen können. Wir waren quasi von der Außenwelt abgeschnitten und es war Glück, dass die meisten Helfer, die hier zur Festive Season arbeiteten, ganz in der Nähe wohnten.

Die Wege und die Hütten wurden schon den ganzen Morgen freigeräumt, damit die Besucher am Abend das gewohnte Lichterspektakel, Glühwein, Eggnog, Punsch und Mince Pie genießen konnten. Fraglich war jedoch, ob überhaupt jemand herfinden würde, denn die Straßen wurden nur nach und nach freigeräumt und die wenigsten Leute hatten überhaupt Winterreifen aufgezogen. Hier rechnete einfach niemand mit so viel Schnee.

Immerhin hatte es in den frühen Morgenstunden zu schneien aufgehört und die Wettervorhersage brachte für die nächsten Tage mildere Temperaturen, so dass dieses Schneechaos hoffentlich nur ein kurzes Zwischenspiel darstellen würde. Bis zum alljährlichen Silvesterball waren die Wiesen und Bäume sicherlich wieder grün.

Schön sah der Schnee allerdings aus. Schneebedeckte Bäume, Eiszapfen, die in der Sonne glitzerten, die unberührte Schneedecke im Park, die schneebedeckten Türme und Giebeldächer des Schlosses.

Nur das Schneeschippen war lästig und anstrengend, aber gleichzeitig nicht fordernd genug, als dass es mich vom Nachdenken abgehalten hätte.

Ich dachte an Carolyn, die Rachel gerade in der Küche half und sich hoffentlich heute nicht wieder in ähnliche missliche Lagen manövrieren würde wie am Vorabend. Ich dachte schmunzelnd an unsere Begegnungen gestern, zuerst an der Eisbahn, dann in der Toilette, die bei Tageslicht betrachtet so lächerlich wie schicksalhaft wirkten, dass sie einem Monty Python Sketch entsprungen schienen. Ich dachte, noch immer lächelnd, an unser langes Gespräch bei Rührei und Rotwein. Carolyn im kuscheligen Flanellschlafanzug mit einer altbackenen Strickjacke darüber und selbstgestrickten Socken. Sie hatte mir von ihrer Familie erzählt und ich ihr von meiner Schwester und anderen Dingen - natürlich, ohne ins Detail zu gehen. Man wusste schließlich nie. Doch vielleicht hätte ich es tun sollen. Das leise, schlechte Gewissen nagte erneut an mir, wie am Vorabend, als sie mir ihr Vertrauen geschenkt hatte. Ich hatte gesehen, wie schwer ihr das gefallen war. Und ich... Ich hatte bereits mehr von mir preisgegeben, als ich es normalerweise Fremden gegenüber tat.

Vermutlich fühlte ich mich für sie verantwortlich, weil sie so lange in der Toilette eingesperrt gewesen war. Doch das war noch keine Begründung dafür, dass sie mir beim Schneeschippen im Kopf herumspukte, wie ein Geist in einem Gruselfilm, den sie nicht mit mir ansehen wollte. Sie war nicht einmal mein Typ, oder zumindest nicht die Sorte Frau, mit der ich sonst zu tun hatte.

Carolyn war anders. Sie war die uneitelste Frau, die ich kannte, mit dieser lächerlich großen Jacke, die vermutlich selbst in der Antarktis warmhielt, aber wie eine Steppdecke mit Ärmeln aussah, oder dem Flanellschlafanzug mit kleinen roten Rentieren im Karomuster, und den ganzen Stricksachen, die sie der Geschicklichkeit ihrer Granny verdankte, wie sie mir zwischen zwei Schlucken Wein und einer Gabel Rührei voll Stolz erzählt hatte, während die meisten anderen Leute die Sachen im hintersten Winkel einer Schublade vergessen hätten.

Und ihre zurückhaltende Art, die sie im nächsten Augenblick über Bord warf, um sich mir vertrauensvoll in die Arme zu werfen. Ihre Scheu und Schüchternheit, die im nächsten Atemzug in Direktheit und Verspieltheit umschlagen konnte. Beim Gedanken daran, wie sie mir gestern Abend frech einen Schneeball an den Kopf geworfen hatte, oder wie wir uns wie die Kinder um die Fernbedienung gebalgt hatten, musste ich lächeln. Und dann fiel mir ein, wie niedlich sie vorhin ausgesehen hatte, mit der zu großen Schürze und der Mehlspur auf der Wange, und ich fragte mich, ob ihre schön geschwungenen Lippen wohl nach den Ingwerplätzchen schmeckten, die sie den ganzen Vormittag backte. 

Love Christmas - A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt